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Interview mit Elīna Garanča "Es ist Zeit für neue Rollen"

Eine blonde Carmen, die immer wieder in Hosenrollen schlüpft: das ist Elīna Garanča - bis jetzt. Denn künftig will sich die Mezzosopranistin anderen Rollen widmen. Wohin die Reise stimmlich geht und warum für sie Verdi vor Wagner kommt, das verrät Elīna Garanča BR-KLASSIK im Interview.

Bildquelle: © Oliver Mark für Gluck

Interview mit Elina Garanca

"Es ist Zeit für neue Rollen"

BR-KLASSIK: Elīna Garanča, Sie eröffnen am kommenden Samstag die Internationalen Gluck Opern-Festspiele in Nürnberg zusammen mit Ihrem Mann Karel Mark Chichon. Das Programm steht unter dem Motto "Die Macht der Musik". Was macht die für Sie ganz persönlich aus und was macht sie mit den Menschen?

Elīna Garanča: Die "Macht der Musik" ist das , womit man sich als Sänger am besten präsentieren kann. Ich kann mit meiner Stimme die Noten, die musikalischen Phrasen, die Dramatik so bedienen, dass es wirklich überzeugend 'rüberkommt.

BR-KLASSIK: Auf dem Programm in Nürnberg steht Musik von Bizet, Saint-Saëns, Gounod und Tschaikowsky – kein Gluck! Wie sind Sie bei der Zusammenstellung des Konzertprogramms für die Gluck Opernfestspiele im Detail vorgegangen?

Elīna Garanča: Ich glaube, für das Publikum ist es auch einfach ein Reiz, wenn man überlegt, dass ich als aus dem Norden kommende Blonde die Carmen singe und in dieses Temperamentvolle einsteige …

BR-KLASSIK: … und vor allem müssen Sie dieses Mal keine schwarze Perücke tragen…

Als blonde Carmen gegen Klischees

Elīna Garanča: … ja, eben. Aber da erzähle ich oft, dass man tatsächlich in Spanien so viele Zigeuner hat, die auch blond sind. Man sollte einfach wahrhaben, dass bulgarische oder rumänische Zigeuner ganz anders sind als vom Balkan oder spanische. Auch das Leben, das sie führen, ist anders. Aber in Lettland, das muss ich ganz ehrlich sagen, hat man durch die sowjetische Vergangenheit und die Einflüsse aus dem Balkan immer noch ein falsches Bild davon, wer diese Carmen eigentlich ist. In meinen Programmen versuche ich sehr erfolgreich, dieses Klischee zu brechen.

BR-KLASSIK: Sie werden auch unter anderem eine Arie mit nach Nürnberg bringen aus einem fast vergessenen Werk von Gounod, und zwar aus der Oper "La Reine de Saba". Man kennt die "Ankunft der Königin von Saba" aus Händels Oratorium "Solomon", aber Gounods Werk eher nicht. Seine "Königin von Saba" verlangt nach einem bestimmten Stimmtyp, der sogenannten Chanteuse Falcon, benannt nach der berühmten Sopranistin. Was braucht eine solche Stimme?

Elīna Garanča: Der Gounod hat Parallelen mit Gluck, weil bei Gluck - gerade bei der "Iphigénie" - auch diese Falcon-Stimme notwendig ist. Ich glaube, das hat auch etwas mit der tieferen Stimmung zu tun.

BR-KLASSIK: Es braucht also eine sehr fundierte, erdige Mittellage. Kann man das so sagen?

Ein Mezzo braucht zu gewissen Partien einen lyrischen Zugang.
Elīna Garanča

Elīna Garanča: Ja, aber eben eine lyrische. Ich finde gerade bei dieser Musik: Man darf nicht diese großen Töne 'reinbringen, dieses Dramatische, das wir als dramatische Mezzosopranstimmen eigentlich kennen. Ein Mezzo braucht einen lyrischen Zugang zu gewissen Partien und meine Stimme war für dieses Falcon von Beginn meiner Karriere an sehr gut geeignet. Nachdem ich Mutter geworden bin, hat sie sich auch verändert. Und jetzt habe ich das Bedürfnis, in die Dramatik des Verismo einzusteigen, aber eben auf eine lyrischere Art.

Vor Wagner kommt Verdi

BR-KLASSIK: Sie haben schon angesprochen, dass sich Ihre Stimme wie jede Stimme im Laufe der Jahre verändert und damit natürlich auch ein anderes Repertoire möglich macht. Ich habe in einem Interview gelesen, dass Sie gesagt haben: "Jetzt reicht's mal mit Mozart und es ist jetzt auch genug, ewig als Octavian in Strauss' 'Rosenkavalier' den Röcken hinterherzulaufen. Schöne Rollen, aber jetzt ist es Zeit für etwas anderes." Welche neuen Partien sind denn an Ihrem Horizont sichtbar?

Elīna Garanča: Manche sind schon in greifbarer Nähe: Als nächstes wird es in München eine Neuproduktion von Donizettis "La Favorite" geben, Ende Oktober fangen wir mit den Vorstellungen an. Ein großer Schritt ist für mich die Santuzza aus der "Cavalleria rusticana" von Pietro Mascagni, die wird im Dezember in der Opéra Bastille in Paris stattfinden. Dann mein "Schwanengesang" als Octavian im April an der New Yorker Met - mein großer Abschied von der Rolle, der am 13. Mai weltweit auch in den Kinos übertragen wird. Im darauf folgenden Jahr werde ich mich an meine erste Eboli in Verdis "Don Carlos" trauen. Das wird in der Pariser Oper sein. Und noch ein Jahr später kommt zum ersten Mal die Titelrolle in "Samson und Dalila" von Saint-Saëns hinzu. Das sind meine neuen Aufgaben, auf die ich mich sehr freue. Ich habe unglaublich viel von Mozart gelernt und ich bin ihm wahnsinnig dankbar für die Karriere, die ich auf seinen Rollen aufbauen konnte, angefangen in Salzburg. Aber es ist für mich Zeit, sich weiter zu entwickeln, und ich bin in der glücklichen Situation, dass meine Stimme ihr Potenzial dafür gezeigt hat.

Ich will mich davor schützen, die nächsten fünf Jahre die gleiche Partien zu singen.
Elīna Garanča

BR-KLASSIK: Ist mit einer Ortrud oder Kundry zu rechnen?

Elīna Garanča: Die Kundry steht wirklich immer wieder auf meiner Liste, ich habe sie schon mehrmals angeboten bekommen. Ich habe sie aber noch zurückgelegt, weil es auch eine strategische Entscheidung ist: einmal Kundry, immer Kundry. Das gleiche passierte mir mit der Carmen. Als ich das erste Mal die Carmen gesungen habe, bekam ich drei Jahre lang nur Angebote für Carmen und irgendwann ist es auch langweilig. Und so ist es auch mit der Santuzza. Seitdem bekannt ist, dass ich sie singen werde, habe ich fast nur Angebote für diese Partie. Ich will mich einfach davor schützen, dass ich die nächsten fünf Jahre nur diese Partien wirklich drauf habe. Was mache ich dann in den folgenden 10 bis 15 Jahren? Gottlob habe ich hoffentlich noch 15 Jahre vor mir. Aber danach, wenn du schon angefangen hast, Wagner zu singen, kannst du nicht mehr zum leichten oder romantisch-dramatischen Repertoire zurückkehren. Weil das für mich noch neu ist, will ich eben zuerst Verdi singen und was darum herum ist. Und dann kommt der Wagner. Aber er kommt!

BR-KLASSIK: Also Verdi ist die ausgestreckte, aber schon sehr nahe Hand und Wagner dann der ausgestreckte Arm?

Elīna Garanča: Wagner sehe ich, aber es ist noch eine gewisse vorsichtige Distanz da.

Das Interview führte für BR-KLASSIK Ursula Adamski-Störmer.

Elīna Garanča eröffnet die Internationalen Gluck Opern-Festspiele

Samstag, 16. Juli 2016, 20 Uhr
Meistersingerhalle, Nürnberg

Alle Informationen finden Sie hier.

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