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CD - John Eliot Gardiner dirigiert Bachs Matthäus-Passion

John Eliot Gardiner muss nichts mehr beweisen – jedenfalls nicht in Sachen Bach. Seit dem Tod von Nikolaus Harnoncourt ist er der unangefochtene Großmeister der historischen Aufführungspraxis. Nun hat Gardiner Bachs Matthäus-Passion ein zweites Mal auf CD vorgelegt - wie schon in der ersten Aufnahme von 1988 mit seinen Ensembles, dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists.

Bildquelle: Soli Deo Gloria

CD-Tipp 17.03.2017

Der CD-Tipp zum Anhören

Er zieht Bilanz, aber aus einer Position der Freiheit heraus. Vor 29 Jahren erschien Gardiners erste Einspielung der Matthäus-Passion. Es ist nicht irgendeine Aufnahme - bis heute zählt sie zu den schönsten. Dramatische Kraft verband sich damals mit straffen Tempi. Aber auch den innigen und meditativen Momenten gab Gardiner Raum und Aura. Natürlich sammeln sich in fast 30 Jahren viele neue Erfahrungen an. Eingeflossen sind sie in Gardiners große Tournee mit der Matthäus-Passion quer durch Europa im Sommer 2016. Eine Station war die Thomaskirche in Leipzig, der Ort der Uraufführung. Ziel der Reise war die Kathedrale von Pisa - dort wurde die 16. und letzte Aufführung live mitgeschnitten.

Größere Lockerheit und Beweglichkeit

Und das ist der erste große Unterschied zur Studioproduktion aus den 80er Jahren. Natürlich ist das technische Niveau von Chor und Orchester trotz der Livebedingungen perfekt (wobei ja kleine Korrekturen legitimerweise auch bei Livemitschnitten üblich sind). Positiv bemerkbar macht sich die Live-Atmosphäre paradoxerweise in einer größeren Lockerheit und Beweglichkeit. Dazu mag beigetragen haben, dass Gardiner alle Sängerinnen und Sänger auswendig singen ließ. Alle Konzentration sollte der Kommunikation der Musiker untereinander und mit dem Publikum zu Gute kommen.

Etwas ruhigere Tempi

Was sich, vor allem in den Chören, auch auf CD mitteilt. Der Klang ist entspannter als in der früheren Aufnahme, in den Chören weniger wuchtig, die Tempi beweglicher. Es gibt mehr Raum für ein abrundendes Ritardando am Schluss der einzelnen Sätze. Meist sind die Tempi einen Tick ruhiger - wobei Gardiner nach wie vor größten Wert auf Kontraste legt. Einfach umwerfend in ihrer manchmal fast beängstigenden Dramatik sind die Turba-Chöre: Hier zeigt Gardiner, wie Bach die Psychologie einer aufgepeitschten Menge musikalisch in Szene setzt - emotional absolut unentrinnbar.

Einzelne gelungene Arien

Nicht ganz auf dem Niveau der ersten Einspielung bewegen sich die Solisten, die Gardiner in der neuen Aufnahme Bachs Vorbild folgend weitgehend aus dem Chor besetzt. 1988 waren es so wunderbare Sängerinnen und Sänger wie Barbara Bonney, Anne Sofie von Otter oder Michael Chance. Da kann die Solisten-Riege der neuen Einspielung einfach nicht mithalten. Das klingt alles sehr ordentlich und selten herausragend. Wobei durchaus einzelne Arien eindrucksvoll gelingen - etwa das "Erbarme dich" der Altistin Eleanor Minney oder "Komm süßes Kreuz" dem Bassisten Ashley Riches.

Großartiger Evangelist

Auch der Jesus, der ja im ersten Teil der Matthäuspassion eine fast ebenso wichtige Rolle spielt wie der Evangelist, ist in der älteren Einspielung mit Andreas Schmidt überzeugender besetzt. Stephan Loges, der Jesus der neuen Aufnahme, hat zwar prophetische Kraft und emotionale Wärme, aber ein etwas unklares Vibrato. Großartig dagegen die Leistung von James Gilchrist als Evangelist - er beherrscht und verbindet überzeugend alle Register, kann wunderbar klar und mit hervorragendem Deutsch erzählen, aber auch Szenen emotional packend vergegenwärtigen und sich, wo nötig, ereifern.

Theologisch fundierte Gestaltung

Trotz aller Einwände: Vor allem wegen der überragenden, theologisch fundierten und tief in die Poesie der Texte eindringenden Gestaltung der Chöre lohnt auch diese zweite Einspielung. Gardiner zeigt sich darin erneut als großer Bach-Exeget. Bewiesen hat er das schon mit seiner ersten Einspielung - auch sie bleibt nach wie vor aktuell.

John Eliot Gardiner dirigiert Johann Sebastisn Bach

Johann Sebastian Bach:
Matthäus-Passion, BWV 244

James Gilchrist (Tenor - Evangelist)
Stephan Loges (Bassbariton - Jesus)
Monteverdi Choir
English Baroque Soloists
Leitung: John Eliot Gardiner

Label: Soli Deo Gloria

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