BR-KLASSIK

Inhalt

Zoom - Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth Fürstin der Musen

Das Markgräfliche Opernhaus von Bayreuth ist eines der wenigen noch original erhalten Barocktheater Europas und UNESCO-Weltkulturerbe. Dass eine fränkische Kleinstadt ein solch großes und prächtiges Theater erhalten hat, hat sie der Königstochter Wilhelmine von Preußen zu verdanken, die in das Bayreuther Markgrafentum eingeheiratet hat. In nur vier Jahren Bauzeit wurde das Theater 1748 fertig gestellt – außen von Joseph Saint-Pierre, innen von den Architekten und Bühnenbildnern Giuseppe und Carlo Galli-Bibiena gestaltet.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Der Beitrag zum Nachhören

Anlass zu Begeisterung hat Friederike Sophie Wilhelmine Prinzessin in Preußen nicht wirklich, als sie 1732 als Gattin des zukünftigen Bayreuther Markgrafen Friedrich zum ersten Mal die Gemäuer ihrer neuen Residenz in Bayreuth inspiziert. Zumal der Prinzessin ursprünglich eine weitaus glänzendere Zukunft am englischen Königshof in Aussicht gestellt worden war. Nun aber ist sie in der fränkischen Provinz gelandet.

"Ich trat in ein großes Zimmer, die oberen Wandfriese mussten einmal, glaube ich, sehr schön gewesen sein, aber jetzt waren sie so alt und verblichen, dass man nur mit Hilfe des Mikroskops klug daraus werden konnte", klagt Wilhelmine. "Die Gesichter waren so löchrig und verwischt, dass sie Gespenstern ähnlich sahen. Das Nebenkabinett war mit schmutzigen Brokat ausgeschlagen, seine durchstochenen grünen Damastmöbel waren von prächtiger Wirkung."

Doch Wilhelmine hat Glück, sie liebt den ihr verordneten Friedrich von Bayreuth tatsächlich und sie ist frei, die Bayreuther Residenz nach ihren Vorstellungen umzugestalten.

Bauwütige Fürstin

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth | Bildquelle: picture-alliance/dpa Markgräfliches Opernhaus Bayreuth | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wilhelmine von Bayreuth entpuppt sich als geradezu bauwütige Fürstin, die das Bayreuther Markgrafentum sukzessive in einen der glänzendsten Fürstenhöfe Europas verwandelt. Das alte Schloss in der Eremitage wird umgestaltet und erweitert, dazu ein neues Schloss mit einem Apollotempel sowie ein Ruinentheater im Park errichtet. Der Landsitz Sanspareil außerhalb Bayreuths zusammen mit einem eigenwilligen Felsentheater entsteht. Und als die Stadtresidenz durch ein Feuer zerstört wird, setzt sich Wilhelmine für den Bau eines Neuen Schlosses ein. Auch die Gründung einer Universität regt Wilhelmine an. Zwischen alldem lässt die Markgräfin in dem kleinen Ort Bayreuth eines der prächtigsten Opernhäuser der damaligen Zeit entstehen.

Ausbildung der Sänger

In Bayreuth etabliert Wilhelmine fernab der großen Musikzentren einen Musenhof, der es mit den Bühnen von Dresden oder Berlin aufnehmen kann. Sie komponiert eine Oper, Kantaten und Instrumentalwerke, verfasst Libretti und kümmert sich sogar selbst um die Ausbildung und das Training der von ihr engagierten Sänger.

Ich habe eine Sängerin gewonnen, die die schönste Stimme der Welt hat. Ich arbeite gegenwärtig daran, ihr das Pathetische beizubringen und ihr einen guten Geschmack zu vermitteln.
Wilhelmine von Bayreuth

Barocke Pracht über drei Ränge

1748 wird das Markgräfliche Opernhaus feierlich eröffnet. Auf dem Programm steht Johann Adolf Hasses Oper "Ezio". Die Hausherrin selbst führt Regie und entwirft die Kostüme. Die Bühnenbilder stammen von Carlo Galli Bibiena, dem Sohn des Architekten des Theaters. Mit dem Bau des Opernhauses, das mit 600 Plätzen damals zu den größten seiner Art gehört, vergleichbar nur mit den Theatern in Wien, Dresden, Paris oder Venedig, will das Markgrafenpaar Bayreuth als eines der führenden europäischen Fürstentümer nach außen darstellen. Die barocke Pracht des über drei Ränge verfügenden reinen Holz-Theaters dient deshalb vor allem einem Ziel: der Verherrlichung der Erbauer, des Markgrafen Friedrich und seiner Frau Wilhelmine.

Begeisterung für die Aufklärung

Porträt von König Friedrich II. von Preußen (1712-1786) auf einem Gemälde von Pesne. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wilhelmines Bruder: Friedrich II. "der Große" | Bildquelle: picture-alliance/dpa Im Theater prangt eine Königskrone als Verzierung, Friederike Sophie Wilhelmine ist schließlich von königlicher Abstammung. Am 3. Juli 1709 wird sie als Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. von Preußen in Berlin geboren. Wilhelmine und ihr jüngerer Bruder Friedrich, der später als König von Preußen den Beinamen "der Große" erhalten wird, werden von ausgewählten Gelehrten mit besonderem Gewicht auf den humanistischen Fächern unterrichtet. Beide Kinder erweisen sich als musisch überaus begabt, musizieren, komponieren und zeichnen. Und sie interessieren sich für die Schriften der Aufklärungsphilosophen, was im Elternhaus allerdings auf heftigen Widerstand stößt und deshalb heimlich zu geschehen hat.

Kompetente Komponistin

Die einzige von Wilhelmine komplett selbst komponierte Oper ist "Argenore", ein höfisches "Dramma per musica", 1740 zum Geburtstag ihres Mannes entstanden. Für andere Opern schreibt sie entweder den Text neu oder komponiert einzelne Passagen. Schließlich ist es zu dieser Zeit durchaus üblich, einzelne Teile aus bestehenden Opern zu verwenden und sie in einen neuen Kontext zu stellen. Diese Werke entstehen für besondere Anlässe wie Geburtstage oder hohe Besuche und weisen meist einen direkten Bezug zum Leben der Markgräfin auf. Der tyrannische König Argenore, der durch sein Handeln beinahe alle Personen des Stücks in den Tod treibt, ist vermutlich eine Anspielung auf Wilhelmines Vater Friedrich Wilhelm I., während das Liebespaar Euromondo und Palmide, das sich im Verlauf des Stücks als Geschwisterpaar erkennt, auf die Beziehung von Wilhelmine zu ihrem Bruder Friedrich deutet. Die Komposition weist Wilhelmine in der Tat als versierte Beherrscherin von Tonsatz und Instrumentation aus.

Voltaire in Bayreuth

Mehrfach kommt Wilhelmines Bruder Friedrich der Große zu Besuch nach Bayreuth. 1743 bringt der preußische König auch noch einen berühmten Gast mit nach Bayreuth: den Philosophen Voltaire. Während Friedrich bereits nach kurzer Dauer abreiste, blieb Voltaire mehrere Wochen in Bayreuth, wo er sich offenbar sehr wohl fühlte: "Bayreuth ist ein wunderlich stiller Ort. Man kann alle Annehmlichkeiten eines Hofes ohne die Unbequemlichkeiten der großen Welt genießen."

1758, Wilhelmine ist 49 Jahre alt, verschlechtert sich ihr ohnedies eher labiler Gesundheitszustand dramatisch. Am 10. August schreibt sie an ihren Bruder:

"Liebster Bruder!
Ich bin so schwach, dass ich kaum kritzeln kann. Du fragst nach meinem Zustand. Wie ein armer Lazarus liege ich seit sechs Monaten im Bett. Seit acht Tagen trägt man mich auf einem Tragsessel und fährt mich im Rollstuhl."

Die Gebäude zeugen von ihrem Ruhm

Danach hat Wilhelmine nur noch wenige Wochen zu leben. Sie stirbt am 14. Oktober 1758 im Alter von 49 Jahren. Die Todesursache ist nicht ganz geklärt. Wahrscheinlich litt die Markgräfin an einer Herzschwäche und an Tuberkulose. Die von ihr errichteten Gebäude, die Eremitage, das Neue Schloss, und natürlich das Opernhaus haben ihren Tod überdauert und künden bis heute vom außerordentlichen Glanz und dem künstlerisch-humanistischen Geist am Markgräflichen Fürstenhof der Wilhelmine von Bayreuth.

Sendung: "Piazza" am 13. Oktober 2018 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player