Was für einen architektonischen und musikalischen Prunk verbreitete die katholische Kirche doch im 17. Jahrhundert. Besonders imposant in Italien, in Rom, der Stadt der Päpste, kaum weniger aufwändig in Venedig, der Stadt der Dogen. Das Amt des Kapellmeisters an San Marco gehörte zu den einflussreichsten Posten im damaligen Musikleben Europas. Und kaum jemand hat es ähnlich eindrucksvoll ausgefüllt wie Claudio Monteverdi. Der französische Originalklangmusiker Vincent Dumestre hat jetzt mit seinem Ensemble "Le Poème Harmonique" eine rekonstruierte "Marienvesper" mit Musik Monteverdis vorgelegt.
Bildquelle: Chateau de Versailles Spectacles
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Der Marienverehrung war bei dem, was sich im Italien der Renaissance musikalisch abspielte, von zentraler Bedeutung. Mit welcher Inbrunst, welch unfassbarer Kunst die Gottesmutter gefeiert und besungen wurde, davon zeugt Claudio Monteverdis 1610 veröffentlichte "Vespro della beata Vergine". Damals war er noch Musiker am Hof der Gonzaga in Mantua. Später, als Kapellmeister an San Marco in Venedig komponierte er noch unendlich viel mehr sakrale Musik. Das meiste davon bleibt wohl für immer verschollen. Doch was erhalten blieb, ist hinreichend umfangreich und großartig.
Dem französischen Lautenisten und Dirigenten Vincent Dumestre reichte es jedenfalls, um jetzt eine "Vespro della Madonna 1643" zusammenzustellen. Als Quellen dienten ihm zu Lebzeiten und nach dem Tod Monteverdis erschienene Sammlungen mit seiner geistlichen Musik, u.a. die wunderbaren "Selva morale e spirituale". So wie auf dem Album Dumestres und seines Ensembles "Le Poème Harmonique" könnte eine Marienvesper 1643, im Todesjahr Monteverdis, in Venedig erklungen sein. Wie auch immer, was Dumestre vorlegt, ist von atemberaubender Schönheit und Klangpracht. Und ein weiterer Beleg dafür, wie es Monteverdi schon vor mehr als sechshundert Jahren vermochte, mit seiner Musik Emotionen darzustellen – und zu wecken.
Monteverdi war auch ein Meister der Zweitverwertung. Sein ursprünglich einer Oper entstammendes "Lamento d'Arianna" ist jetzt in geistlichem Gewand als "Pianto della Madonna" zu hören. Nicht die verlassene Königstochter Ariadne beklagt die Untreue ihres geliebten Theseus. Vielmehr beweint – nicht weniger ergreifend – die Gottesmutter am Fuß des Kreuzes den ermordeten Gottessohn.
Die hier eingespielte "Vespro della Madonna" hat Monteverdi wahrscheinlich so nie gehört. Macht nichts. Alles, was hier erklingt, hat er gekannt, weil er es komponiert hat, wenn auch für andere Zusammenhänge. Vincent Dumestre ist für das Gespür und die Sensibilität zu danken, mit denen er diese neue – alte – Marienvesper zusammengefügt hat. Umso mehr, als er mit seinem Ensemble "Le Poème Harmonique" die großartige Aufnahme seiner Rekonstruktion gleich mitliefert.
Claudio Monteverdi:
Vespro della Madonna 1643
Le Poème Harmonique
Leitung: Vincent Dumestre
Label: Chateau de Versailles
Sendung: "Piazza" am 07. Dezember 2024 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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