Wenn Musik schwer zu spielen ist, dann kann das an zwei sehr unterschiedlichen Gründen liegen: An der Menge der Töne und an ihrer Schönheit, an Quantität und Qualität der Noten. Mozarts Klaviersonaten sind schwer - aber nicht unbedingt wegen ihrer technischen Schwierigkeiten. Klar, die sind auch nicht zu verachten, aber doch überschaubar, verglichen jedenfalls mit der im Konzertrepertoire viel beliebteren Virtuosenliteratur des 19. Jahrhunderts.
Bildquelle: Oehms Classics
CD Tipp 19.12.2016
Der CD-Tipp zum Anhören
Gnadenlos sind Mozarts Sonaten gerade wegen der geringeren Menge der Noten. Alles liegt offen, nicht die kleinste Unsauberkeit wird verziehen, nichts bleibt unbemerkt. Aber damit gehen die eigentlichen Schwierigkeiten erst los. Denn die schlimmsten, die absolut unverzeihlichen Sünden bei Mozart sind pedantische Korrektheit und mechanische Perfektion. Und damit sind wir bei Mozarts ganz spezifischer Schönheit. Und, zum Glück, beim Mozart-Spiel des koreanischen Pianisten William Youn: hellwach, lebendig und natürlich.
In Korea ist er geboren, in den USA aufgewachsen, in Deutschland hat er studiert. William Youn, der seit vielen Jahren in München lebt, spielt beim Label Oehms Classics derzeit sämtliche Klaviersonaten von Wolfgang Amadeus Mozart ein. Und auch in der vierten Folge gelingt ihm das entscheidende: Ernst und Spiel in Balance zu halten. Die Genauigkeit, mit der er nuanciert und die Phrasen zum Sprechen bringt, hat nichts Pedantisches, klingt nie bedeutungsheischend oder manieriert. Youn bringt Mozart zum Schweben - doch die Leichtigkeit, die spontane Frische seines Spiels sind alles andere als flüchtig.
Mozarts Klaviersonaten stehen nicht nur im Schatten der ungleich beliebteren Sonaten Ludwig van Beethovens, sondern auch der Klavierkonzerte von Mozart. Und doch sind sie ein gewichtiger Teil seines Werks. Von frühester Jugend bis zwei Jahre vor seinem Tod hat er sich mit der Gattung auseinandergesetzt. Schließlich war das Klavier sein Lieblingsinstrument. Und auch in der intimen Form zeigt er sich, wie in seinen Opern und Klavierkonzerten, als genialer Psychologe. Darauf verweisen schon Tempobezeichnungen wie Andante amoroso. Eine ausgewachsene Liebesarie verbirgt sich dahinter im langsamen Satz der frühen B-Dur-Sonate. William Youn spielt sie mit unaufdringlicher, berührender Innigkeit.
Noch weiter geht Mozart im langsamen Satz einer etwas später entstandenen B-Dur-Sonate Köchel 333. Unversehens manövriert er die Musik in die entferntesten Tonarten, harmonisch zieht es einem sozusagen den Boden unter den Füßen weg. Jedenfalls ist diese Musik, so angenehm sie auch in die Ohren geht, alles andere als harmlos. William Youn hat ein genaues Gespür für Mozarts Hexereien, für die kleinen Unregelmäßigkeiten, die jedes Schema über den Haufen werfen. Und er bringt die emotionale Tiefe dieser nur auf den ersten Blick ungetrübt heiteren Musik ans Licht. Und das ist letztlich viel schwerer und bewundernswerter als aller virtuose Tastendonner.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sonate für Klavier Nr. 3 B-Dur KV 281 (189f)
Sonate für Klavier Nr. 5 G-Dur KV 283 (189h)
Sonate für Klavier Nr. 13 B-Dur KV 333 (315c)
Sonate für Klavier Nr. 18 D-Dur KV 576 "Jagd-Sonate"
William Youn (Klavier)
Label: Oehms Classics