Der sonnige Soundtrack zum Sommer: Hesperion XXI bringt Musik aus dem Peru des 18. Jahrhunderts wieder zum Tanzen.
Bildquelle: AliaVox
Der CD-Tipp zum Nachhören
Jordi Savall - Bailar cantando
Hier scheint fast immer die Sonne: im Norden von Peru, nur einen Steinwurf entfernt von der Brandung des Pazifik, liegt die Stadt Trujillo. Auf den Trümmern des Inka-Reichs, zwischen Tempelruinen und Königsgräbern, errichteten die spanischen Eroberer ihre Villen, ihre Paläste und die leuchtend gelbe Kathedrale. Die beiden Glockentürme läuteten für Europäer und Indios, für Mestizen und Afrikaner, und wachten über ein riesiges Bistum - von der Küste über die schroffen Berge bis zum Regenwald des Amazonas.
Baltasar Jaime Martínez Compañón hieß der Spanier, den der Papst 1778 zum Bischof von Trujillo ernannte. Dieser Martínez Compañón war nicht nur ein treuer Diener der Inquisition, sondern zugleich ein Anhänger der Aufklärung. Ein Mann mit festen Glaubensgrundsätzen, aber auch einer unbändigen Neugier auf den fremden Kulturkreis. Jahrelang reiste er mit einem Tross aus Wissenschaftlern, Kartografen und Malern durch sein Bistum, beobachtete, staunte, zeichnete, was er sah: die Indiofrauen in ihren farbenfrohen Kleidern; stolze Tänzer mit Hüten und Schwertern; Musikkapellen aus entlegenen Bergdörfern mit Trommeln, Bambus- und Panflöten.
Einige der über tausend Aquarelle kann man im dicken Booklet zur neuen CD von Jordi Savall bewundern. Und legt man die CD ein, erwachen die regungslosen Bilder wieder zum Leben. Denn Martínez Compañón sammelte auf seinen Reisen durch Peru nicht nur Pflanzen und Steine, sondern auch Musik: 20 Lieder hat er aufgezeichnet, zum Tanzen und zum Singen, auf Spanisch, aber auch in den Sprachen der Inka. Sie erzählen von Weihnachten und der Jungfrau Maria, von Liebe und Einsamkeit, von der Schönheit der Mulattin und von der Sehnsucht der afrikanischen Sklaven nach dem Kongo. Keine Frage, Martínez Compañón blickt durch die koloniale Brille - aber nirgendwo sonst kann man die indigenen Musikkulturen so scharf sehen.
Auch Jordi Savall bringt Musiker aus verschiedenen Kulturen zusammen: sein Ensemble Hesperion XXI und die Capella Reial de Catalunya treffen in diesem Live-Mitschnitt auf das Tembembe Ensamble Continuo aus Mexiko. Und "live" bedeutet hier wirklich "lebendig". Einfach toll, wie frei und gelöst hier gesungen, gespielt, getanzt wird, und zugleich mit welcher Genauigkeit und Souveränität. Und bewundernswert, mit welchem Respekt und zugleich mit welcher Fantasie Jordi Savall den Notentext entfaltet: Die Substanz bleibt unangetastet, aber der dürre zwei- oder dreistimmigen Satz des Bischofs von Trujillo wird zur Keimzelle für ein farbenfrohes Anden-Orchester aus Gitarren und Harfen, aus Zampoñas und Posaunen, aus Marimbas und Maracas. So klingt der sonnige Soundtrack zum Sommer. Und beim Hören und Mittanzen wünscht man sich, der Traum von der friedlichen Begegnung der Kulturen wäre nicht nur in der Musik Wirklichkeit geworden.
Baltasar Jaime Martínez Compañón
Ensemble Hesperion XXI, Capella Reial de Catalunya, Tembembe Ensamble Continuo
Bailar cantando. Musik aus dem Codex Trujillo
Label: AliaVox
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 12. August 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK