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CD - Dem Himmel ganz nah Musik aus spanischen Nonnenklöstern

Wie prachtvoll vor 400 Jahren die Vokalmusik spanischer Klosterfrauen geklungen haben muss, das zeigt eine neue CD des Tiburtina Ensemble und der Capella de la Torre.

Bildquelle: Harmonia Mundi

Die Kostprobe vom 17. Juni 2018

Musik aus spanischen Nonnenklöstern

Engelhaft und überirdisch rein verschmelzen die Stimmen der Nonnen. Nichts Schweres, Plumpes, Weltliches mehr gibt es hier, nur Klarheit und Vollkommenheit. Maria, die himmlische Jungfrau, scheint ganz nah.

Männerstimmen durch Blasinstrumente ersetzt

Wie hat wohl eine Marienmesse in einem spanischen Frauenkloster gegen Ende des 16. Jahrhunderts geklungen? Historische Belege zeigen, dass die Nonnen damals großen musikalischen Ehrgeiz an den Tag legten. Zudem gab es auch wirkungsvolle Kniffe, die für kontrastreiche Vielstimmigkeit unerlässlichen tiefen Männerstimmen durch Blasinstrumente zu ersetzen. Auf diese Weise konnten allein mit Frauen-Power voluminöse, lebendige Klangergebnisse erzielt werden.

"Spanischer Palestrina"

Das tschechische Tiburtina Ensemble und die Capella de la Torre auf allerlei historischen Blasinstrumenten und Orgel wagen nun in einer gelungenen CD-Koproduktion mit BR Klassik den Rekonstruktionsversuch einer solchen Messe. Mit Geschmack und liturgischem Einfühlungsvermögen kombinieren sie Gregorianische Gesänge mit der klangprächtigen "Missa vidi speciosam" von Tomás Luis de Victoria. Er, den man oft auch den "Spanischen Palestrina" nennt, wirkte nach kreativen Jahren in Rom bis zu seinem Tod 1611 als Kapellmeister in einem Frauenkloster in Madrid. Somit ist er ein Gewährsmann für die virtuose Musizierpraxis der spanischen Nonnen.

Die höheren Stimmen sind vokal, die tieferen instrumental besetzt. Ergebnis ist ein plastisches, farbenreiches, erstaunlich ausgewogenes Klangbild von berückender Schönheit. Vokal- und Instrumentalstimmen vereinigen sich in Perfektion und Intonationssicherheit zu einem völlig ebenmäßigen Geflecht. Nicht nur die eingefügten Gregorianischen Gesänge werden durch die hohe Kunst des Tiburtina Ensembles veredelt. Wie gleißende Lichtkaskaden in einem dunklen Kirchenraum leuchten die komplex polyphon verwobenen Stimmen: Lobpreis und Anbetung durch Klänge, die selbst bereits göttlich sind.

Vidi Speciosam - A Lady Mass from the 16th Century

Tiburtina Ensemble, Leitung: Barbora Kabátková
Capella de la Torre, Leitung: Katharina Bäuml
Label: Deutsche Harmonia Mundi

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 17. Juni 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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