Früher war sie das Instrument der Bettler, heute hört man sie allenfalls noch auf Folk-Festivals. Aber im 18. Jahrhundert war sogar die Königin von Frankreich ganz vernarrt in die Drehleier. Wenn man Tobie Miller spielen hört, weiß man, warum.
Bildquelle: Ricercar
Die Kostprobe vom 25. Juni 2017
Ensemble Danguy – La belle vielleuse
Die Engländer nennen das Instrument hurdy-gurdy und versuchen mit diesem Wort, den merkwürdig eiernden Klang nachzuahmen. Die Franzosen sagen vielle à roue dazu, "Fidel mit Rad", weil die Saiten von einem gekurbelten Rad zum Schwingen gebracht werden. Und die alten Lateiner sprachen früher von der lyra mendicorum - der Leier der blinden Bettler. In der Tat: die Drehleier galt lange als das Instrument der armen und einfachen Leute.
Zwar haben Mönche sie einst erfunden, aber um ihren Ruf war es trotzdem nicht allzu gut bestellt. In Schuberts "Winterreise" drehte am Schluss sogar der Tod höchstpersönlich die Leier. Nur ein kurzes Zeitfenster gab es in der Musikgeschichte, wo die Drehleier zum Lieblingsinstrument der Schönen und Reichen avancierte: im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Es war die Epoche der belle vielleuse, der hübschen Drehleierspielerin.
Die hübsche Drehleierspielerin, die uns vom Booklet der gleichnamigen CD entgegenlächelt, den Kopf gegen den geschnitzten Kopf ihres Instruments gelehnt, heißt Tobie Miller. Meist verleiht die Kanadierin diversen Mittelalter-Ensembles als Begleiterin im Hintergrund die besondere Note, hier aber tritt sie selbst als Solistin und Ensembleleiterin auf - mit einem außergewöhnlichen Repertoire. Bekanntermaßen gefiel sich der barocke Adel darin, ins Schäfergewand zu schlüpfen und das ach so idyllische Landleben zu idealisieren. Die Hirteninstrumente, die damals gebaut wurden, gaben sich zwar volkstümlich, zeigten aber durch teure Elfenbeinintarsien an, dass sie in Wirklichkeit für den aristokratischen Salon gedacht waren. Der Drehleier fiel dabei meistens nur die Rolle der kleinen Schwester des Dudelsacks zu; aber Tobie Miller erinnert nun daran, dass es um 1750 auch eine ganze Reihe echter Drehleier-Virtuosen gab.
Ravet, Dupuits oder Bâton hießen diese Drehleier-Stars, die in Versailles und im Pariser Concert spirituel auftraten. Sie komponierten anspruchsvolle Kammermusik und Kantaten mit solistischer Drehleier - ganz ohne Dudelsack, dafür mal in zärtlicher Zweisamkeit mit einer Geige, mal mit üppiger Continuo-Begleitung. Tobie Miller erweckt diese vergessenen Delikatessen mit ihrem Ensemble Danguy wieder zum Leben und beweist, dass die Drehleier nicht nur behaglich schnarren kann, sondern auch herzzerreißend säuseln oder atemlos dahinrasen. Und dazu singt Monika Mauch mit solcher Leichtigkeit von Blumen, Vögeln und sanften Winden, dass diese CD zum idealen Begleiter durch einen sonnigen Sommer wird.
Ensemble Danguy: Tobie Miller
Christophe Le Menu de Saint-Philibert; Jean-Baptiste Dupuits; Lous-Claude Daquin; Monsieur Ravet; Michel Corrette; Charles Bâton; Jean-Phlippe Rameau
Label: Ricercar
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 25. Juni 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK