Nach 85 Jahren steht "La fanciulla del West" zum ersten Mal wieder an der Bayerischen Staatsoper auf dem Spielplan. Da fragt man sich natürlich: Warum ist dieses Spätwerk von Puccini so selten zu hören?
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Immer wieder ist die Rede von der komplexen, aber auch genialen Instrumentierung in Puccinis "La fanciulla del West". Und tatsächlich: im Graben schillern die Farben, man kann Anklänge an Debussy und Richard Strauss heraushören, aber auch an amerikanische Minstrel Songs und jazzige Rhythmen. Dirigent James Gaffigan, der bei der Premiere an der Bayerischen Staatsoper am Pult steht, sieht das auch so: "Ich denke, 'La fanciulla' hat mit Abstand die beste Instrumentierung aller Puccini-Opern. Er ist dabei viele Risiken eingegangen, wusste aber genau, was er hören will."
Bildquelle: picture alliance / akg Gleichwohl haben all diese musikalischen Finessen nicht dazu beigetragen, die "fanciulla" auf den Spielplänen der Häuser zu etablieren. Und das, obwohl die Uraufführung 1910 an der MET in New York (übrigens die erste Opernuraufführung überhaupt an diesem Haus) ein Riesenerfolg war – sicher auch einer mit Ansage. Der damals schon vergötterte Dirigent Arturo Toscanini stand am Pult, als Minnie war mit Emmy Destinn einer der großen New Yorker Publikumslieblinge besetzt und Enrico Caruso sang den Dick.
Und warum konnte sich das Werk nicht auf den Spielplänen etablieren? Einmal enttäuscht Puccini alle Erwartungen der Zuhörer. Es gibt in der ganzen Oper nur eine Arie: die vom Tenor gesungene "Ch'ella mi creda", und die kommt erst zum Schluss. Ansonsten ist die Oper durchkomponiert, durchaus mit Anleihen an die Leitmotivik von Richard Wagner.
Es ist sehr schwer, eine gute Besetzung zu finden! Denn für die drei Hauptrollen brauchen Sie eigentlich drei Wagner-Stimmen. Sie brauchen große Ausdauer und großes Volumen.
Puccini übt quasi einen Schock aus auf gewisse Erwartungshaltungen des Publikums – und zwar ganz bewusst: In erster Linie schrieb er "La fanciulla del West" für sich. Er war schon berühmt und musste keine Erwartungen mehr erfüllen.
Dann ist da noch die Wildwest-Thematik – zwischen harten Kerlen, rauchenden Colts und großen Gefühlen kann es schnell kitschig werden. Regisseur Andreas Dresen weiß um diesen Fallstrick und begibt sich deshalb gar nicht erst auf das Western-Terrain. Für ihn steht die soziale Realität der Ärmsten der Armen im Vordergrund – denn zu diesen gehörten zweifelsohne die hart schuftenden Minenarbeiter in Kalifornien. Diese Realität möchte er, frei von Sozialromantik, in München auf die Bühne bringen. Immer nah an der Musik und den Figuren. Auf Videos verzichtet der gelernte und erfolgreiche Filmregisseur Dresen dabei allerdings, auch wenn das beim Western nahe läge.
Dirigent James Gaffigan bezeichnet seine Besetzung als "Jackpot". Vor allem von seiner Minnie, Anja Kampe, ist er begeistert. Und die stellt mit dieser Rolle erneut eine starke Frauenfigur in München auf die Bühne: "Sie hat eine Multifunktion: Sie übernimmt alle weiblichen Aufgaben, die sonst Mutter, Schwester oder Frau übernehmen. Das ist eigentlich ganz schön. Sie vertrauen ihr alle, sie holen sich bei ihr Rat", so Anja Kampe.
Sie übernimmt alle weiblichen Aufgaben, die sonst Mutter, Schwester oder Frau übernehmen.
BR-KLASSIK überträgt die Premiere am Samstag, den 16. März 2019 ab 17:30 live im Radio.
Giacomo Puccini:
"La fanciulla del West"
Oper in drei Akten (1910)
Bayerische Staatsoper
Premiere: 16. März 2019, 18:00 Uhr
Inszenierung: Andreas Dresen
Chor der Bayerischen Staatsoper
Bayerisches Staatsorchester
Leitung: James Gaffigan
Infos zu Terminen und Besetzung finden Sie auf der Homepage der Staatsoper.