Festspielzeit 2024
Der Musiksommer mit BR-KLASSIK
Der Pianist Daniil Trifonov spielt bei "Klassik am Odeonsplatz" Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1. Im BR-KLASSIK-Interview verrät er, warum er dieses Werk trotz aller typisch russischer Details für sehr eigenständig hält - und warum er es so gern mag.
BR-KLASSIK: Sie sind gerade erst angekommen. Gerade eine Stunde haben Sie geschlafen. Ist das normal für einen Pianisten?
Daniil Trifonov: Ja, ich habe nur eine Stunde geschlafen. Vor allem am Tag eines Konzerts ist es eigentlich sehr wichtig, dass man ausgeschlafen ist. Manchmal ist das wirklich eine Herausforderung, aber nach einer Zeit lernt man auch damit umzugehen.
BR-KLASSIK: Das heißt, Sie sind daran gewöhnt?
Daniil Trifonov: Ja, vor allem nach diesen ganzen Wettbewerben, also dem Chopin-Wettbewerb, dem Rubinstein-Wettbewerb und dem Tschaikowsky-Wettbewerb und nachdem dann die ganzen Konzerte kamen, musste ich mich wirklich an den neuen Zeitplan gewöhnen.
BR-KLASSIK: Hier in München spielen Sie das Erste Klavierkonzert von Peter Tschaikowsky, eines der berühmtesten Klavierkonzerte überhaupt. Was macht dieses Konzert aus, was ist sein Geheimnis?
Daniil Trifonov: In dem Stück gibt es so viele dramaturgische Gegenüberstellungen und Kontraste und dramatische Wechsel. Es fühlt sich einfach sehr dramatisch an. Und natürlich bedeutet es mir persönlich viel, denn mit dem Stück habe ich damals den Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen.
BR-KLASSIK: An welcher Stelle rangiert das b-Moll-Konzert in ihrem privaten Ranking der Klavierkonzerte?
Daniil Trifonov: Für mich ist jedes Konzert eine Nummer eins, wenn es auf der Bühne gespielt wird. Aber gerade so ein Stück kann auch eine echte Herausforderung sein: Man kennt es so gut, es wird oft gespielt von so vielen tollen Künstlern. Es ist sehr schwer, da noch etwas Neues in der Musik zu finden. Da braucht es schon Extra-Arbeit, um sich in so ein Stück einzufinden und einen persönlichen Zugang zu finden.
BR-KLASSIK: Wir Deutsche empfinden dieses Konzert ja als typisch russische Musik. Sie als Russe können vielleicht beurteilen: Ist das ein Klischee oder trifft das Konzert wirklich die russische Seele?
Daniil Trifonov: Natürlich, die musikalischen Sprache und die Atmosphäre des Stücks ist stark beeinflusst von der russischen Kultur. Aber nicht ausschließlich. In der Mitte des zweiten Satzes zum Beispiel gibt es eine ganz bekannte französische Melodie. Also es ist einfach Tschaikowskys Genie, das da am Werk ist! Er ist natürlich beeinflusst von der Kultur, die ihn umgibt, aber es zeigt ihn schon auch als eigenständigen Komponisten.
BR-KLASSIK: Sie haben das Werk schon öfter mit Valery Gergiev gespielt. Wieviel Verständigung ist denn im Vorfeld nötig, wenn Sie sich auf so ein Konzert mit ihm vorbereiten?
Daniil Trifonov: Naja, jede Vorstellung ist anders und jede bringt auch einen eigenen Grad an Spontanität mit sich. Natürlich werden einige Dinge vorher besprochen, aber die Sprache der Musik ist eben sehr natürlich und erlaubt eine gewisse Flexibilität von einer zur nächsten Aufführung. Das ist ganz wunderbar, und deshalb macht es mir auch so großen Spaß, diese Musik zu spielen.
BR-KLASSIK: Ich erinnere mich an Ihren Klavierabend 2013 im Herkulessaal hier in München mit Chopin und Schumann. Da gab es eine Atmosphäre, in der sich das Publikum kaum noch traute zu atmen. So eine Konzentration und Stille wird bei einem Open-Air wie am Samstag wohl nicht möglich sein. Wie gehen Sie denn mit diesen erschwerten akustischen Bedingungen um?
Daniil Trifonov: Naja, an sich ist Akustik fast immer unterschiedlich - nicht nur in Konzertsälen, sondern auch draußen. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wie das Instrument vorbereitet worden ist und von meiner Haltung am Klavier, wie ich das Gewicht meines Körpers nutze. Und natürlich ist es sehr wichtig, dass man nicht nur sich selber gut hört, sondern vor allem die anderen Musiker. Da muss man die richtige Balance finden.
BR-KLASSIK: Es gibt von Ihnen vor allem Live-Aufnahmen. Was halten Sie überhaupt von CD-Produktionen im Studio?
Daniil Trifonov: Das ist wirklich interessant, denn im Studio zu sein ist einfach was ganz anderes. Man hat die Chance, nochmal ganz andere Dinge zu erleben und zu entdecken als bei einem Live-Konzert. Während der Aufnahme meiner letzten CD gab es zum Beispiel etwas Besonderes: An einem Tag war ein kleines Publikum im Studio zu Gast. Das war sofort eine andere Atmosphäre und hat bei mir emotional sehr viel ausgelöst.
BR-KLASSIK: Das war also eine gute Art, im Studio zu produzieren?
Daniil Trifonov: Ja, das hab ich vorher noch nie gemacht – eine sehr interessante Erfahrung.
Das Gespräch führte Falk Häfner für BR-KLASSIK.