Was bedeutet es eigentlich zu glauben? Kann man die Liebe zwischen Mann und Frau mit der Liebe zu Gott vergleichen? Mit diesen Fragen hat sich die Mezzosopranistin Elīna Garanča als Vorbereitung auf ihre Rolle in Donizettis "La Favorite" beschäftigt - und sich darüber auch mit Mönchen unterhalten.
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Für den Belcanto ist für mich Roberto Abbado der Beste.
BR-KLASSIK: Elīna Garanča, Sie haben die Partie der Léonor 2014 in Salzburg konzertant gegeben - an der Seite von Juan Diego Flórez - dirigiert hat Roberto Abbado. War es Ihre erste Begegnung mit der Oper "La Favorite"? Und haben Sie sich damit für München sozusagen warmgesungen?
Elīna Garanča: Ja, das könnte man so sagen. Die Arie "O mio Fernando" kannte ich schon seit einigen Jahren - das ist ein Paradestück für Konzerte oder auch für Wettbewerbe. Auch das Duett mit Alfonso war mir bekannt. Aber der Rest war für mich neu. Ich finde es sehr wichtig, dass man eine Partie zum ersten Mal mit dem richtigen Dirigenten erarbeitet. Für den Belcanto ist für mich Roberto Abbado der Beste, und ich behalte dieses Debüt in sehr schöner Erinnerung.
BR-KLASSIK: Jetzt dirigiert aber hier in München Ihr Mann, Karel Mark Chichon. Wenn Sie sagen, Roberto Abbado wäre der Beste - wie arbeitet es sich mit Ihrem Mann?
Elīna Garanča: Das kann man nicht vergleichen. Mein Mann kennt mich natürlich so gut wie kein anderer. Wir haben schon so viele Konzerte und Aufnahmen zusammen gemacht, wir können uns blind vertrauen. Wenn ich mit einem anderen Dirigenten arbeite, müssen wir uns bei vielen Sachen absprechen - mit meinem Mann geht es wirklich blind. Natürlich müssen auch wir gewisse Dinge zwischen Bühne und Orchestergraben koordinieren: dass man zusammen im Takt ist, oder dass man im richtigen Tempo anfängt und aufhört, aber er kennt meine Stimme so gut, da muss ich mir gar keine Gedanken mehr machen.
BR-KLASSIK: Was macht Ihr Mann anders als Roberto Abbado?
Elīna Garanča: Ich glaube, jeder Dirigent interpretiert die Partitur etwas anders: vielleicht durch die Tempi, durch einen bestimmten Phrasenaufbau oder durch den Unterschied bei Akzenten. Grundsätzlich schaue ich allerdings in den Vorstellungen nicht auf den Dirigenten. Mir geht es wirklich nur darum, dass das Orchester den richtigen Klangteppich für mich produziert, damit meine Stimme darauf fliegen kann - wie Aladdin.
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BR-KLASSIK: Es geht in "La Favorite" um Léonor, eine Mätresse des spanischen Königs. Sie haben mal erwähnt, dass Sie sich z. B. bei der Vorbereitung auf Hosenrollen viel umgeschaut haben: Wie bewegen sich Männer, was haben sie für einen Habitus? Wie haben Sie sich denn auf die Rolle der Léonor vorbereitet?
Elīna Garanča: Ich habe vor allem mit Mönchen gesprochen, um zu verstehen, wie sie Zuneigung und Liebe empfinden und ob man Parallelen zwischen der Liebe zwischen Mann und Frau und der Liebe zu Gott ziehen kann. Ich habe selbst ein Festival, das in einem österreichischen Kloster stattfindet. Wenn ich dort singe, treffe ich mich auch mit den Mönchen, einige kenne ich auch privat sehr gut. Mit ihnen spreche ich darüber, wie sie die Welt sehen, was der Glaube für sie bedeutet, wie tief man darin versinken kann. Auch die Rolle der Frau in der katholischen Kirche - für mich schwer nachvollziehbar - hat mich beschäftigt. Zusammen mit der Regisseurin Amélie Niermeyer haben wir diskutiert, ob der Glaube für Léonor in ihrer Situation überhaupt möglich ist.
Ich bin eher spirituell als religiös.
BR-KLASSIK: Sind Sie Mitglied der katholischen Kirche?
Elīna Garanča: Ja, mein Mann und ich sind in der Kirche, haben kirchlich geheiratet, ich und auch meine Kinder sind getauft. Mein Mann und ich möchten aber, dass unsere Kinder später selbst entscheiden, ob sie das weiterführen wollen oder nicht. Ich finde gewisse religiöse Prinzipien im Alltag gut, aber grundsätzlich würde ich sagen, dass ich eher spirituell als religiös bin. Wenn man sich die moderne Welt genau anschaut, sieht man genug Beispiele dafür, dass blindes Vertrauen in eine Religion in eine Sackgasse führt. Auch in der Geschichte der Menschheit wurde die Religion oft ausgenutzt: Ein glaubendes Volk ist natürlich leichter zu führen, die Leute wollen das, was zwei Schritte links oder rechts von ihnen passiert, nicht mehr sehen. Für mich jedenfalls - als Frau, die arbeitet und zwei Mädchen erzieht - stellen sich einfach zu viele Fragen, auf die mir eine Religion keine Antworten geben kann.
BR-KLASSIK: Hat Amelie Niermeyer mit ihrer Inszenierung Ihnen mögliche Antworten angeboten?
Elīna Garanča: Schon. Das Schöne an einer Neuproduktion ist, dass alles erlaubt ist. Man kann alles so interpretieren, wie man es sich wünscht. Wir haben sehr viel diskutiert, es gab auch einiges, was ich nicht nachvollziehen konnte - das haben wir dann versucht, für mich verständlich umzusetzten. Frauen denken nun mal anders als Männer, und vor Vier- oder Fünfhundert Jahren reagierte man auch anders als heute, weil die Leute nicht unsere Freiheit und den Zugang zu den Informationen hatten. Die Rolle des Menschen als solches war einfach anders.
BR-KLASSIK: Ihr Mann Karel Mark Chichon dirigiert die Premiere, Ihre zwei kleinen Töchter sind auch dabei - wie managen Sie das ganze Familienleben während der Probenarbeit?
Elīna Garanča: Gott sei Dank haben wir unsere Oma, die uns sehr viel hilft. Dann haben wir natürlich ein Team von Nannies, eine davon reist mit und die andere ist zu Hause. Die Kinder waren teilweise bei uns und teilweise zu Hause, sie gehen ja in den Kindergarten. Mein Mann und ich haben auch festgestellt, dass es ab und zu ganz gut tut, ein bisschen Distanz zu gewinnen. Wir haben immer gesagt: nur Eltern zu sein wäre uns zu wenig, und nur Musiker zu sein wäre uns auch zu wenig. Wir versuchen, beide Seiten glücklich zu machen: Meinen Kindern sage ich oft, dass ich sie sehr vermisse, aber ich liebe eben auch das Singen - und ich will eine glückliche Mutter sein.
Nach und nach kommen große Partien auf mich zu - und ich freue mich drauf!
BR-KLASSIK: Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt im Moment?
Elīna Garanča: Wir haben zwei Zuhause, wo unsere Taschen, Kleider, Klavierauszüge usw. gelagert sind: Südspanien und Lettland. Ich habe allerdings gerade festgestellt, dass ich bis zum nächsten Juni insgesamt nur vier Wochen zu Hause bin. Ich glaube, irgendwann werde ich es satt sein, aus dem Koffer zu leben. Je älter ich werde, desto dramatischer wird mein Repertoire, desto mehr Zeit brauche ich, um mich auf die Rollen vorzubereiten und mich danach zu erholen. Ich denke, mit der Zeit werden wir immer kürzer treten. Irgendwann reicht es - ich bin ja jetzt schon fast 20 Jahre auf der Bühne.
BR-KLASSIK: Sie haben es ja schon gesagt: Die dramatischen Rollen interessieren Sie immer mehr. Verdi und Wagner könnten also Perspektiven sein?
Elīna Garanča: Ja, sie sind schon ganz realistisch. Nach "La Favorite" in München fahre ich nach Paris - dort singe ich zum ersten Mal Santuzza in "Cavalleria ruisticana". Nächstes Jahr kommt dann meine erste Eboli in Verdis "Don Carlos", in eineinhalb Jahren steht erstmals Dalila in "Samson et Dalila" auf meinem Plan, für die Spielzeit 2019/20 ist meine erste Amneris in "Aida" angesetzt. Und finde es auch richtig so. Ich bin vor kurzem 40 geworden, die nächsten zehn Jahre sollten die goldene Repertoire-Zeit werden. Nach und nach kommen diese große Partien auf mich zu - und ich freue mich drauf!
Das Gespräch führte Dorothea Hußlein für BR-KLASSIK.