Ein dunkler Wald, ein Geisterreich, die Verführung eines jungen Mannes und das Opfer einer hingebungsvollen Frau: Carl Maria von Webers "Freischütz" wurde zum Sinnbild der deutschen Romantik. Wir stellen fünf musikalische Höhepunkte der Erfolgsoper vor.
Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr
Eine Ouvertüre soll musikalisch den Vorhang aufziehen und das Publikum sofort atmosphärisch in die Szenerie des Stücks versetzen. Selten gelang das in der Musikgeschichte so perfekt wie hier. Schon die ersten Akkorde wirken düster und unheilvoll. Sofort stellt sich das Gefühl ein: Ob das gut ausgehen wird? Dann lichtet sich der Klang, die Hörner als Symbol für Jagd und Wald tönen wunderschön. Vor dem geistigen Auge ziehen mächtige Bäume auf. Lichtstrahlen brechen durch den frühen Nebel. So plastisch ist die komplette Ouvertüre. Sie stellt all die Motive vor, die im weiteren Verlauf der Oper immer wieder an entscheidenden Stellen auftauchen. Auch wenn es damals den Begriff noch nicht gab, sind es "Leitmotive". Weber ist hier also musikalisch ein Vorreiter vor allem für Richard Wagner, der die leitmotivische Technik in seinen Musikdramen perfektioniert hat. In der Ouvertüre steckt so viel drin – unter anderem der vielleicht strahlendste C-Dur Akkord der Opernhistorie –, dass sie zum Kabinettstück für Dirigenten wurde. Besonders geliebt hat sie Carlos Kleiber. Seine Interpretationen sind maßstabsetzend.
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Weber-Der Freischütz Overture-Kleiber (1970)
Die Rolle des Max ist wenig dankbar: Er ist kein strahlender Held, sondern eher zu bemitleiden. Um seine Agathe heiraten zu dürfen, muss er erfolgreich einen Probeschuss absolvieren. Doch vor lauter Nervosität zielt Max daneben. Ein gefundenes Fressen für den Teufel Samiel und seinen Handlanger Kaspar, in deren Fänge er gerät. Wie verzweifelt Max ist, wie sehr er sich nach den glücklichen Zeiten sehnt, wird in der wunderbaren Arie "Durch die Wälder, durch die Auen" deutlich. Sie war früher Standard in allen Wunschkonzerten – wegen der schönen Melodie, aber auch wegen der Anforderungen an den Sänger. Denn der muss sowohl lyrisch zarte Phrasen spinnen als auch – vor allem im zweiten Teil der Arie – dramatische Kraft zeigen. Dadurch wird deutlich, dass Max kein Verlierertyp ist, sondern ein guter Kerl, der vom Schicksal und den Umständen gebeutelt ist. Durch den dramatischen Anspruch ist die Rolle durchaus eine Vorstufe zu den Heldentenorpartien von Wagner oder Strauss. Dies kommt bei Ernst Kozub perfekt zur Geltung. Ein Tenor mit prächtiger Stimme, der heute weitgehend vergessen ist, weil er aufgrund eines schweren Autounfall seine Karriere früh beenden musste.
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Ernst Kozub "Durch die Wälder, durch die Auen" Der Freischütz
Die Wolfsschluchtszene ist der dramatische Höhepunkt der Oper. Hier treffen sich Max und Kaspar, um sieben "Freikugeln" zu gießen. Die ersten sechs treffen perfekt jedes beliebige Ziel. Die siebte aber gehört dem Teufel, der sie hinlenken kann, wo immer er möchte. Auch gegen den Schützen selbst oder seine Liebsten. Der böse Jägergehilfe Kaspar übernimmt das Gießen der Kugeln. Dazu muss er die Mächte der Hölle beschwören – und das hört man auch! Der Sänger spricht über einem hochdramatischen, beinahe "wagnerhaften" Musikbett. Das Dämonische, Getriebene, aber auch die Angst und der Horror werden hörbar.
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Gottlob Frick & Ernst Kozub 'Wolfsschlucht Scene' Der Freischütz (мой русский перевод)
"Der Freischütz" wurde 1821 uraufgeführt. Dementsprechend passen Inhalt und Text teilweise nur schwer mit dem heutigen Gesellschaftsbild zusammen. Der "Chor der Brautjungfern" ist dafür beispielhaft. Die jungen Mädchen singen Agathe bei den Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit das Brautlied: "Wir winden Dir den Jungfernkranz". Es erzählt vom sehnsuchtsvollen Warten auf den "Freiersmann". Also darauf, dass die junge Frau endlich geheiratet wird. Nach dem Motto: Ohne Mann ist die Frau nichts. Auch die erwartete Jungfräulichkeit der sittsamen Braut ist aus heutiger Sicht spießig, veraltet, ja sogar diskriminierend. Und trotzdem geht die Melodie noch heute ins Ohr. Zur Zeit der Uraufführung gehörte sie zu den beliebtesten Stücken des "Freischütz". Jung und Alt pfiffen oder sangen sie auf den Straßen. Sie wurde zu einem Volkslied. Genervt von der Omnipräsenz tätigte Heinrich Heine einen Spruch: "Haben Sie noch nicht Maria von Weber's 'Freischütz' gehört? Nein? Unglücklicher Mann! Aber haben Sie nicht wenigstens aus dieser Oper das 'Lied der Brautjungfern' oder den 'Jungfernkranz' gehört? Nein? Glücklicher Mann!"
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Carl Maria von Weber: Der Freischütz - Wir winden Dir den Jungfernkranz (Chor der Brautjungfern)
Zum Volkslied wurde auch der Jägerchor. Die Männer preisen die Jagdlust, die den Körper trainiert, die für Unterhaltung sorgt und das Essen auf den Tisch bringt. Man hört hier die pralle Lebensfreude und Energie der Jäger, die mit dem lautmalerischen "Jo, ho! Tralalalala!" bekräftigt wird. Klar, dass dieses Lied auf Volksfesten, bei Gesangsvereinen und lustigen Zusammenkünftigen gerne gesungen wurde. Heute haben kernige Männerbündnisse nicht gerade Hochkonjunktur. Der Vorwurf des Machohaften ist schnell bei der Hand. Und trotzdem wirkt der Jägerchor nach wie vor. Weil er etwas Archaisches hat, eine sprudelnde Lebenslust und auch ein gewitztes Augenzwinkern.
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Der Jägerchor (Carl Maria von Weber - Der Freischütz)
Video-Livestream BR-KLASSIK CONCERT "Der Freischütz" am 13. Februar 2021 ab 18:30 Uhr
Radioübertragung "Live aus dem Münchner Nationaltheater – Der Freischütz" am 13. Februar 2021 ab 18:30 Uhr auf BR-KLASSIK