Gleich drei Choreographien zeigte am Sonntagabend das Bayerische Staatsballett. Zwei davon waren neu einstudierte Premieren: George Balanchines "Sinfonie in C" zu Musik von George Bizet und Jerome Robbins' "In the Night". Kombiniert wurden diese Klassiker mit einer Uraufführung der kanadischen Choreographin Aszure Barton: "Adam is"
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Symmetrie ist das A und O in der Choreographie von George Balanchine aus dem Jahr 1947. Tänzerinnen in weißen Tellerröckchen drehen akkurate Pirouetten, sie lächeln eisern und schwingen, aufgestellt in Formationen, wie Funkenmariechen die Beine bis zu den Ohren. Das ist klassisches Ballett, wie es sich nicht nur kleine Mädchen erträumen. Mit der "Sinfonie in C" zeigt das Staatsballett das Handwerkszeug des klassischen Tanzes, insbesondere das der Damen, die weit in der Überzahl sind: Spagat im Stehen, flirrende und doch kraftvolle Füße beim Spitzentanz, weit gespannte Arme, wieselflinke Drehungen.
Auf die geballte Frauenpower folgen mit "In the night" von Jerome Robbins und zur Musik von Frédéric Chopin drei Pas de Deux. Verschiedene Stadien einer zwischenmenschlichen Beziehung skizzieren die jeweiligen Tanzpaare: mit weichen, wiegenden Schritten beobachten wir das zarte Kennenlernen. Korrekte Walzerschritte und höfische Anmut symbolisieren die bürgerliche Welt, in der sich das zweite Paar bewegt. Mit abgespreizten Händen und drängelnde Hüftschwüngen kokettiert und bekriegt sich das dritte Paar gleichermaßen. Das feinste, tiefsinnigste der drei Ballette gab es zum Schluß, quasi als Dessert.
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Videoprojektionen eines Ahornwaldes entführen uns in eine nicht näher bestimmbare Wildnis. "Adam is" von Aszure Barton ist ein reines Männerballett und damit eine ganz schön archaische Angelegenheit. Neun Tänzer im schwarz-weißen Leopardenlook formieren sich zu einem Kreis, halten sich an den Schultern, wie Baseballspieler, die ihre Taktik durchsprechen. Auf der linken Bühnenseite hocken im Nebel 180 Quadratmeter Plüsch und 50 Kubikmeter Polystyrol in Gestalt eines gigantisch großen Teddybären. Dieser Bär beobachtet ungeniert die Tänzer in "Adam is". Er kommentiert sogar gelegentlich ihr männliches, affiges Getue im brummendem Singsang.
Er ist die einzige Dekoration auf der ansonsten schwarzen Bühne. Die stark perkussive Musik hat der Kanadier Curtis Mac Donald komponiert. Unmerklich verschmelzen Bärenbrummen mit Bodypercussion und Beatboxen. Schmerzliche Cellosoli und wehmütige Klavierakkorde symbolisieren die verletzliche, melancholische Seite der Männerriege. Zu Trommelwirbeln springen die Tänzer mit angewinkelten Beinen immer wieder in die Luft, als vollführten sie ein steinzeitliches Jagdritual. Fred Feuerstein und Barni Geröllheimer wären gewiss angetan gewesen.
Aszure Barton hat für "Adam is" Klischees und Beobachtungen über Auswüchse der Männlichkeit zusammengetragen: kindische Albernheiten, Wehleidigkeit, Alpahtiergehabe, Kraftmeierei und homoerotische Neigungen. Ihr Adam hat von allem etwas. Und gemäß der hebräischen Bedeutung von Adama, also Erde, lässt die Choreographin ihre Tänzer immer wieder den Erdboden spüren: Sie kugeln sich im Schulterstand, wie beim Breakdance, sie gehen nach Sprüngen sehr tief in die Knie, sie landen auch mal im Spagat und wickeln sich quer über den Boden umeinander herum. Dem Zuschauer lässt Aszure Barton dabei stets Raum für eigene Gedankenspielchen. Sie stupst nur an. Mit kräftigem Applaus bedankte sich das Publikum für Aszure Bartons inspirierende, humorvolle und träumerische Choreographie. Und für die exzellente wie auch mitunter atemlose Verkörperung Adams durch die 9 Tänzer des Bayerischen Staatsballetts.