Wagners Bühnenweihfestspiel passt mit seiner religiösen Thematik zweifellos hervorragend in den Passionsspielort Erl, allerdings übertreibt es Regisseur Philipp M. Krenn mit dem gravitätischen Zeremoniell rund um den Gral. Orchestral bleiben dank einer opulenten Besetzung freilich keine Wünsche offen: Eine wahre Wagner-Wonne! Jonas Kaufmann gab einen ziemlich coolen Titelhelden.
Bildquelle: Xiomara Bender
Friedrich Nietzsche hat Richard Wagner den "Parsifal" bekanntlich niemals verziehen und sprach von "Giftmischerei", weil er entsetzt war über die Frömmelei der Gralsritter und das sakrale Brimborium. Gewiss hätte ein Besuch der Tiroler Festspiele in Erl den Religions- und Weihrauchverächter Nietzsche ganz besonders gegruselt, denn dort beginnen im Mai die diesjährigen Passionsspiele. Da passt der meditative "Parsifal" natürlich thematisch hervorragend hinein, und der österreichische Regisseur Philipp M. Krenn und sein Videokünstler Thomas Achitz ließen es sich auch nicht nehmen, das spektakuläre Passionsspielhaus aus dem Jahr 1959 in ihrer Inszenierung optisch gebührend zu würdigen.
Zwar wurde der "Parsifal" im Festspielhaus gleich nebenan aufgeführt, doch der Bezug zur Passion liegt auf der Hand, zumal sich Krenn nicht wie viele andere Regisseure bemühte, Wagners Bühnenweihfestspiel vom Räucherwerk zu befreien und politisch zu deuten, etwa als Niedergang einer fanatisierten Ordensgemeinschaft. Wo andere dem Musikdrama alles Religiöse und Zeremonielle möglichst austreiben wollen, betont es Philipp M. Krenn sogar noch, was im Passionsspielort naheliegend ist, aber zu einem höchst zwiespältigen Ergebnis führte.
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Es ehrt den Regisseur, wenn er im Programmheft einräumt, der "Parsifal" habe Längen und es sei völlig in Ordnung, im knapp zweistündigen ersten Akt einzuschlafen. Humor beweist er auch: Das Publikum beklatsche am Ende nicht zuletzt sich selbst, und zwar dafür, diesen Wagner-Marathon überstanden zu haben. Die Inszenierung erleichterte das Wachbleiben allerdings leider nicht und war streckenweise unfreiwillig komisch. So wurde ausgiebig in einem Mini-Pool geplantscht. Wasser ist ja bekanntlich nicht nur im Christentum ein ganz wichtiges sakrales Element. Im "Parsifal" geht es viel um eine Heilige Quelle, doch darunter verstehen wohl die wenigsten ein unansehnliches Kneipp-Becken zum Wassertreten, wie es hier vorgeführt wurde.
Im Zentrum des Geschehens stehen ein lässiger Parsifal und eine ruhelose Kundry, die sich ständig tief in die Augen schauen, Sinnbild ihrer Suche nach Erlösung, aber so bieder umgesetzt einfach zu wenig fesselnd und abenteuerlich für diese Langstrecke. Es dominierte das gravitätische Schreiten und Herumstehen in Kulissenteilen, die an überdimensionierte Keltische Harfen erinnerten, wie sie ein bekannter Billigflieger als Markenzeichen hat. Das wirkte in der Ausstattung von Heike Vollmer arg steril und unpoetisch.
Umso großartiger und überzeugender dafür die musikalische Seite der Aufführung: Welches Opernhaus hat im Orchestergraben schon Platz für sieben Kontrabassisten? Phänomenal, die Raumverhältnisse in Erl und eine wahre Wagner-Wonne, diese Riesenbesetzung unter Leitung von Dirigent Asher Fisch zu erleben. Zum Finale wurde das gesamte Orchesterpodium sogar hochgefahren, was wohl ein Ausrufezeichen setzen sollte: Seht her, was wir stemmen können! Ein Orchester wie ein Supertanker, allerdings mit demselben gefährlichen Tiefgang. Etwas schnittiger hätte Asher Fisch schon durch die Partitur schippern können, doch ein Blick auf die Uhr bewies: So langsam, wie es sich teils anhörte, war er gar nicht.
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Intendant Jonas Kaufmann hatte in der Titelrolle vergleichsweise wenig zu singen und wirkte als Heilsbringer im grauen Hoodie eine Spur zu cool, routiniert und unbeteiligt, stimmlich wie schauspielerisch. Herausragend dagegen Georg Nigl als wutschnaubender Gegenspieler Klingsor. Michael Nagy war als Leidensfigur Amfortas von überraschend abgeklärter, ja geradezu eleganter Ausstrahlung. Brindley Sherratt als Gurnemanz meisterte die Riesen-Partie achtbar, wenn auch nicht sonderlich anrührend. Irene Roberts musste als Kundry gleich mehrfach baden gehen, was sie stimmlich verblüffend gut überspielte, obwohl sie dadurch schauspielerisch immer wieder ins Absurde abglitt. "Parsifal" als fromme Pool-Party, das war zwar originell, wurde Wagners monumentalem Alterswerk aber nicht gerecht. Es ist ja keine Wassermusik.
Sendung: "Piazza" am 19. April 2025 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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