Äolsharfen heulen, Trommeln knattern, sanfte Klavierakkorde wabern - keine Kunstform vereint ungehindert und ungestraft so viele Musikstile wie der Tanz. Vertanzt werden können schlichtweg jede Melodie und jeder Rhythmus. Tanz bewahrt das Alte und kreiert fortwährend Neues, Absurdes, Akrobatisches. Einer der Hauptvertreter dieser kreativen Kunstform kommt aus dem Appenzeller Land, wollte ursprünglich Biobauer werden und heißt Martin Schläpfer. Jetzt kommt ein Dokumentarfilm über den Tänzer und Choreografen in die Kinos: "Feuer bewahren - nicht Asche anbeten".
Bildquelle: Gert Weigelt
Filmtipp:
"Feuer bewahren - nicht Asche anbeten"
Martin Schläpfer ist Chef des Balletts am Rhein, formierte die Compagnie 2009 komplett neu, heimste für seine Stücke viele Preise ein. Im vergangenen Jahr war er mit seiner Compagnie bei der Ballettwoche des Bayerischen Staatsballetts zu Gast. In ihrem neuen Film "Feuer bewahren - nicht Asche anbeten" porträtiert ihn die auf Tanzfilme spezialisierte Regisseurin Annette von Wangenheim.
Ich bin ein Mensch, der unglaublich allergisch ist, wenn ich spüre, es sitzt, es bleibt stehen, es bewegt sich nichts!
Mit einer fast schon widersprüchlichen Gelassenheit drückt Martin Schläpfer aus, was ihn antreibt: die pausenlose Bewegung des Lebens überträgt er in die Sprache des klassischen Balletts. Dass Spitzentanz altmodisch sein soll, hält er für Unsinn. Die Armbewegungen seiner Tänzer sind voller Anmut, die Ausbildung streng klassisch, die Körper der Tänzer die reinsten Muskelpakete. Mit der Tradition im Rücken schafft Martin Schläpfer bewegend Neues, verleiht dem Tanz eine zeitgemäße Ausdruckskraft. Ganz selten tanzten Tänzer sehr lange bei ihm, sagt Schläpfer, der Ruhelose: "Ich hab gerne, wenn´s kommt und geht und wieder und ineinander sich auch schichtet. Wie das Leben halt auch ist."
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Martin Schläpfer als Tänzer | Bildquelle: Gert Weigelt
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"Ein Deutsches Requiem", Choreografie: Martin Schläpfer | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer in seinem Haus im Tessin | Bildquelle: Lennart Speer
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"Feuer bewahren" | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer: "Deep Field" Tänzer: Marlúcia do Amaral, Alexandre Simões | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer: "Deep Field" Tänzer: Chidozie Nzerem, So-Yeon Kim | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer: "Deep Field"Tänzer: Paul Calderone | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer und Hans van Manen bei der Arbeit an "Alltag" | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer: "verwundert seyn – zu sehn" Tänzer: Marcos Menha, Chidozie Nzerem | Bildquelle: Gert Weigelt
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Marlúcia do Amaral und Martin Schläpfer in "Alltag" | Bildquelle: Gert Weigelt
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Martin Schläpfer: "Ramifications" Tänzerin: Marlúcia do Amaral | Bildquelle: Gert Weigelt
Klänge sind das Fundament von Martin Schläpfers Arbeit - in Form von klassischen Melodien: Brahms, Bach oder Schubert. Seine musikalischen Interessen reichen aber bis ins Zeitgenössische - mit der Komponistin Adriana Hölszky hat er im letzten Jahr das Ballett "Deep Field" erarbeitet.
Schläpfer hat seine Compagnie am Rhein innerhalb weniger Jahre zu einem der führenden Ensembles in Europa verwandelt. Viele Preise schenken ihm Anerkennung von offizieller Seite. Daheim am Rhein, wie auch auf Tournee in Moskau, dem Oman, in Israel oder Paris sind die Vorstellungen ausverkauft.Trotz der ansonsten üblichen Sparmaßnahmen im Kulturbereich baut die Oper Düsseldorf/Duisburg ein modernes neues Balletthaus - auf Schläpfers Wunsch. Wer ist das, der so viel bewegen kann mit Bewegung, der so für eine Sache brennt? Die Regisseurin Annette von Wangenheim trägt Antworten zusammen - sie begleitet Schläpfer zu Fuß auf dessen einsame Almhütte in der Schweiz. In Großeinstellung verfolgt man die muskulösen, prallen Waden Schläpfers. Er habe diese Hütte 2008 gekauft, im Tessin, weil er nach etwas suchte "das mir die Ruhe bringt, in den Ferien, in den Sommerpausen im Theater."
Man muss immer Stochern, dass es wieder Flammen gibt.
Ballettdirektor der Deutschen Oper am Rhein: Martin Schläpfer | Bildquelle: picture-alliance / dpa Hier oben hat man einen Blick in die Weite, Wolken rasen über den Himmel, geschmeidig, wie die Körper von Tänzern. Ein Tisch, ein Bett, ein Feuer im Ofen. Mit dem Schürhaken in der Hand philosophiert Schläpfer über Gustav Mahlers vielzitierte Formulierung, die dem Dokumetarfilm über ihn den Titel geschenkt hat: "Feuer bewahren, nicht Asche anbeten. "Man muss immer Stochern, dass es wieder Flammen gibt." - so fasst Schläpfer sein Credo zusammen. In der Abgeschiedenheit der Berge fließt die Zeit langsam und das Wasser eiskalt aus dem Hahn. Schläpfer schreibt, Schläpfer denkt.
Annette von Wangenheim hat Schläpfer ein Jahr begleitet. Sie lässt uns in ihrem Film an seiner freien Zeit teilhaben. Sie verfolgt ihn auf Schritt und Tritt, wenn die Ikone des modernen Balletts, der Niederländer Hans van Manen für Schläpfer ein Ballett über ihn kreiert. Sie experimentiert nicht mit aufregenden Schnitten, sondern spürt Schläpfers Atemrhythmus auf, lässt Schläpfer, Tänzer und Weggefährten zu Wort kommen. Sie geht mit zu Proben im Ballettsaal, in seinem Zuhause am Rhein linst sie Schläpfer in die Bratpfanne, verfolgt ihn beim Kaninchen füttern und wirft zwischen all seinen Katzen einen Blick auf Schläpfers expressive Wandgestaltung. Da tanzen BUCHSTABEN in wilden Farben und Formen. Und immer wieder dazwischen hingekritzelt, wie ein Mantra, Mahlers einprägsame Worte zum Feuer in der Kunst.
Der Funke springt über! Auch wenn man mit Ballett nichts am Hut hat. Annette von Wannenheim porträtiert Martin Schläpfer als einen anregenden, einfühlsamen Künstler, der stoisch wirkt wie ein Philosoph der Antike, dessen Inneres aber glüht wie Magma.
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