Salzburger Festspiele
19. Juli bis 31. August 2024
In der mit Spannung erwarteten Neuproduktion von Mozarts später Oper "La clemenza di Tito" bei den Salzburger Festspielen, die am 27. Juli Premiere feierte, treffen zwei "Wilde" der Klassik-Szene aufeinander: der Dirigent Teodor Currentzis und der amerikanische Regisseur Peter Sellars.
Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Ruth Walz
Mozarts letzte Oper "La Clemenza di Tito" entstand unter unglaublichem Zeitdruck. Der kurzfristige Opernauftrag für die Krönung des österreichischen Kaisers Leopold II. zum König von Böhmen ließ den Komponisten auf die eigentlich schon aus der Mode gekommene Gattung der Opera Seria zurückgreifen - inklusive teilweise langatmigen Rezitativen. Das Libretto geht auf ein bereits 1734 entstandenes Textbuch von Pietro Metastasio zurück, das schon dutzendfach auf die Opernbühne gebracht worden war. Erzählt wird die Geschichte des römischen Kaisers Titus - das passte natürlich zum Kompositions-Anlass: der Krönung Leopolds des II.. Weil die Krönungsoper als Huldigung der Aristokratie angesehen wurde, war sie heftig umstritten.
Die wahre Revolution ist immer die eigene Veränderung.
Regisseur Peter Sellars und Dirigent Teodor Currentzis lesen den "Titus" radikal neu und damit - so der Plan - dicht an der Gegenwart. Das heißt unter anderem: Verzicht auf die Rezitative. Ihnen gehe es nicht um die Präsentation einer Prager Krönungsoper nach antikem Vorbild, meint Teodor Currentzis, sondern um die Essenz dahinter: "Wir wollen keine Show inszenieren, vielmehr eine Art Mysterium oder Liturgie", sagt der Dirigent. "Wir alle brauchen Vergebung, um uns zu wandeln. Jemand wie Titus hat früher grässliche Verbrechen verübt und sich dann geändert; er riskiert es, verwundbar zu sein. Die wahre Revolution ist immer die eigene Veränderung; die großen Probleme werden nicht durch Aufmärsche oder Revolutionen gelöst. Nur wenn man sich selbst ändert, kann sich auch der Nächste wandeln. Das ist die Rolle der Musik: nicht eine tolle Aufführung zu sehen, die man gleich wieder vergisst, sondern etwas zu erleben, das nachhaltig fortwirkt."
Peter Sellars und Teodor Currentzis | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Anne Zeuner Die zentralen Partien sind mit afroamerikanischen und südafrikanischen Darstellern, wie etwa mit Russell Thomas als Titus, Golda Schultz als Vitellia und Jeanine de Bique als Annio, besetzt. Und auch hier, sagt Russell Thomas, seien aktuelle gesellschaftliche Verwerfungen im Probenprozess angekommen: "Eine unserer Darstellerinnen wurde in Mondsee von einem älteren Herrn beschimpft, der sie wohl für eine Araberin gehalten hatte. Er war ganz außer sich und hat sie angeschrien. Diese Erfahrung schlägt sich für sie sicherlich in der Arbeit nieder, uns allen geht es ähnlich, aber das ist nicht der Fokus dieser Produktion. Hier geht es darum, ob jemand, der anders ist, der einen anderen Gott anbetet, akzeptiert wird oder nicht. Das ist die Frage, der Peter Sellars sich in seiner Inszenierung widmet."
"La Clemenza di Tito" wird zu einer Art Meditation, zu einem tiefen Einblick in die Seele des Komponisten: "Mozart war dem Tod nahe und wusste: Dies waren seine letzten Werke", erläutert Peter Sellars. "Es ist kein Zufall, dass alle wichtigen Rollen in der 'Zauberflöte' und im 'Titus' sich immer und immer wieder verabschieden. In diesen letzten Monaten seines Lebens wusste Mozart um die Fragilität der menschlichen Existenz. Bei uns auf der Bühne wird Titus verwundet, aber - anders als in der nicht wirklich nachvollziehbaren Wendung im Stück - wird er an seiner Verwundung sterben. Sein Akt der Vergebung, seine Großmut: Um dieses Thema ging es Mozart ein Leben lang. Daher wollen wir die Oper so kraftvoll wie möglich werden und Mozart in seiner ganz eigenen Stimme sprechen lassen. Von Anfang bis Ende als sein letztes Testament."
Opera seria in zwei Akten KV 621
Premiere: 27. Juli 2017
Musikalische Leitung: Teodor Currentzis
Regie: Peter Sellars
Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Salzburger Festspiele.
Sendung: "Allegro" am 27. Juli 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK