Fanny & Felix
Die Mendelssohns: Zwei Leben für die Musik
Das Klavier war zwar sein Lieblingsinstrument, aber dennoch komponierte Mendelssohn dafür nur zwei Konzerte. Sie sind selten im Konzertsaal zu hören, doch zu Mendelssohns Zeiten war vor allem das erste ein richtiger Hit. Gemeinsam mit Sylvia Schreiber stellt Lang Lang dieses Starke Stück vor.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die Sendung zum Anhören
In Rom plante Felix Mendelssohn Bartholdy sein Erstes Klavierkonzert. Denn dort fand er die nötige Inspiration und innere Ruhe. Zwar brachte er das Stück noch nicht zu Papier – den Schritt erledigte er nach seiner Rückkehr innerhalb von drei Tagen in München –, aber er hatte die Musik bereits komplett im Kopf. Der Pianist Lang Lang hat das Konzert im Jahr 2003 im Alter von 21 Jahren eingespielt; damals war er genauso alt wie Felix Mendelssohn Bartholdy bei der Uraufführung.
Selbst die traurigen Passagen lassen einem eine Hoffnung.
"Mendelssohns Musik ist so positiv, strahlend, unglaublich hübsch und sehr süß: wie eine wunderbare Schokolade", erklärt der Pianist. "Dieses g-Moll Klavierkonzert ist ungeheuer farbenfroh – so, als ob jeden Augenblick der Frühling um die Ecke käme. Von der Grundeinstellung her ist es positiv. Selbst die traurigen Passagen lassen einem eine Hoffnung. Das liebe ich an diesem Werk, den positiven Blick in die Zukunft. Der junge Mendelssohn schaut mit Leidenschaft auf das, was kommen wird."
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Mit einigen Neuerungen wartet Mendelssohn in diesem Konzert in g-Moll auf. Zum Beispiel lässt das Klavier im ersten Satz nicht lange auf sich warten: Kein dramatisches Orchestervorspiel breitet einen roten Teppich für den Pianisten aus. Schon nach wenigen Takten ist er mit von der Partie! Außerdem spielen Orchester und Klavier miteinander: Themen werden innerhalb der Instrumentengruppen weitergereicht und kommen dann wieder zum Soloinstrument zurück.
Der Pianist Lang Lang | Bildquelle: Detlef Schneider/DG Der langsame Mittelsatz erinnert an ein Mendelssohn'sches "Lied ohne Worte"; den fehlenden Text darf sich jeder beim Hören einfallen lassen – der Magie und Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Lang Lang sagt dazu: "Der zweite Satz ist so magisch, voller Eingebung. Hier kommt der Frühling, und alles wird neu geboren. Im ersten Drittel steckt durch die Einfachheit so viel pulsierende Kraft, es prickelt unter der sanften Oberfläche wie Kohlensäure. Wenn man diesem Satz zuhört, dann fühlt man sich voller Energie." Den dritten Satz lässt Mendelssohn dann mit stolzen, verheißungsvollen Fanfaren beginnen: Wie der Besuch eines mächtigen Herrschers wird der Auftritt des Klaviers angepriesen. Doch dieses gebärdet sich dann kein bisschen aristokratisch, mit ein paar Purzelbäumen kullert es herein, einem Gaukler gleich. Manchmal wirkt es sogar albern und überschwänglich fröhlich. "Der erste Satz und der dritte Satz sind sehr ähnlich, obwohl man das zunächst kaum glaubt", erklärt Lang Lang. "Nur im dritten Satz übertrumpft Mendelssohn alles bis dahin da Gewesene: Denn eine ungezwungene Fröhlichkeit macht sich breit. Es ist so, als ob man ein und dieselbe Person vor sich hätte, nur mit einem ganz anderen Gesichtsausdruck."
Das Klavierkonzert g-Moll war für Mendelssohn ein riesiger Erfolg, schon die Uraufführung riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin, Mendelssohn war das ein wenig peinlich und er hielt sich darum zurück: "Ich wurde lebhaft und lange empfangen. Sie wollten mich nachher hervorrufen und klatschten, aber ich war bescheiden und kam nicht“, vermerkte Mendelssohn am 17. Oktober des Jahres 1831 nach der Uraufführung. Ihm kamen die Reaktionen übertrieben vor. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er in den Musikern Clara Schumann und Franz Liszt prominente und kompetente Fans des Konzertes hatte. Nachlässig und in nur wenigen Tagen sei es geschrieben worden und auch technisch keine Herausforderung, meinte Mendelssohn.
Es ist sehr schwer, dieses einfache Konzert interessant zu spielen.
In diesem letzten Punkt sind sich Mendelssohn und Lang Lang einig: "Es ist kein schwieriges Konzert; viele Studenten, ja sogar Kinder spielen es", führt der Pianist aus. "Aber es ist sehr schwer, dieses einfache Konzert interessant zu spielen, so, dass es prickelt und sprudelt. Aber genau das steckt drin in der Musik, das Quirlige! Schauen wir die Tonart an: g-Moll. Das heißt für mich: Da steckt viel Kraft drin. Immer, wenn ich Moll sehe, dann freue ich mich schon richtig auf das Stück, weil es brodelt und energetisch geladen ist. Man kann also sagen, die größte Herausforderung liegt im Vermitteln der verschiedenen Formen von Energie und damit jenseits aller Technik."
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 g-Moll, op. 25
Lang Lang (Klavier)
Chicago Symphony Orchestra
Leitung: Daniel Barenboim
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Das starke Stück" am 09. Februar 2021, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK