Wie benimmt man sich in Japan bei einer Pressekonferenz? Was wollen die Journalisten unbedingt von Chefdirigent Mariss Jansons wissen? Und wann werden die zurückhaltenden Japaner so richtig emotional? Das alles weiß BR-KLASSIK Reporterin Annekatrin Schnur, die das BR-Symphonieorchester auf seiner Tour durch Asien begleitet.
Wenn man sich als europäischer Journalist bei einer japanischen Pressekonferenz angemessen benehmen möchte, braucht man unbedingt eine Einführung in das Einmaleins der japanischen Umgangsformen. Allein das Überreichen und Entgegennehmen einer Visitenkarte: Besonders wichtig ist es, beide Daumen auf die Karte zu legen, sie so zu drehen, dass der Empfänger sie lesen kann. Es ist unhöflich, die Karte nicht genau anzuschauen, bevor sie in der Tasche verschwindet.
Nur die wichtigsten Zeitungen sind bei der Pressekonferenz mit dem Chefdirigenten, Manager und Vorstand des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks dabei: – Nikkei Inc, Kyodo News, Yomiuri Shimbum, The Asahi Shimbum. Die Tagesauflage dieser Zeitungen geht in die Millionen. Der mitgereiste Kollege von der Passauer Neuen Presse wird ganz neidisch, als er das hört und überlegt, sich ganz spontan zu bewerben und in Japan zu bleiben.
Die japanischen Journalisten zeigen Multitasking-Fähigkeiten: Mitschreiben gehört zum guten Ton, bevorzugt mit Rotstift - dabei mit der freien Hand ein Foto machen und es auch gleich twittern. Sie wissen bestens Bescheid, was in Europa in Sachen Musik vor sich geht. Ihr Lieblings-Thema: Die Vertragsverlängerung von Mariss Jansons beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, nur wenige Tage vor der Entscheidung über den neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Gab es da etwa einen Zusammenhang? Ist das ein klares Bekenntnis von Mariss Jansons zum BR-Orchester? Da kommen die Japaner richtig in Fahrt. Haben sie sich vorher eine Stunde noch in Zurückhaltung geübt, werden sie bei diesem Themen richtig emotional. Aber auch in Japan erzählt der ziemlich gut aufgelegte Mariss Jansons nicht mehr, als wir zu Hause schon wissen.
Während wir in Europa oft auf der Jagd nach den interessanten, spannenden Geschichten sind, bleiben die Japaner den Fakten treu, den großen Namen, den Fragen nach der europäischen Spielkultur. Vermutlich erlaubt es ihr Anstand nicht, in die Privatsphäre anderer zu tief einzudringen. Umso interessanter ist es zu beobachten, wie sie Musik im Konzert erleben. Eigentlich seien sie doch sehr emotional, sagt Mariss Jansons. Mahlers 9. Symphonie in Nagoya und der Suntory Hall rührt sie zu Tränen und lässt sie in Begeisterungsstürme ausbrechen. Wohl kein Publikum der Welt hört so aufmerksam zu, so still. Zu viel Bewegung, Husten, in der Tasche kramen, all das können sie überhaupt nicht leiden. Das regt die sonst so ruhigen Japaner derart auf, dass sie über den Sitz hinweg auch mal handgreiflich werden - das erzählen uns zumindet die japanischen Kollegen.
Annekatrin Schnur berichtet in ihrem Reisetagebuch über die Tournee des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks durch Asien. Das Orchester macht Station in Japan, Südkorea und Taiwan. Aktuelle Beiträge zu den Gastspielen gibt es auch in Magazinsendungen Allegro und Leporello auf BR-KLASSIK.