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Jacques Offenbach

Der Orpheus vom Rhein

Barrie Kosky im Gespräch "Die Offenbach-Operette war voller Erotik"

Er wurde der "Mozart der Champs-Élysées" genannt: Jacques Offenbach, Vater der Operette. Ihm ist ab 11. Februar ein Festival an der Komischen Oper Berlin gewidmet, wo es neben populären Werken auch Unbekanntes zu entdecken gibt. BR-KLASSIK hat mit dem Intendanten und Regisseur Barrie Kosky über die Radikalität von Offenbachs Musik und die Notwendigkeit von Creme und Essig bei einer Operetteninszenierung gesprochen.

Barrie Kosky | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

BARRIE KOSKY, INTENDANT DER KOMISCHEN OPER BERLIN


BR-KLASSIK: Herr Kosky, würden Sie sagen, dass die Operetten Jaques Offenbachs hierzulande unterschätzt sind?

Barrie Kosky: Ich glaube nicht, dass sie unterschätzt werden. Viele Musiker, Sänger und Zuschauer lieben diese Stücke. Aber die Radikalität und die geniale Musik werden unterschätzt. Viele Menschen denken, dass er schöne Melodien geschrieben hat. Doch vom Blickwinkel der Deutschen aus gesehen, ist er ein Operettenkomponist, was bedeutet, dass er immer unter diesem Titel leiden wird. Aber man vergisst eben immer wieder, wie radikal Offenbach war. Richard Wagner hat ihn den "Mozart der Champs Elysées“ genannt. Er hat auch ein unglaubliches theatralisches Gespür. In seinen letzten beiden großen Stücken "Fantasio“ und "Hoffmanns Erzählungen“ sieht man, dass das ein Mann war, der lange gelebt und etwas Unglaubliches gemacht hat im Opernbereich.

BR-KLASSIK: Fehlt uns heute vielleicht manchmal Witz und Verständnis für diese Musik, oder ist die Art der Operette für uns heutzutage schon relativ weit weg?

Es braucht immer eine Abwechslung zwischen Creme und Essig.

Barrie Kosky: Ja und nein. Ich vergleiche es seit Jahren mit der Barockmusik. In den letzten 30 Jahren hat man diese revolutionären Veränderungen in der barocken Aufführungspraxis gesehen. Nikolaus Harnoncourt, René Jacobs, Mark Minkowski oder das Ensemble Les Arts Florissants - alle diese wunderbaren Dirigenten und Ensembles haben es verstanden, dass es Sänger und Musiker sowie auch stilistische Entscheidungen braucht, um diese Musik zu unterstützen. Heute kann man Barockmusik nicht mehr so spielen wie im 19. Jahrhundert oder in den 1950er und 1960er Jahren. Operette ist auch ein bedeutendes Genre: Es braucht Musiker, Dirigenten und Sänger, aber auch Regisseure, die was vom Fach verstehen. Es ist sehr schwer, eine Operette auf die Bühne zu bringen. Und die französische Operette ist noch schwerer. Es braucht immer eine Abwechslung zwischen Creme und Essig. Man kann jedoch nicht die Creme und den Essig gleichzeitig machen, sonst geht alles kaputt.

BR-KLASSIK: Zuviel Creme wäre ja kitschig, wobei es das in der Operette durchaus gibt. Und Essig ist auch das Satirische, das Böse. Es braucht schon ein ziemlich genaues Händchen, das alles zusammen zu bekommen.

Die Offenbach-Operette war bekannt dafür, semipornografisch zu sein.

Barrie Kosky: Wenn ich Offenbach inszeniere, sage ich immer zu den Künstlern: Erinnern wir daran, wie diese Stücke zu Offenbachs Zeit gesehen wurden. Wir wissen, dass diese Aufführungen in einem kleinen, wunderbaren Operettentheater in Paris stattgefunden haben. Da gab es 600 bis 700 Plätze. Am Anfang gab es Kerzen-, später Gaslicht. Das war auch ein Theater, wo es erotische Dinge auf der Bühne zu sehen gab, weswegen die Menschen auch dorthin gingen. Die Offenbach-Operette war bekannt dafür, semipornografisch zu sein. Die Tänzerinnen hatten alle durchsichtige Kostüme an. Auch Hortense Schneider (eine berühmte französische Operettendiva – Anmerkung der Redaktion) - man nennt sie auch die "Bette Midler des 19. Jahrhunderts in Frankreich“ -  hat improvisiert und war sehr erotisch auf der Bühne und sehr frech. Diese Mischung aus Musik, Operette und Kabarett, Vaudeville (Frühform des franz. Schlagers, Anmerkung) und Erotik, das war eine ganz andere Atmosphäre. Wir müssen insgesamt aufpassen, dass wir diese Stücke mit keiner allzu großen Ernsthaftigkeit präsentieren und nicht mit Kitsch. Denn das kann sehr harmlos auf der Bühne wirken. Ich denke, alles hängt davon ab, wie man mit der Musik umgeht, wie man diese Stücke dirigiert, wie man diese Musik singt.

BR-KLASSIK: An der komischen Oper sind nun zwei unbekanntere Stücke von Offenbach zu sehen, "Fantasio“ und "Salon Pitzelberger“. Was für einen Jaques Offenbach lernen wir bei Ihnen nun kennen?

Barrie Kosky: "Salon Pitzelberger“ ist eine schräge Geschichte, es ist als ein "Late Night-Entertainment“ gedacht. "Fantasio“ ist etwas ganz anderes. Dieses Werk ist wichtig. Die Menschen kennen all diese wunderbaren Operetten wie "Orpheus in der Unterwelt“, "La belle Helene“ und die später geschriebenen "Hoffmanns Erzählungen“. "Fantasio“ aber ist eine Art Zwischenstück. Man hört in dem Stück, dass Offenbach aus seinem bisherigen Operettenstil etwas komplett anderes gemacht. Ohne "Fantasio“ gäbe es keine "Hoffmanns Erzählungen“.

Das Interview für BR-KLASSIK führte Elgin Heuerding.

Offenbach-Festival in Berlin

Donnerstag, 10. Februar 2016 bis Mittwoch, 17. Februar 2016

Komische Oper Berlin

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