Die BR-KLASSIK-Operettenredaktion hat den "Frosch des Jahres 2016" vergeben. Die Auszeichnung geht an die Komische Oper Berlin für Oscar Straus' "Die Perlen der Cleopatra" in der Inszenierung von Barrie Kosky. Die Redaktion lobte die zeitgemäße, gelungene Operette.
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Alle gehören zum Hof der Cleopatra: Chor, Tanzensemble, Solisten und Publikum. Schon in der ersten Szene sind die Zuschauer umzingelt - bzw. mittendrin. Und los geht das wilde Treiben am Hofe einer ägyptischen Königin. Endlich, da kommt sie! Cleopatra-Manzel entsteigt einem Sarkophag mit einer Katze (Handpuppe) und füllt mit ihrer Präsenz die Bühne. Diese Cleopatra ist durch und durch Machtmensch, um sich selbst kreisend, nur eigenen Launen folgend und immer im Zentrum. Mal jovial, mal auftrumpfend, mal manipulierend, mal feixend. So berlinert sie sich mit Kodderschnauze durch die Handlung, von ihrer Katze bauchredend kommentiert.
Dagmar Manzel zieht die Register ihres großen Könnens, ihre Figur schillert in tausend Facetten, Nuancen und Kostümen. Sie haucht, sie jodelt, sie grunzt, sie singt, sie kreischt, sie lacht - und sie säuselt sanftes Hochdeutsch, wenn sie als weiße Revue-Königin auf ihrem Straußenfederpodest den jungen Silvius umgarnt.
Kann neben dieser Operettenherrscherin überhaupt noch jemand bestehen? Kaum zu glauben - aber: ja! Ihr zur Seite agiert tatsächlich bis in die kleinste Nebenrolle ein ebenbürtiges Ensemble mit einem jungen Liebespaar, einem manipulativen Minister, einem schönen Prinzen - alle wunderbar singend - und am Schluss dem Marcus Antonius, der sie ohne Degen erobert. Bei ihm - endlich - kann sie lachen. An seiner starken Schulter weinen und sie selbst sein. Dann wird es still im bisher laut lachenden Publikum. Und so still endet dann das hinreißende Stück. Große Kostüme, große Farbenfreude auf der Bühne. Vor schwarz-weißen Wänden. Sie definieren die Spielorte, mal möbliert, mal leer. Nur die Menschen in ihren Kostümen wirken. Wunderbar! Nichts fehlt.
Operette in zwei Akten von Oskar Straus (1923)
Libretto: Julius Brammer und Alfred Grünwald
Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Inszenierung: Barrie Kosky
Choreographie: Otto Pichler
Bühnenbild: Rufus Didwiszus
Kostüme: Victoria Behr
Weitere Informationen auf der Website der Komischen Oper.
Zusammengehalten wird die rasante Revue von einem androgynen Josephine-Baker-Tanzensemble, alle huldigen in Maske und Körpersprache der legendären Tänzerin der 20er Jahre. Ob glitzernd in Silber, ob in Papageien-Feder grün oder in römischer Rüstung - dieses Tanzensemble gibt der Inszenierung noch mehr Drive, zitiert die Roaring Twenties und reißt in der fetzigen Choreographie von Otto Pichler das Publikum vom Hocker. Getragen wird das Ensemble von einem halbhoch sitzenden Orchester, das - dirigiert von Adam Benzwi am Klavier - sowohl in zarten Szenen als auch in wilden Tänze brilliert - u.a. mit perfekten Schlagwerk. Trotz dieser szenischen Dynamik funktionieren die Mikroports reibungslos. Das macht den Abend zu einem akustischen Genuss; auch bei den Dialogen.
Fazit vom Team des Operetten-Boulevards auf BR-KLASSIK: Operette von gestern und heute engmaschig verbunden. Parodie und wahres Leben herrlich verwoben. Ein Sog. So nirgends zu haben.
"Die Perlen der Cleopatra" an der Komischen Oper Berlin in der Inszenierung von Barrie Kosky
Los geht's
… mit dem Hofstaat der Cleopatra im Publikum. Alle besingen den Morgen und werfen in Erwartung der Königin Rosenblätter (aus Papier) ins Publikum. Derweil tanzt ein glitzerndes 20er-Jahre-Ballett – das aussieht wie lauter Josephine Bakers – auf der Rampe. Das Publikum ist umzingelt bzw. mittendrin.
Überraschung:
Ingeborg, Cleopatras Katze. Sie ist als Handpuppe immer dabei und kommentiert frech berlinernd (durch Dagmar Manzel als Bauchrednerin) die Handlung.
Größter Lacher:
Kaum zu bestimmen. Vielleicht wenn Cleopatra im schlimmsten Berliner Dialekt erklärt, dass sie keine parfümierten Männer mag und deshalb selbst auch in "Mülsch" badet, weil "Mülsch" nicht riecht.
Gelungenste Szene:
Cleopatra fährt auf einem Podest mit halbrundem, weißen Straußenfedern-Hintergrund herein; sie selbst in weißem Glitzerkleid mit überdimensioniertem Federkragen. In dieser Revue-Staatsrobe spricht sie bemüht sanftes Hochdeutsch, um einen jungen Soldaten zu umgarnen.
Verblüffend:
Wie Dagmar Manzel ganz im Sinne von Fritzi Massary agiert - ohne Fritzi Massary nachzuahmen. Manzel ist ganz sie selbst und trotzdem die unbestrittene Grande Dame der Berliner Operette des 21. Jahrhunderts. Sie spielt alle Facetten einer Künstlerin von heute aus. Das ist so operettig - und so aktuell!
Mutig, anders, neu:
Barrie Kosky und sein Team ergänzen die revueartige, um ein historisches Korsett herum angelegte Handlung durch Querverweise und arbeiten Typen heraus, die zeitlos und menschlich sind. Das Revue-Feeling der 20er Jahre mit einer starken Frau im Mittelpunkt und einer Handlung um Macht, Selbstbestimmung, Liebe ist kombiniert mit aktualisierten Texten und modern gedeuteten Elementen der 20er. Als Gesamtprodukt ermöglicht das sowohl einen Blick zurück als auch einen Blick auf modernes Theater heute. Mutig und einzigartig.
Herausragend:
Jede Rolle ist perfekt besetzt. Eine Synergie entsteht, ein Sog. Zumal bis ins kleinste Detail - auch im großen Chor - alles in Bewegung ist, alles stimmt. Zusammengehalten wird dieses "Energiekonzept" durch ein mitreißendes Tanzensemble im Stil der 20er Jahre mit Bewegungsmustern von Josephine Baker.
Aha-Effekt:
Eine berlinernde Cleopatra, die alles überstrahlt - dazu ein ebenbürtiges Ensemble, det jeht!
Berührend:
Es gibt eine schöne, romantische Liebesszene des Nebenpaares Charmian und Silvius. Übertroffen wird sie aber durch den leisen Schluss der sonst so lauten Handlung: Cleopatra und Marcus Antonius lernen sich bei einem Dosenbier kennen - und lieben. Da wird es ganz still im Publikum, wenn Cleopatra sich ohne Perücke an seiner starken Schulter ausheult - und endlich als Mensch und Frau erlöst wird. Ein stilles Ende. Großartig!
Sei kein Frosch, küss ihn:
Die Prinzessinnen-Jury vom Operetten-Boulevard ist beeindruckt und gratuliert dem Intendanten mit Ensemble zu seinem Operettenmut.
Neben dem "Frosch des Jahres" erblickt noch ein weiterer Operettenpreis in der Faschings-Gala das Licht der Welt: Das MusikTheatermagazin Orpheus ließ sich von der Begeisterung des Bayerischen Rundfunks für das Thema anstecken und schuf eine flankierende Auszeichnung zum "Frosch": Den "Operetten-Orpheus für besondere Verdienste um das Genre". Mit diesem Preis setzt sich das Magazin dafür ein, den noch immer unterschätzen Musiktheaterbereich zu rehabilitieren. Der Preis wurde an Ulf Schirmer, den Chefdirigenten des Münchner Runfunkorchesters, vergeben.