Auf engem Raum ein ganzes Panoptikum menschlicher Gefühle zeigen. Das konnte niemand besser und versierter als Johann Adolf Hasse. Die starbesetzte Einspielung seines barocken Oratoriums "Serpentes ignei in deserto" ist zum Niederknien schön und voller Affekte – und außerdem ein Fest für Countertenöre.
Bildquelle: Erato
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Johann Adolf Hasse war einer der größten Vokalkomponisten der Barockzeit. Kaum einer komponierte so ausgefeilte, raffinierte und charaktervolle Arien und Rezitative wie er. Denn als ehemaliger Opernsänger wusste er genau, was er der menschlichen Stimme zumuten und abverlangen konnte. Seine Opern und Oratorien wurden an den besten Häusern Italiens und Deutschlands gespielt. Und zusammen mit seiner Ehefrau, der berühmten Sängerin Faustina Bordoni, waren die Hasses echte Berühmtheiten der Barockmusik.
Als Einstiegsdroge ins Hasses vokale Wunderwelt drängt sich die eben erschienen Einspielung seines biblischen Oratoriums "Serpentes ignei in deserto" geradezu auf. Obwohl es nur 90 Minuten dauert, bietet es ein Feuerwerk der hohen Stimmen. Denn Hasse komponierte es für eines der berühmten venezianischen Ospidale, in denen der virtuose Musikerinnennachwuchs ausgebildet wurde. Doch Thibault Noally, der mit seinem Ensemble Les Accents die Neueinspielung verantwortet, besetzt die sechs Rollen fast ausschließlich mit Männern. Die einzige Frau unter fünf Countertenören ist die Starsopranistin Julia Lezhneva. In der Rolle des Engels strahlt ihr Gesang von fast überirdischer Schönheit.
Die andere Hauptrolle des Moses, der sein klagendes Volk der Hebräer durch die Wüste führt, übernimmt der französische Virtuose Philippe Jaroussky. Dessen Altstimme ist reifer geworden und bestens geeignet für einen sowohl gebieterischen als auch väterlichen Ton. Herausragend in der der Rolle des Hebräers Josua präsentiert sich auch der brasilianische Sopranist Bruno de Sá. Kein Countertenor singt derzeit höher und virtuoser.
Auch der Australier David Hansen, der Italiener Carlo Vistoli und der Pole Jakub Józef Orlinski machen ihre Sache ausgezeichnet und bieten eine Feier der unterschiedlichsten Affekte von Furcht und Angst bis zu Gottvertrauen und Ergriffenheit. Hasses feuriges Schlangenoratorium um alttestamentarische Plagen ist Bibeloper in Bestform. Gerade wem Vierstundenaufnahmen von Barockopern zu lang sind, wird mit "Serpentes ignei in deserto" bestens bedient. In nur acht Arien und einem Duett zelebriert Vokalmeister Hasse eine Achterbahnfahrt menschlicher Emotionen. Einfach grandios!
Johann Adolph Hasse:
"Serpentes Ignei in Deserto"
Philippe Jaroussky (Countertenor)
Julia Lezhneva (Sopran)
Jakub Jozef Orlinski (Countertenor)
Bruno de Sa (Countertenor)
Carlo Vistoli (Countertenor)
David Hansen (Countertenor)
Les Accents
Violine und Leitung: Thibault Noally
Label: Erato
Sendung: "Piazza" am 04. Januar 2025 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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