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Buch - "Türke, aber trotzdem intelligent" Selcuk Cara - Beruf Sänger

Auf den großen Bühnen Europas singt Selcuk Cara vorwiegend im Deutschen Fach - und arbeitet auch gerade an einer Dissertation über Wagners "Ring". Doch so leicht, wie es oberflächlich scheint, hat es ein in Deutschland geborener türkisschtämmiger Musiker nicht. In seinem Buch gibt Selcuk Cara ein tiefen und manchmal haarsträubenden Einblick.

Buchcover "Türke, aber trotzdem intelligent." | Bildquelle: Edel Books

Bildquelle: Edel Books

Philosophie und Kampfsport

Die Vita des türkischstämmigen Bassbaritons Selcuk Cara liest sich stellenweise wie ein überbordender Heldenfilm: Geboren 1969 in Deutschland, studiert er Operngesang und nebenher Philosophie, auch bei Jürgen Habermas. Nach Festengagements in Köln und Bonn singt er seit zehn Jahren an den großen Bühnen Europas vorwiegend im Deutschen Fach, mit vielen Wagner-Rollen als erster professioneller türkischstämmiger Sänger überhaupt. Nebenher hat er rund vierzig Theaterstücke geschrieben, publiziert soziologische Essays und hat international ausgezeichnete Kurzfilme gedreht. Derzeit arbeitete er an einer Dissertation über Wagners "Ring". Außerdem ist er Vize-Europameister im Jazzdance und er besitzt den höchsten Schwarzen Gürtel einer asiatischen Kampfsportart. Jetzt hat Cara ein Buch über sein Leben geschrieben mit dem Titel: "Türke, aber trotzdem intelligent".

Ein Türke spielt Bach

"Ich saß an einem schwarzen Flügel in einer mit antiken Möbeln überfrachteten Altbauwohnung und spielte die Aria der Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach. Meine über 80jährige Klavierlehrerin, die sich Franz-Liszt-Enkelschülerin nennen durfte, hatte zu einem Hauskonzert ihrer Schüler geladen. Zahlreiche Eltern und ehemalige Professoren-Kollegen waren anwesend. Ihren neuen Zögling stellte sie mit folgenden Worten vor: "Das ist Selcuk. Selcuk Cara. Er ist Türke, aber trotzdem intelligent." Als ob die titelgebende Anekdote nicht schon so skurril genug wäre - wenn man nachrechnet stellt man auch noch fest, dass Cara zu dem Zeitpunkt etwa 20 Jahre alt gewesen sein muss. Aber solche Details sind dem Autor gar nicht wichtig. Er will nicht den moralischen Zeigefinger heben und erst recht nicht mit der Gesellschaft abrechnen. Er nimmt den Leser stattdessen mit auf eine sehr kurzweilige Reise von der Geburt in einem hessischen Kaff bis zur internationalen Karriere als Opernsänger. Und das mit einer wunderbar klaren, ungekünstelten Sprache, genau richtig für die teils haarstäubenden, teils rührenden Geschichten.

Vom Stimmenimitator zum Sänger

"Der Nachrichtensprecher hatte gesagt, dass Helmut Schmidt mit 267 Stimmen Bundeskanzler von Deutschland geworden war und ich fragte mich, wann er diese Stimmen endlich darbieten würde. Ich wartete geduldig, wurde aber leider von ihm enttäuscht. Niemals bekam ich eine Kostprobe seiner vielen Stimmen zu hören. Da schwor ich mir, dass, wenn ich jemals Bundeskanzler werden sollte, ich jedermann meine Stimmen vormachen würde." Also beginnt der kleine Junge, möglichst viele verschiedene Stimmen zu imitieren - der Grundstein seines späteren Berufes.

Man schmunzelt, lacht und staunt

Bevor Selcuk Cara allerdings das erste Mal am "Theater an der Wien" singt, muss er noch diverse Hürden meistern. Häufig haben die dann mit seiner türkischen Herkunft zu tun. Aber nie werden die Geschichten redundant, weil Cara immer einen Zugang oder Ausgang wählt, der abweicht vom oft gebrauchten Schwarz-Weiß-Muster mit dem Migrationshintergrund als Aushängeschild. Man schmunzelt und lacht, man staunt und hofft, man blättert weiter. Eine der wichtigsten Waffen von Cara, im Leben wie im Buch, ist Humor, charmant und intelligent eingesetzt. In den kurzen, selten über drei Seiten gehenden Geschichten zeigt sich Cara als belesener und sensibler Geist, dessen Blickwinkel weit über die Opernbühne hinausreicht, ohne sich selbst zu wichtig zu nehmen. Ein Buch, das die unterschiedlichsten Leser zwischen Jung und Alt ansprechen dürfte und sollte, ein Gewinn für die Integrationsdebatte - und entlarvend für die vermeintliche Hochkultur.

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