Eins der Highlights in der Saison 2017/18 der Bayerischen Staatsoper wird ein neuer "Parsifal" sein, mit Jonas Kaufmann, Christian Gerhaher und weiteren Opernstars sowie einem Bühnenbild des Malers Georg Baselitz. Intendant Nikolaus Bachler gibt im BR-KLASSIK-Interview einen Ausblick auf die kommenden Produktionen und erläutert das Motto der Spielzeit "Zeig mir deine Wunde".
Bildquelle: Felix Löchner
BR-KLASSIK: Nikolaus Bachler, "Zeig mir deine Wunde" ist das Spielzeit-Motto 2017/2018. Das zielt vermutlich auf den "Parsifal" - mit Generalmusikdirektor Kirill Petrenko und Christian Gerhaher als Amfortas. Was für Wunden und Verletzbarkeiten gibt's denn noch in der neuen Saison?
Nikolaus Bachler: Ich sehe das nicht als sprichwörtliches Motto. Wir nehmen uns jedes Jahr ein Thema vor, an dem wir arbeiten. Ein Spielplan ist ja auch mehr, ist als die Summe der einzelnen Vorstellungen. Und der Satz "Zeig mir deine Wunde" ist in gewisser Weise ein Symbol für das Leben des Menschen, wie der Mensch in der Welt steht, womit er zu tun hat. Die Humanität, die Verletzungen, die Verletzlichkeiten, die Schwierigkeiten der Entwicklung, die man mit sich hat, oder die man auch mit anderen hat. Das ist ein inhaltlicher Zusammenhang, der den Zuschauer vielleicht auffordern soll, sich ein Jahr lang mit solchen Gedanken zu beschäftigen und das Thema immer wieder unter anderen Aspekten zu betrachten. Denn das ist die Möglichkeit der Kunst, an den Menschen mit Wahrhaftigkeit ranzukommen.
BR-KLASSIK: Was auch immer Kirill Petrenko, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, anfasst wird zu Gold. Er wird nicht nur den "Parsifal", sondern auch das komplette "Il Trittico" von Puccini dirigieren. Als er Donizetti dirigierte, gingen ja die Meinungen auseinander. Ist er inzwischen bei den Italienern angekommen?
Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko - ein künstlerisches Duo, das der Staatsoper zu vielen Höhepunkten verholfen hat. | Bildquelle: Wilfried Hösl Nikolaus Bachler: Puccini ist ja ein Sonderfall unter den Italienern, dieser Grenzgänger des Verismo. Petrenko hat eine große Liebe zu Puccini, wir haben schon eine sehr glückhafte "Tosca" mit ihm erleben dürfen. Und der Zyklus "Il Trittico" ist ihm ganz besonders wichtig. Daher haben wir beschlossen, wir gehen gemeinsam in dieses große Abenteuer. Ich bin mir ganz sicher, dass sowohl von der Kompositionsstruktur, als auch von den Klangfarben und vom inhaltlichen Gestus dieses Werk Kirill Petrenko sehr liegt.
BR-KLASSIK: Ein alter Hase kommt diese Saison zum ersten Mal zu Ihnen: Regie Altmeister Frank Castorf gibt sein Hausdebüt und inszeniert Janáčeks Oper "Aus einem Totenhaus", ein hartes Stück. Hatte Castorf Lust auf die Bayerische Staatsoper, oder hatten Sie Lust auf Castorf?
Nikolaus Bachler: Offensichtlich beides. Ich habe eine lange Geschichte mit Frank Castorf, die reicht zurück in die Wiener Festwochen und ans Burgtheater. Frank und ich kennen uns gut. Mich haben vor allem immer seine Dostojewski-Inszenierungen interessiert, die ja auf der Volksbühne ganz groß waren. Und wir haben viel Janáček zusammen gemacht. Das "Totenhaus" ist für mich das parallele Stück zu "Parsifal", was die Thematik und den Inhalt betrifft. Mir war von Anfang an klar, dass ich Frank Castorf für diese Produktion anfrage - und er hat gerne angenommen.
BR-KLASSIK: Dann haben wir einen Skandal praktisch schon in petto. Denn wo Frank Castorf ist, wird zwangsläufig auch gebuht. Er will ja auch provozieren. Wenn man aber sonst die Regisseur-Liste durchschaut, dann fehlen Barrie Kosky, Martin Kušej - Personen, die in den letzten Jahren das Münchner Publikum massiv zum Nachdenken gebracht haben. Ist das eine bewusste Entscheidung, ein bisschen gemäßigter, publikumsnäher zu werden?
Nikolaus Bachler: Erst einmal würde ich nicht sagen, dass mit Castorf ein Skandal zu erwarten ist. Er hat immer eine sehr klare Haltung zu einem Thema. Und die provoziert - oder auch nicht. Das hat man ja nicht in der Hand. Und wir denken viel weniger über Skandale nach, als über das, was wir für die Stücke für richtig halten.
Zu den Regisseuren: Ich bin ja noch ein paar Jahre hier, und all die Namen, die Sie vorhin aufgezählt haben, werden hier weiterarbeiten. Wir haben intensive, schöne und starke Verbindungen zu vielen Künstlern. Und ich lege sehr viel Wert auf Kontinuität, denn nur Kontinuität ermöglicht Entwicklung. Und diese Kontinuität mit diesen Menschen bleibt gewahrt bis 2021.
BR-KLASSIK: Sie bleiben noch ein paar Jahre hier, auch Kirill Petrenko bleibt noch ein paar Jahre. Die Zeit ist allerdings begrenzt: 2021 werden Sie beide Abschied nehmen. Jonas Kaufmann hat vor ein paar Monaten öffentlich in einem Interview gesagt, er sorge sich um die Zukunft der Bayerischen Staatsoper, wenn Sie beide nicht mehr da sind. Können Sie das nachvollziehen? Sorgen Sie sich auch, oder wissen Sie schon so viel, dass sie sagen, wir können alle beruhigt schlafen?
Nikolaus Bachler: Es ist schön, dass Jonas Kaufmann so etwas sagt. Es freut mich natürlich persönlich. Aber ich sorge mich nicht, weil das Theater viel stärker ist als wir alle - und es geht immer weiter. Man sollte sich selber nicht überschätzen. Ich glaube, dass die Bayerische Staatsregierung und der Kunstminister eine sehr genaue Recherche betreiben und eine verantwortungsvolle Wahl treffen wird. Es gibt also wirklich keinen Anlass zur Sorge.
Das Interview führte für BR-KLASSIK Annika Täuschel.