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Die Sopranistin Ileana Cotrubaș wird 85 Jahre alt Charakterstark und charismatisch

Die Rumänin Ileana Cotrubaș ist beides: eine der berühmtesten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts und eine der streitbarsten Künstlerinnen in der Opernbranche. Ihre künstlerische Unabhängigkeit hat sie stets verteidigt – auch die Entscheidung, sich mit gerade einmal 51 Jahren von der Bühne zurückzuziehen. Am 9. Juni 2024 wird die große Sängerin 85 Jahre alt.

Bildquelle: picture-alliance/United Archives

Das Porträt zum Anhören

Mozart – der Kern der Dinge

Wolfgang Amadeus Mozart ist ihr Lieblingskomponist: "Mozart ist nicht nur für mich, sondern ich glaube, für uns alle das universale Genie.", sagt Ileana Cotrubaș. "Ich habe in meinem Leben sehr oft die 'Zauberflöte' gesungen und kann Ihnen ehrlich sagen, ich kann trotzdem nie genug davon bekommen. Bei Mozart finde ich jedes Mal aufs Neue so viele schöne Sachen!" Partien wie die Susanna aus dem "Figaro", die Ilia aus "Idomeneo" und eben die Pamina aus der "Zauberflöte" bilden den Kern ihres schmalen Repertoires.

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Pamina und Papageno (Die Zauberflöte) -  La Flauta Mágica | Bildquelle: Juan Carlos Arancibia (via YouTube)

Pamina und Papageno (Die Zauberflöte) - La Flauta Mágica

Eine kluge Sängerin schont ihre Stimme

Auch wenn Ileana Cotrubaș weit weniger Opernrollen verkörpert hat als die meisten ihrer Kolleginnen, und mit ungefähr 35 Auftritten pro Saison einen Vorstellungs-Minus-Rekord unter den Top-Stars aufgestellt haben dürfte: Eine der wichtigsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts ist die Rumänin trotzdem. Oder gerade deswegen? "Die Stimme ist ein sehr delikates Instrument", erklärt die Sängerin. "Ich persönlich zum Beispiel werde sehr schnell müde während einer Aufnahme. Ich präpariere mich für den ersten Take, aber dann klappt es vielleicht nicht mit dem Orchester, oder der Tenor war nicht im Rhythmus, oder der Bariton. Dann müssen wir zwei-, dreimal 'ran und meine Stimme wird da sehr schnell müde." In der Arie der Susanna aus Mozarts "Figaro" wird sie punktgenau unterstützt von Frederica von Stade als Cherubino und Kiri Te Kanawa als Rosina:

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Cotrubas, Te Kanawa and von Stade in Marriage of Figaro

Debüt mit Debussy

Ileana Cotrubaș wird 1939 in Galati an der rumänischen Schwarzmeerküste geboren. Die Familie ist musikalisch und so singt die Kleine bereits mit neun Jahren im Kinderchor des Bukarester Rundfunks und darf auf die Bühne der Oper. Nach Musikschule und Studium - neben Gesang auch Klavier, Geige, Akkordeon und Chordirigieren - geht alles Schlag auf Schlag. Das Debüt 1966 an der Bukarester Oper als Yniold in Debussys "Pelléas et Melissande", im selben Jahr der erste Preis beim ARD-Musikwettbewerb in München, der sie im Westen bekannt macht.

Riesenerfolg als Mimì

Christoph von Dohnányi holt die zierliche Rumänin mit dem perlend-leichten Sopran und dem umwerfenden Charisma an die Oper Frankfurt. Von dort geht sie nach Wien, erarbeitet sich vor allem Mozart und Strauss-Partien. 1975 wird eins ihrer besten Jahre: mit dem Debüt an der Mailänder Scala, als Mimì in Puccinis "La Bohème", in letzter Sekunde eingesprungen für Mirella Freni. Der Italienerin steht sie an Innigkeit, Zartheit und stimmlicher Noblesse in nichts nach. Hier singt Ileana Cotrubaș die Mimì am Royal Opera House Covent Garden:

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Ileana Cotrubas - "Si. Mi chiamano Mimi"  from La Boheme | Bildquelle: WarnerClassicsJazz (via YouTube)

Ileana Cotrubas - "Si. Mi chiamano Mimi" from La Boheme

Phänomenale "Traviata" mit Carlos Kleiber

Im Jahr darauf ist sie als Violetta in Verdis "La Traviata" an der Bayerischen Staatsoper zu Gast, mit Plácido Domingo als Partner und mit dem legendären Carlos Kleiber im Orchestergraben. Es werden Momente ihres größten Triumphs, und Momente größter künstlerischer Befriedigung: "Mit Kleiber zu arbeiten, da geht es nicht darum, dass er sagt: Schau, du musst hier piano singen oder forte", begeistert sich Cotrubaș. "Die Zusammenarbeit mit Kleiber ist so komplex, so immens – und auch, wie er mit einem Orchester arbeitet, ist unglaublich. Mit Kleiber kann ich meine Seele zerreißen, ich kann mich kaputt machen, mit ihm kann ich an meine Grenzen gehen. Um mit Kleiber noch einmal arbeiten zu können, dafür würde ich alles tun." Wer diesen Ausschnitt aus Ileana Cotrubaș' Einspielung der "Traviata" mit Carols Kleiber hört, der versteht, warum.

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Ileana Cotrubas, La Traviata

Um mit Kleiber noch einmal arbeiten zu können, dafür würde ich alles tun.
Ileana Cotrubaș

Markantes Karriereende

Die Karriere von Ileana Cotrubaș dauert gerade einmal 24 Jahre. Mit 51 verabschiedet sich die Sopranistin, deren Gesundheit nie grenzenlos war, ohne erkennbaren Stimmverschleiß genauso markant und diszipliniert von der Opernbühne, wie sie ihr vorher gedient hatte. Und hinterlässt einen Opernbetrieb, der ihr höchst suspekt war und den sie in ihrer aktiven Zeit immer wieder lautstark kritisiert hat. Entscheidend sei nicht die Berühmtheit, sondern die Frage, wieweit man bereit sei, seine eigenen Vorstellungen zu verteidigen, lautet ihr Credo, das ihr unter Regisseuren und Intendanten nicht nur Freunde eingebracht hat. Wenn eine Inszenierung sie nicht überzeugte, stieg die Cotrubaș auch aus laufenden Produktionen aus: 1973 in Wien im "Eugen Onegin", 1980 an der Met im "Don Pasquale". 1987 tritt sie in Zürich nach einer Gala-Vorstellung der "Traviata" vor das Publikum, entschuldigt sich für das Mitwirken in einer ihrer Ansicht nach indiskutablen Produktion. "Ängstlich war sie nie, sondern immer ehrlich.“, bringt es der österreichische Musikkritiker Karl Löbl auf den Punkt. Erleben wir Ileana Cotrubas abschließend noch einmal mit Musik ihres Lieblingskomponisten Mozart: Sie singt die Partie der Prinzessin Ilia in der Oper "Idomeneo".

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Idomeneo Ilia's Aria Zeffiretti lusinghieri Undertitled

Sendung: "Con passione" am 10. Juni ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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