Der Journalist Stefan Sprang fand in seiner Wohnung unter den Hinterlassenschaften der Vormieter ein Doppelalbum "Joseph Schmidt, seine größten Hits". Schmidts Stimme faszinierte ihn derart, dass er die Platten sofort durchhörte. Zudem lag im Cover noch ein Artikel mit der dramatischen Lebensgeschichte des Tenors, der 1933 als Jude aus Deutschland fliehen musste. Kurz vor seiner Anerkennung als Flüchtling starb Joseph Schmidt 1942 in der Schweiz. Stefan Sprang machte sich auf die Spurensuche nach der Biografie dieses Künstlers.
Bildquelle: Größenwahn Verlag
Der Buchtipp zum Anhören
Als Tenor in Spielfilmen wird Joseph Schmidt weltberühmt. Seine lyrische Stimme und die Fähigkeit, sich ganz locker in den Höhen zu bewegen, ziehen seine Fans und besonders die Frauen magisch an. "Der deutsche Caruso" wird er genannt, hat zahlreiche Liebschaften und Affären. Dennoch gleicht sein Leben eher einer tragischen Oper. Mit nur 1,54 Meter ist er zu klein für die Bühne. Als Jude muss er seit der Machtübernahme der Nazis um sein Leben fürchten, obwohl selbst Joseph Goebbels seine Kunst bewundert. "Herkunft hin oder her, wenn es um die Sache geht, werde ich persönlich einen Weg finden, darauf mein Wort", zitiert der Roman den Propagandaminister. "Mag in Deutschland kommen, was will, Sie werden immer der Unsrige sein."
Es sollte anders kommen. Der nach seinem Hit benannte Film "Ein Lied geht um die Welt" mit ihm in der Hauptrolle wird am 9. Mai 1933, einen Tag vor der Bücherverbrennung in Deutschland, uraufgeführt. Einen Tag später flieht Schmidt.
Am arischen Kulturleben durfte Joseph, wie das Gesetz es seit September befahl, nicht mehr teilnehmen. Ein für alle Mal besiegelt und bestimmt.
Grundlage für Stefan Sprangs neuen Roman waren die Joseph Schmidt-Biographie von Alfred A. Fassbind und umfangreiches Material aus dem Zürcher Zeitungsarchiv. Doch das Buch geht über die nüchterne Dokumentation hinaus: Es beschreibt lebendig und bildhaft das Berlin der 20er Jahre bis zu Schmidts Zeit im Schweizer Auffanglager und auch die Pension, in der er 1942 stirbt. Der Autor fungiert als allwissender Erzähler und verwebt historische Fakten. Außerdem macht er den Leser vertraut mit zeitgenössischen Aufnahmetechniken bei Rundfunk und Film. Und er beschreibt auch den Zweifel, der Schmidt umgibt, kreist um die physischen und psychischen Befindlichkeiten, die ein Sängerleben bestimmen können.
Die Entwicklung Joseph Schmidts vom erfolgsverwöhnten Sänger zum verzweifelten Flüchtling schildert Sprang literarisch anschaulich. Manch Szene ist zu ausufernd gestaltet. Oft hat der Autor viel zu viel Fantasie und seine Sprache gerät arg blumig. Dennoch ein lesenswertes Buch, das uns die Zeitumstände miterleben lässt - und mit der Erzählung von Flucht und Verfolgung auf aktuelle Geschehnisse verweist.
Stefan Sprang:
"Ein Lied in allen Dingen: Joseph Schmidt"
Größenwahn Verlag, Frankfurt am Main
329 Seiten
Preis: 19,90 Euro
Sendung: "Allegro" am 9. Juli 2019 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK