Die Niederländische Bachvereinigung feiert im Jahr 2021 ihren 100. Geburtstag. Sie ist das weltweit älteste Barockensemble. Um dieses Jubiläum gebührend zu feiern, haben der Geschäftsführer und der künstlerische Leiter ein spektakuläres Projekt initiiert: allofbach.com. Das Ziel: Bis 2021 soll alles von Bach für jeden Menschen, egal wo auf der Welt er online geht, zu hören und zu sehen sein. Dazu gibt es Video-Interviews mit den Künstlerinnen und Künstlern - und die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren.
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In einem Schneideraum in Amsterdam schauen der Projektleiter und die Website-Redakteurin von "All of Bach" konzentriert auf einen Bildschirm. Sie diskutieren über Bilder einer mit leicht bewegter Kamera gefilmten Kirche, über Musikbeispiele und über Statements des Dirigenten. Es wird gerade ein Interview zur Kantate BWV 159 geschnitten. Bereits im November wurde das Werk neben drei weiteren Kantaten in einem Konzert aufgenommen. Nun werden die einzelnen Videos dazu fertiggestellt. Online werden diese allerdings erst in ein paar Monaten verfügbar sein, denn "wir wollen immer einen Vorrat haben und auch beim Veröffentlichen im Genre ein bisschen variieren können", erklärt die Redakteurin Hanna Schreuders.
Notenmanuskript von Johann Sebastian Bach | Bildquelle: picture-alliance/dpa Am Anfang, als die Website noch leer war, gestaltete sich alles stressiger. Mittlerweile sind das Online-Team und die Künstler routiniert. "Alle haben dazu gelernt", meint Projektleiter Jan van den Bossche lachend, und tatsächlich: Was sich die Niederländische Bachvereinigung vor drei Jahren vorgenommen hat, funktioniert erstaunlich gut. Mittlerweile haben Menschen aus 190 Länder auf der ganzen Welt darauf Zugriff, etwa aus Japan oder Südamerika, wo es sehr viele Bach-Liebhaber gibt.
Einmal haben hunderte Leute aus der Türkei auf Facebook reagiert, so der Projektleiter. Das sei ganz neu, denn als Ensemble sei man gewöhnt, dass man sein Konzertpublikum habe und in Amsterdam oder Utrecht spiele. Und nun kommuniziere man mit tausenden Leuten auf der ganzen Welt! Das sei neu und komisch, aber auch sehr schön.
Zwischen 10.000 und 15.000 Mal werden die Videos im Durchschnitt geklickt. Mit 184.000 Klicks führt die "Matthäus-Passion" die Rangliste an. 50 Kilometer südlich vom Amsterdamer Schnittraum, in Utrecht, wo der Sitz der Bachvereinigung ist, bereitet der Musikalische Leiter Jos van Veldhoven die Konzerte vor, die in den kommenden Wochen aufgenommen werden. Wer denkt, es ginge hier um die Masse und die Klicks, irrt gewaltig. Der Ausgangspunkt des Online-Projekts war tatsächlich der Wunsch, künstlerisch authentisch zu arbeiten.
Cembalo-Musik sollte da aufgeführt werden, wo sie hingehört.
"Wenn man ein Cembalo ins Concertgebouw stellt, dann hört man ein hübsches Säuseln, aber nichts von dem, was da wirklich passiert, weil das Instrument nicht für so einen Saal gebaut ist. Und so ist 'All of Bach' geboren: Wir dachten, wir nutzen die Technik des 21. Jahrhunderts und nehmen das in einer sehr hohen Qualität wirklich im Wohnzimmer der Musiker auf. So sitzt jeder direkt am Cembalo. Und egal, ob du in Kanada oder Spanien bist, du drückst auf den Knopf und kannst einfach bei dem Cembalisten zu Hause das schöne Stück von Bach hören", erzählt Jos van Veldhoven.
Jos van Veldhoven - Künstlerischer Leiter der Niederländischen Bachvereinigung | Bildquelle: Marco Borggreve Um die Intimität des Wohnzimmers oder den Raumklang einer barocken Kirche online zu vermitteln, sind bis zu 30 Technikerinnen und Techniker pro Drehtag nötig. Der Aufwand lohnt sich: Allein fünf Kameras sorgen für sensationelle, hochwertige, poetische Bilder, die der Feierlichkeit von Bachs Musik gerecht werden. Van Veldhoven genießt die Chance, in den Begleitvideos zusammen mit anderen Musikerinnen und Musikern etwas über die Werke erzählen zu können. "Die meisten Stücke von Bach sind tatsächlich kompliziert, und ich denke nicht, dass sich das von selbst erschließt. Das ist eigentlich eine Schatzkammer, die man öffnen muss."
Bleibt noch die Frage offen, ob bis 2021 wirklich "alles" von Bach auf der Website stehen wird. Ob das klappt, ist vor allem eine finanzielle Frage, weil sich das Projekt ausschließlich durch private Spenden trägt. Für Jos van Veldhoven aber ist bereits alles, was bisher passiert ist, ein unfassbarer Erfolg: "Wir haben das alles ein paar Menschen zu verdanken, die vor drei Jahren gesagt haben: Das ist ein idiotischer Plan, aber lasst uns das machen! Und für uns ist das jetzt jeden Tag beinahe wie ein Geschenk."
Den Link zum Bach-Projekt finden Sie hier: allofbach.com
Sendung: "Allegro" am 17. Mai 2017 um 06.05 Uhr