Es gibt Sängerinnen, bei denen man nicht weiß, was man mehr bewundern soll: die Vollendung, mit der sie ihre Stimme führen, oder die Perfektion, mit der sie den jeweiligen Gesangstext ausleuchten – egal ob in der Oper, im Oratorium oder im Kunstlied. Dame Janet Baker ist als verdienstvolle Interpretin in Erinnerung, die an ihrem Metier jederzeit ernsthaft interessiert war: eine der bedeutendsten klassischen Musikerinnen, die England im 20.Jahrhundert hervorgebracht hat. Heute wird die begnadete Mezzosopranistin 85 Jahre alt.
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Janet Baker zum 85. Geburtstag
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Verleiht eine Sängerin einer Opernfigur stille Größe, mag das paradox klingen! Bei Janet Baker ist die Formulierung sinnvoll. Einer Frau wie der Karthagerkönigin Dido steht Klarheit, steht Würde enorm gut – die Vortragshaltung der 1933 geborenen britischen Mezzosopranistin wusste in Henry Purcells Oper "Dido and Aeneas" eine Aura des erhobenen Hauptes zu suggerieren. So sehr sie sich als Mensch auch in Disziplinen wie Zurückhaltung und Kontrolle geübt haben mag. Janet Baker konnte abgrundtiefe Traurigkeit ausstrahlen – was von Interpreten zum Beispiel die Musik Gustav Mahlers fordert, dessen "Rückert-Lieder" sie mustergültig interpretiert hat.
Janet Baker | Bildquelle: picture-alliance / akg-images / Marion Kalter Opern- und Konzertrepertoire sauber voneinander zu trennen, hielt Janet Baker stets für eine vernünftige, weil stimmschonende Strategie. In Ruhe wechselte sie vom einen zum anderen, ohne Eile. Überhaupt verweigerte sie sich der hektischen Betriebsamkeit, dem Geschwindigkeitsrausch vieler Sänger, die zwischen den Erdteilen hin und her pendeln, um rasant interkontinental Karriere zu machen. Janet Baker setzte bei Opernengagements auf ihre britische Heimat: London, Glyndebourne, Edinburgh, Glasgow. Bei Konzertauftritten akzeptierte sie Wirkungsstätten zwischen Wien, Paris und New York, weil die Probenzeiten vor Ort für solches Repertoire wesentlich kürzer sind. Im Aufnahmestudio fühlte sie sich grundsätzlich wohl, was die Vielzahl ihrer Tondokumente unterstreicht. Hier konnte sie konzentriert ihren auf Präzision und Subtilität geeichten Gesangsstil entfalten.
Es spricht für die Intelligenz der Britin, dass sie sich im französischen Fach genauso hervorgetan hat wie im deutschen, bei Berlioz ebenso wie bei Bach. Auch ihre italienisch gesungenen Platten mit Opernrollen von Gluck oder Mozart haben interpretatorisch bleibenden Wert. Eine besondere Nähe empfand Janet Baker zu ihrem Landsmann Benjamin Britten: Der widmete ihr seine szenische Kantate "Phaedra"! Zweifellos war Britten bewusst, dass er in dieser Widmungsträgerin eine hochseriöse Anwältin künstlerischer Schönheit gefunden hatte.
Sendung: "Allegro" am 21. August 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK