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Porträt Mariss Jansons "Gefühle zeigen, bitte!"

Mariss Jansons trat als Wunschkandidat aller Musiker 2003 die Leitung von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks an. Damit setzte wieder ein Großer seiner Zunft die prominente Reihe der Chefdirigenten fort. Jansons führt das Orchester weiter weltweit zu Erfolgen.

Den sehr speziellen warmen Klang des Orchesters formte Rafael Kubelík, Lorin Maazel schulte es in technischer Präzision und Mariss Jansons lässt nun beide Qualitäten miteinander verschmelzen und hebt die klangliche Identität auf eine neue Ebene. Durch ihn ist das Orchester noch einmal über sich hinausgewachsen.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist nicht nur brilliant - es hat keinerlei Schwächen. Für mich als Dirigent ist es so, als würde ich einen Rolls-Royce fahren.
Mariss Jansons

Der lettische Dirigent ist stark geprägt vom emotionalen russischen Musizierstil, voller Hingabe an die Kunst - persönlich hingegen bescheiden und fernab von Starallüren. Die Musiker sind von ihm begeistert: "Mariss Jansons ist für mich ein Phänomen: Er dirigiert schon so lange, aber am Pult brennt er vor Leidenschaft wie am ersten Tag. Jansons ist ein tiefernster Musiker, der es schafft, dass bei ihm immer der Funke überspringt", schwärmt der Geiger Wolfgang Gieron.

Bildquelle: Astrid Ackermann

"Gefühle zeigen" - Kurzporträt Mariss Jansons

Besondere Höhepunkte und Anerkennungen

Zusammen mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vervollständigte Jansons mit einer ganzen Reihe von Aufnahmen seine Gesamteinspielung der 15 Symphonien Dmitrij Schostakowitschs. Darunter die Nr. 13, die 2006 mit dem Grammy in der Kategorie "Beste Orchesterdarbietung" ausgezeichnet wurde, dem "Oscar" dieses Genres. 2007 erhielt er den "Europäischen Dirigentenpreis" und ein Jahr später platzierte eine Umfrage der Musikzeitschrift "Gramophone" die beiden von Mariss Jansons geleiteten Klangkörper unter die zehn besten Orchester der Welt: das Concertgebouworkest in Amsterdam auf Platz 1 und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf Platz 6.

Auf langen Konzertreisen führte Jansons das Orchester durch nahezu alle europäischen Länder, nach Asien sowie Nord- und Südamerika. Zur Eröffnung der Fußball-WM 2006 in München beteiligte er sich an dem großen Event mit Plácido Domingo, Lang Lang und den drei Münchner Spitzenorchestern, die unter ihren Chefdirigenten im Olympiastadion spielten. Jansons ist sehr daran gelegen, auf diese Weise für die klassische Musik zu werben. Ein besonderes Erlebnis war 2007 ein Gastspiel mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vor Papst Benedikt XVI. im Vatikan mit Beethovens Neunter Symphonie. Im Herbst 2012 haben Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seiner Leitung in Tokio den Zyklus aller neun Beethoven-Symphonien aufgeführt und wurden dafür vom japanischen Publikum und der Kritik euphorisch gefeiert. 

Stationen eines Traumberufs

Mariss Jansons Kinder- und Jugendbilder | Bildquelle: Mariss Jansons Mariss Jansons als Kleinkind übt sich im Dirigieren. | Bildquelle: Mariss Jansons Mariss Jansons kam 1943 in der lettischen Hauptstadt Riga zur Welt. Sein Vater Arvīds war ein bekannter Dirigent und die Mutter Erhaida Sängerin. Sein Zuhause war das Opernhaus, wo die Eltern arbeiteten. Schon als Dreijähriger kannte er die Ballette und Opern auswendig. Er arrangierte Knöpfe, denen er verschiedene Orchester-Rollen zuwies, und spielte anschließend Dirigieren. Sein Vater unterstützte ihn später dabei, seinen Berufswunsch Dirigent zu verwirklichen.

Die Familie zog bald nach Leningrad, wo sein Vater eine Stelle bei den Leningrader Philharmonikern hatte. Dort studierte Mariss Violine, Klavier und Orchesterleitung. Dank eines Austauschprogramms schlüpfte er 1969 durch den Eisernen Vorhang und kam nach Wien. "Es war, wie wenn ich ins Paradies gekommen wäre", sagt Jansons. Er sog in der Musikstadt an Kunst und Kultur auf, was ihm in seiner Heimat nicht geboten war.

Perfektionieren der Kunst

Der junge Mariss Jansons und Herbert von Karajan | Bildquelle: Mariss Jansons Mariss Jansons und Herbert von Karajan | Bildquelle: Mariss Jansons An der Wiener Musikhochschule studierte er bei Hans Swarowsky. Bald holte Herbert von Karajan das junge Talent zu sich und förderte es. Besonders prägend war jedoch Jansons' Lehrer in der Heimat: Jewgenij Mrawinskij, die größte Dirigentenlegende der Sowjetunion.

Als Mrawinskijs Assistent startete Jansons 1971 die Dirigentenkarriere bei den Leningrader - später St. Petersburger - Philharmonikern. Zeitgleich bekam er eine Professur für Dirigieren am Leningrader Konservatorium. 1979 erreichte ihn der Ruf nach Oslo, seiner ersten festen Station im Westen. In den folgenden 21 Jahren baute er das Oslo Philharmonic Orchestra auf und formte es zu einem internationalen Spitzenorchester. 1997 trat er zusätzlich die Nachfolge Lorin Maazels beim Pittsburgh Symphony Orchestra an.

Der lettische Dirigent in Bildern

Väterlicher Chef

Abermals übernahm er Maazels Position, als er 2003 zum Chefdirigenten von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ernannt wurde. Zusätzlich zu dieser Aufgabe leitete er von 2004 bis 2015 das Concertgebouworkest in Amsterdam. Die Sorge der Münchner um ungeteilte Aufmerksamkeit konnte Jansons zerstreuen: Er arbeite 200-prozentig und kümmere sich wie ein Vater, der seine beiden Söhne gleichermaßen liebe. Damit führte er über viele Jahre zwei Spitzenorchester, die nach Kritikermeinung ganz vorn in der Weltliga spielen.

Mariss Jansons arbeitete als Gastdirigent mit vielen bedeutenden Orchestern der Welt zusammen. 2006, 2012 und 2016 dirigierte er das berühmte Wiener Neujahrskonzert. In Japan, wo er regelmäßig auftritt, wird er gerde von jungen Leuten wie ein Popstar gefeiert.

Musik für junge Leute

Junge Menschen an die klassische Musik heranzuführen, dafür setzt sich Jansons mit viel Engagement ein. Damit sind nicht nur die jungen Musiktalente gemeint, die in der Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks auf den Beruf eines Orchestermusikers vorbereitet werden. Vielmehr sollen Kinder und Jugendliche Gelegenheit bekommen, jenseits von Frack und grauen Haaren, die "Musik zunächst fühlen, dann lieben und danach verstehen zu lernen", so Jansons. Mit Sorge nimmt er eine zunehmende materielle Einstellung in unserer Gesellschaft wahr. Diese verhindere eine geistige Entwicklung durch Kunst und Musik, die jedoch einen wesentlichen Teil des Menschseins ausmache, so Jansons.

Ausblick

Nicht nur unter Kennern herrscht die Meinung, Mariss Jansons stünde zusammen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bereits ganz oben. Allein dieses Niveau zu halten, löst natürlich Druck aus. Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, sieht der Dirigent darin, stets das Repertoire zu erweitern. Daher stehen auch immer wieder wenig beachtete Werke zum Beispiel französischer oder osteuropäischer Komponisten sowie Zeitgenössisches auf dem Programm. Besondere Höhepunkte sind auch seine seltenen Operndirigate. Tschaikowskys "Pique Dame" wird Jansons - nach Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" - im Sommer 2018 bei den Salzburger Festspielen dirigieren.

Und was den Chefdirigenten schon seit Jahren umtreibt: ein eigener Konzertsaal, der akustisch deutlich besser gegenüber den anderen Münchner Sälen sein und dem Orchester ein Zuhause bieten soll. Der Lohn für sein hartnäckiges Bemühen lässt nun nicht mehr lange auf sich warten. Planungsbeginn ist 2018.

2015 hat Mariss Jansons seinen Vertrag zum vierten Mal, nun bis zum 31. August 2021, verlängert.

Preise und Anerkennungen

Mariss Jansons ist Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sowie der Royal Academy of Music in London. Für seinen Einsatz beim Oslo Philharmonic Orchestra wurde ihm der Königliche Norwegische Verdienstorden verliehen. 2003 erhielt er die Hans-von-Bülow-Medaille der Berliner Philharmoniker, 2004 ehrte ihn die Londoner Royal Philharmonic Society als "Conductor of the Year", 2006 erklärte ihn die MIDEM zum "Artist of the Year", außerdem bekam er den Orden "Drei Sterne" der Republik Lettland. Im selben Jahr erhielt er für die Symphonie Nr. 13 von Dmitrij Schostakowitsch mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den Grammy in der Kategorie "Beste Orchesterdarbietung". Mit dem ECHO Klassik wurde Mariss Jansons 2007 als "Dirigent des Jahres", 2008 für die Einspielung von Werken von Bartók und Ravel sowie 2010 für die Aufnahme von Bruckners Siebter Symphonie geehrt. 2009 erfolgte die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, 2010 die des Bayerischen Maximiliansordens. Für sein dirigentisches Lebenswerk wurde ihm am 4. Juni 2013 der renommierte Ernst von Siemens Musikpreis verliehen. Am 4. Oktober 2013 überreichte ihm Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin das Bundesverdienstkreuz mit Stern. Im November 2017 erhielt er mit der Goldmedaille der Royal Philharmonic Society eine der höchsten Auszeichnungen der Musikbranche. Mariss Jansons ist der 104. Preisträger seit der Gründung der Medaille im Jahr 1870 anlässlich des 100. Geburtstags von Ludwig van Beethoven.

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