2024 jährt sich der Geburtstag von Anton Bruckner zum 200. Mal – ein Grund zum Feiern! Auch für die CD-Labels. Kürzlich haben Christian Thielemann und Andris Nelsons ihre Bruckner-Zyklen vollendet. François-Xavier Roth ist mit dem Kölner Gürzenich-Orchester, wo der Franzose Chefdirigent ist, mittendrin – seine Gesamteinspielung der Erstfassungen könnte einen spannenden Kontrapunkt setzen. Mit der aktuellen Aufnahme von Bruckners Dritter Symphonie setzt er hohe Maßstäbe.
Bildquelle: Myrios
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"Misterioso", also geheimnisvoll schleicht sich Anton Bruckner in seine Dritte Symphonie. Ganz dezent schält sich das charakteristische Trompetenthema aus dem zart wogenden Streicherteppich. Von den feinsten Verästelungen bis zum blechgepanzerten Durchbruch des Themas reizt François-Xavier Roth den Dynamikpegel dieser Aufnahme voll aus – da haben die Tonmeister ganze Arbeit geleistet.
Ohne weihevolles Pathos, straff und resolut steuert Roth Bruckners Höhepunkte an – da franst klanglich nichts aus bei ihm und seinem fantastischen Orchester. Das gilt auch für das maschinenhaft stampfende Scherzo der Dritten, das zum Prototyp dieser Satzform bei Bruckner wurde. Mit messerscharfer Präzision und federndem Puls meißelt Roth die blockhafte Architektur von Bruckners Symphonik heraus. Und demonstriert dessen Originalität, etwa wenn der Komponist im Finale eine Streicher-Polka und einen Bläser-Choral tollkühn übereinanderschichtet.
Die herbe Urfassung der Dritten Symphonie bietet nicht nur Wagner-Zitate, die Bruckner dem Widmungsträger schuldig zu sein glaubte – und die er in seinem Überarbeitungswahn später wieder eliminiert hat. Roth stellt auch harmonische Irritationen und rhythmische Widerhaken krass heraus, die Ausbund einer urwüchsigen, ungebändigten Fantasie sind. Der Romantiker ist für Roth denn auch "Bruckner, der Fortschrittliche".
Bis zum Zerreißen spannt François-Xavier Roth die formbildenden Generalpausen in Bruckners Dritter. Und verführt sein Kölner Gürzenich-Orchester zu schlankem Streicherklang und weich abgerundetem Blech. Mit kontrollierter Ekstase und musikantischem Esprit zeigt Roth, dass er einer der Großen seines Fachs ist. Das Bruckner-Jahr kann kommen!
Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 3 d-Moll WAB 103 (Erstfassung von 1873)
Gürzenich-Orchester Köln
Leitung: François-Xavier Roth
Label: Myrios Classics
Sendung: "Piazza" am 30. Dezember 2023 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Donnerstag, 11.Januar, 16:53 Uhr
Ritornello
Gegen-Verbesserungsvorschlag
Anders als manche Verbesserungsvorschläge bin ich der Meinung, dass bei BR-Klassik das Verhältnis von Wort (Ansage) und Musik sehr ausgewogen ist. Ich höre gerne fundierte Fachinformationen, die ich mir sonst anderswoher mühsam erwerben müsste. - Weiter so, BR-Klassik!
Mittwoch, 03.Januar, 14:01 Uhr
Barboncino
Verbesserungsvorschlag
Bei BR-Klassik wird insgesamt zu viel gesprochen und der Musik zu wenig Raum gegeben.Früher war das besser. Jetzt fühlt man sich als alter Musikliebhaber manchmal als Subjekt des betreuten Denkens. Das mag gut gemeint sein. Aber das Programm steht doch für klassische Musik und nicht für klassische " Prosa".
Dienstag, 02.Januar, 06:58 Uhr
Georg Ritter
Verbesserungsvorschlag
Sehr geehrte Damen und Herren,
BR-Klassik wäre besser, wenn sich die Ansager aufs notwendige beschränken könnten. Es muss nicht sein, dass beispielsweise über ein fünfminütiges Musikstück fast doppelt so lange gesprochen wird.