Sie wurde 1987 in Peking geboren und startete schon jungen Jahren zu einer außergewöhnlichen Karriere - mit einem rasant gespielten und auf Video ins Internet gestellten "Hummelflug". Die Rede ist von der Pianistin Yuja Wang, die nach mehreren hoch gelobten Aufnahmen nun mit dem Tonhalle-Orchester unter Lionel Bringuier die beiden Klavierkonzerte von Maurice Ravel sowie die selten zu hörende Ballade für Klavier solo op. 19 in Fis-Dur von Gabriel Fauré einspielte.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
CD Tipp 04.12.2015
Yuja Wang spielt Ravel und Fauré
Das 1931 vollendete Klavierkonzert in G-Dur ist das letzte große Werk Maurice Ravels. Es hat einen eher leichten, musikantisch-sprühenden Charakter. Eine prägende Rolle in diesem Konzert spielen Elemente des Jazz, dem Ravel in den Vereinigten Staaten begegnet war. So vermengt er hier etwa den Blues mit Spielweisen der spanischen Folklore. Dieser delikaten Mixtur verleiht Yuja Wang mit schwindelerregenden Tempi und blitzsauber perlendem Anschlag einen geradezu rauschhaften Charakter.
Gabriel Fauré wurde zu seiner Ballade in Fis-Dur op. 19 durch das Erlebnis von Wagners "Ring" in Bayreuth inspiriert, auch wenn das nicht zu direkten Anklängen an die Musik Wagners führte. Obgleich die Ballade in der Fassung für Klavier mit Orchesterbegleitung einige Berühmtheit erlangte, ist auch ihre wenig bekannte Version für Soloklavier musikalisch und pianistisch höchst reizvoll. Dass sie so wenig aufgeführt wird, liegt nicht zuletzt an ihrer virtuosen Vertracktheit, die selbst für Franz Liszt eine besondere Herausforderung darstellte. Dieser Herausforderung stellt sich Yuja Wang bravourös – mit schlafwandlerischer technischer Sicherheit und einem dramaturgischen Gespür für die vielschichtigen Steigerungsverläufe dieser Musik.
Yuja Wangs Interpretationsstil hat viele Register, die von ätherischer Klarheit bis hin zu einer quirlig wirbelnden Wildheit reichen. Ihr farben- und nuancenreiches Klavierspiel fasziniert auch in Ravels Klavierkonzert für die linke Hand, einem Auftragswerk für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. Das Konzert erzeugt mit seinen raffinierten Klangeffekten den Eindruck eines Klavierwerks für zwei Hände. Während der Klavierpart eher von optimistischem Schwung geprägt ist, kontrastiert der Orchesterpart dazu mit einem zuweilen düsteren Charakter. Trotz seiner zahlreichen Jazz-Anklänge hat das Werk streckenweise eine dunkel-tragische Anmutung und scheint wie "La Valse" von eigenen Kriegseindrücken aber auch von der sich ankündigenden tödlichen Erkrankung Ravels überschattet zu sein.
Es ist hinreißend, mit welcher Verve Yuja Wang und das von Lionel Bringuier feinabgestimmt geführte Tonhalle-Orchester bei aller Brillanz auch filigran ineinander verwobene Melodie- und Motivverläufe subtil modellieren. Fazit: Den beiden noch jungen Künstlern – Yuja Wang ist 28 und Lionel Bringuier 29 Jahre alt – gelingt eine so sympathisch temperamentvolle wie aufregend detailgenaue Einspielung der beiden Klavierkonzerte von Maurice Ravel.
Maurice Ravel:
Klavierkonzert G-Dur
Klavierkonzert für die linke Hand D-Dur
Gabriel Fauré:
Ballade für Klavier in Fis-Dur, op. 19
Yuja Wang (Klavier)
Tonhalle-Orchester Zürich
Dirigent: Lionel Bringuier
Label: Deutsche Grammophon