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Pianist András Schiff Entsetzen über Trump und das Schweigen der Kunst

András Schiff hat vor kurzem seine Konzerte in den USA abgesagt. Im Interview mit BR-KLASSIK spricht er über Reaktionen darauf und warum er sich wenig Hoffnung auf Änderung macht. In München ist er bald mit einem Schumann-Programm zu Gast. Der Pianist verrät, was er an dessen Musik schätzt – und warum er nicht immer auf einem Steinway spielen will.

Der Pianist András Schiff | Bildquelle: Lukas Beck

Bildquelle: Lukas Beck

BR-KLASSIK: András Schiff, vor kurzem haben Sie bekanntgegeben, dass Sie in den USA keine Konzerte mehr geben. Gab es Reaktionen darauf?

András Schiff: Von offizieller Seite nicht. Persönlich schon. Ich habe sehr viele Reaktionen von Freunden, Kollegen und Bekannten bekommen – nur positive.

Viele Künstler schweigen zur Lage in den USA

BR-KLASSIK: Was erhoffen Sie sich von diesem Schritt?

András Schiff: Überhaupt nichts. Ich bin ein winzig kleiner Mensch, ich kann nichts ändern. Aber das ist eine Frage des Gewissens für mich. Ich finde, bei solchen Situationen muss man einfach Stellung beziehen und nicht still bleiben, wegschauen und nichts sagen. Wenn man still bleibt, dann ändert sich garantiert nichts. Aber wenn man etwas sagt und man das nicht allein tut

... Leider sehe ich, dass die meisten Kollegen eher still bleiben. Ausnahmen sind Christian Tetzlaff und meine Assistentin, die Pianistin Schaghajegh Nosrati. Der Cellist Jean-Guihen Queyras spielt in den USA, spendet aber die Einnahmen an Opfer des Ukraine-Kriegs. Ansonsten weiß ich von niemandem, der etwas gesagt hat.

Ich bin ein winzig kleiner Mensch, ich kann nichts ändern. Aber es ist eine Frage des Gewissens für mich.
András Schiff zur Absage von USA-Konzerten

BR-KLASSIK: Gab es einen konkreten Anlass, dass Sie diese Entscheidung getroffen haben?

András Schiff: Es kam eins nach dem anderen. Jeden Tag denkt man: Schlimmer geht es nicht. Aber er (Donald Trump, Anm. der Red.) überrascht uns. Jeden Tag wird es noch schlimmer. Etwa die Freilassung der Täter vom 6. Januar, die Übernahme des Kennedy Centers. Man könnte sagen, Politik muss man von der Kunst trennen. Aber wie trenne ich das nach der Übernahme des Kennedy Centers? So ist das leider – und das ist nur der Anfang. Da bin ich nicht sehr optimistisch, dass es besser wird.

András Schiff: Zusammenschluss von Künstlern könnte etwas bewirken

BR-KLASSIK: Können Kunst und Musik gesellschaftliche Entwicklung beeinflussen? Sie sagen, dass Sie nicht glauben, dass Sie mit Ihrem Schritt viel bewirken. Aber muss man nicht doch irgendwie daran glauben?

András Schiff: Ich bin ein geborener Optimist, gebe also nicht auf. Aber man muss auch realistisch sein. Kunst insgesamt ist ja schon sehr wichtig. Klassische Musik betrifft vielleicht nicht so viele Menschen, aber schauen Sie zum Beispiel nach Hollywood. Ich kenne sehr viele Filmschauspieler, die vehement gegen Trump sind. Bei einer Meryl Streep oder ein George Clooney bin ich sicher, dass sie ihre Meinung haben. Aber das interessiert Herrn Trump nicht. Er sagt dann: Meryl Streep ist eine schlechte Schauspielerin – Donald Trump entscheidet, wer eine gute Schauspielerin ist. Das ist ein Witz. Ich wünsche mir, dass zum Beispiel Sportler ihren Einfluss nutzen. Wenn etwa bei den US Open, dem Tennisturnier, die größten Spieler sagen würden, 'Wir treten in den USA nicht auf' – das würde schon etwas bedeuten. Aber vielleicht auch nicht genug.

BR-KLASSIK: Haben Sie eine Vision, dass Sie sagen, es wäre toll, wenn Künstler, Sportler, Schauspielerinnen sich zusammentun und sich positionieren?

Pianist András Schiff  | Bildquelle: Nadia F Romanini András Schiff rechnet nicht mit Auswirkungen seines Protests gegen Trump. Er wünscht sich ein Bündnis von Künstlern, Musikern und Sportlern. | Bildquelle: Nadia F Romanini András Schiff: Ja, das wäre toll. Das würde Erfolg bringen, glaube ich. Weil diese großen Massen vielleicht etwas bewirken. Jemand wie Taylor Swift – vor zwei Jahren wusste ich nicht einmal, wer Taylor Swift ist, jetzt weiß ich es. Das macht sehr viel aus.

BR-KLASSIK: Themenwechsel. Am 18. Mai spielen Sie in München im Herkules-Saal mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Das ist ein Orchester, das sich die Dirigenten und Dirigentinnen selbst auswählt. Ich nehme an, Sie haben eine gute Beziehung zu diesem Ensemble?

András Schiff: Das ist eine wunderbare Beziehung, die viele Jahre zurückgeht, ich bin inzwischen Ehrenmitglied des Ensembles. Sie spielen auf historischen oder historisch orientierten Instrumenten und sind unglaublich versiert und vielseitig. Eine Woche spielen sie eine Monteverdi-Oper, dann die Matthäus-Passion, dann vielleicht Mozart-Opern, Mahler oder Stravinsky. Je nach Instrumenten, Komponisten und Werken wechseln sie das Instrumentarium.

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Das Orchestra of the Age of Enlightenment: Seit über 30 Jahren spielt es an vorderster Front der internationalen Originalklang-Szene mit – schlank im Klang und doch ausdrucksstark, verwurzelt in der Vergangenheit und doch stylisch modern.

András Schiff: Steinway-Flügel dominieren Konzertsäle

BR-KLASSIK: Sie spielen dort auf einem historischen Instrument, dem Hammerflügel. Was hat der Hammerflügel, was dem modernen Flügel fehlt?

András Schiff: Sehr viel. Die Welt der Klaviermusik ist sehr einseitig geworden, brutal gesagt globalisiert. Steinway beherrscht die Klavierwelt. Steinway ist ein wunderbarer Flügel – aber auch nicht alle Steinways sind gleich. Das Publikum und die Pianisten haben quasi wortlos akzeptiert, dass egal wo und egal von welchem Komponisten man Klaviermusik hört, sie auf einem Steinway gespielt wird. Dazu möchte ich sagen: Bitte seien wir offen und spielen weiter, aber nicht ausschließlich auf Steinways. Es gibt auch Bechstein, Bösendorfer, Fazioli oder Yamaha oder wie sie alle heißen. Es muss nicht immer automatisch Steinway sein.

BR-KLASSIK: Und früher?

András Schiff: In der Vergangenheit gab es verschiedene Instrumente. In der Zeit von Mozart, Beethoven oder Schubert waren allein in Wien mehr als 100 oder 200 Klavierbaumeister tätig und alle Instrumente waren völlig verschieden. Was die alten Instrumente können, was ein moderner Flügel nicht kann? Ein moderner Flügel ist sehr stolz darauf, dass er von oben bis unten total ausgeglichen ist. Die alten Instrumente sind nicht ausgeglichen, sie besitzen mindestens drei verschiedene Register: Bass, Mitte und Diskant. Und die sind unterschiedlich, der Bass ist viel durchsichtiger, viel transparenter, weil diese Bassseiten nicht so dick und mächtig sind wie auf einem Steinway. Und vergessen wir nicht, dass alle diese früheren Komponisten nicht für den modernen Steinway komponiert haben. Sie hatten diese Klangästhetik von Registern.

Biographie von Schumann ist wichtig für Schiff

BR-KLASSIK: Sprechen wir noch über Robert Schumann. Sie spielen zwei Stücke von ihm. Spielt für Sie als Interpret die Biografie des Komponisten, konkret von Robert Schumann, eine Rolle, wenn Sie seine Werke spielen? Oder versuchen Sie das zu trennen?

András Schiff: Natürlich spielt die Biografie eine gewaltige Rolle, bei manchen Komponisten mehr als bei anderen. Ich finde zum Beispiel bei Johann Sebastian Bach spielt sie so gut wie keine Rolle. Aber bei Beethoven schon sehr viel, und bei Robert Schumann enorm viel. Wir wissen sehr viel über sein Leben: aus Briefen, Tagebüchern, Notizen. Dann ist da die ganze literarische Umwelt bei Schumann, er war so belesen und gebildet, die literarischen Referenzen und auch die Beziehung zu Clara Wieck. Und dann sein Schicksal: Er wollte Pianist werden und hat seine Hand mit fürchterlichen Exerzitien verletzt. Es ist ein Komponist, der wirklich aus der Erfahrung für das Klavier komponiert hat, das darf man nicht vergessen. Zugleich ist Schumann der Ur-Romantiker, und so bin ich zutiefst bewegt und beseelt von seiner Musik und dieser Poesie bei ihm.

András Schiff – Konzert in München

András Schiff und das Orchestra of the Age of Enlightenment
18. Mai 2025, Herkulessaal der Residenz

Programm:
Robert Schumann: Konzertstück (Introduktion und Allegro) für Klavier & Orchester op. 92
Felix Mendelssohn Bartholdy: "Ein Sommernachtstraum" op. 61 (Instrumental-Auszüge)
Robert Schumann: Klavierkonzert a-Moll op. 54

Sendung: "Leporello" am 17. April 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Sieben minus drei ergibt?

Mittwoch, 16.April, 19:40 Uhr

Schmidt- Holzhüter, Diethard

Herrn Trump

Danke,dass Sie ihre Stimme erheben. Das sollte noch viel mehr von bekannten Persönlichkeiten geschehen. Diethard Schmidt-Holzhüter

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