Bekannt ist Jean-Jacques Rousseau heute als Philosoph, doch er selbst betonte, dass er "für die Musik geboren" sei. Sein größter Erfolg, das Singspiel "Le Devin du village", ist als Gesamteinspielung auf CD und DVD erschienen.
Bildquelle: © Chateau de Versailes Spectacles
Jean-Jacques Rousseau polarisierte wie kein anderer Denker seiner Zeit: Er forderte, die Kinder zu selbständig denkenden Menschen zu erziehen, und gab seine eigenen ins Waisenhaus. Er kritisierte die alten Zöpfe des Adels, aber ebenso die Scheinheiligkeit der Aufklärer und Vernunftapostel. Für ihn befindet sich der Mensch in einem dauernden Dilemma zwischen Natur und Technik, Ursprünglichkeit und Fortschritt, Instinkt und Vernunft - ein Gedanke, der bis heute aktuell ist.
Trotzdem empfand sich Rousseau nicht in erster Linie als Philosoph, sondern betonte stets, dass er "für die Musik geboren" sei. Und tatsächlich: Auch in diesem Bereich polarisierte er. Sein Intimfeind Jean-Philippe Rameau nannte ihn einen Stümper und Plagiator - vor allem, weil Rousseau sich das Komponieren autodidaktisch angeeignet hatte. Doch sein heiteres Singspiel "Le Devin du village" (Der Dorfwahrsager) war so beliebt, dass es über 70 Jahre lang auf den französischen Bühnen präsent war.
Nun ist die Oper in einer Neueinspielung mit dem Ensemble "Les Nouveaux Caractères" unter der Leitung von Sébastien d'Hérin auf CD und DVD erschienen, aufgenommen im königlichen Opernhaus von Versailles. Denn obwohl Rousseaus brisante Schriften vor der Revolution verboten waren, sein "Devin du Village" gehörte zu den Lieblingsstücken von König Ludwig XV. und Marie Antoinette.
Rousseau orientierte sich musikalisch an der komischen Oper Pergolesis - einer Musik, die leicht war, aber nicht leichtgewichtig, eingängig, aber nicht flach, heiter, aber nicht albern. Attribute, die Rousseau in der französischen Oper seiner Zeit vermisste. Und Attribute die Sébastien d'Hérin und seine Musiker zum Maßstab ihrer Interpretation machen. Mit charismatischer Schlichtheit überzeugen auch die Solisten: Caroline Mutel und Cyrille Dubois als bäuerliches Liebespaar sowie Frédéric Caton als Wahrsager.
Rousseaus "Le Devin du village" ist Musik eines Dilettanten, die keineswegs dilettantisch ist, die ohne Künstelei auskommt, aber dennoch manch überraschende Wendung parat hält - und die zwei Jahre nach Bachs Tod und vier Jahre vor Mozarts Geburt wahrlich in die Zukunft weist.
Jean-Jacques Rousseau
Caroline Mutel, Cyrille Dubois, Frédéric Caton
Les Nouveaux Caractères, Leitung: Sébastien d'Hérin
Label: Chateau de Versailes Spectacles
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 11. November 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK