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Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 2

Lange bevor sich Franz Liszt 1848 in Weimar niederließ, begann er an zwei Klavierkonzerten zu schreiben. Erste Skizzen zum Konzert in Es-Dur stammen aus dem Jahr 1830, zum Zweiten in A-Dur von 1839. Und doch zogen sich Entstehung, Umarbeitung und Fertigstellung dieser Konzerte noch viele Jahre hin. Vom Zweiten Klavierkonzert ist der Pianist Francesco Piemontesi seit seiner Kindheit fasziniert, und seit vielen Jahren gehört es zu seinem Repertoire.

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Das starke Stück zum Anhören

"Von einzelnen Sätzen kann man in diesem Konzert nicht sprechen. Ich würde eher den Begriff 'Teile' benutzen. Der Mittelteil ist wunderbar, vor allem die Cello-Kantilene - wie Cello und Klavier kommunizieren, wie opernhaft das Ganze ist. Also ich finde, dazu könnte auch Joan Sutherland singen. Das ist eine wunderbare Belcanto-Stelle, die bestimmt aus Liszts Beschäftigung mit Italien resultiert."

Dies sagt Francesco Piemontesi zu Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 2 in A-Dur, das der Komponist als einsätziges "symphonisches Konzert" verstand, wie der ursprüngliche Titel des Werks belegt: "Concert symphonique". "Und dann die ganze Energie, die sich in den letzten Minuten noch aufbaut, wo Klavier und Orchester fast förmlich explodieren am Ende vom Stück – das ist auch wirklich sehr eindrucksvoll für mich, jedes Mal, wenn ich das Stück aufführe", schwärmt der Pianist.

Es staut sich eine Masse an Kraft und Energie, die wirklich einmalig ist.
Francesco Piemontesi

Weimar als Zentrum von Liszts Klavierschaffen

Möglich, dass sich Franz Liszt sein Leben beschaulicher vorgestellt hatte, als er sich 1848 als Kapellmeister nach Weimar verpflichtete und dort vor allem seine Symphonischen Dichtungen komponierte. Aber inspirierend war diese Zeit auf jeden Fall. Denn der Kern seines Klavierschaffens entstand in Weimar: die h-Moll-Sonate, die Dante-Fantasie, die "Études d'execution transcendante", um nur einige zu nennen. Und nicht zuletzt vollendete Liszt in Weimar, nach einem Prozess schier endloser Umarbeitungen, auch seine beiden bereits zuvor konzipierten Klavierkonzerte.

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Liszts romantische Seite

Zwei Jahre nach dem Ersten Klavierkonzert in Es-Dur fand dort 1857 die Uraufführung des Zweiten Klavierkonzertes in A-Dur statt. Dieses Werk zeigt im Gegensatz zum Ersten auch die lyrisch-empfindsame, romantische Seite der Liszt'schen Natur, ohne dabei temperamentlos zu sein. Der 1983 in Locarno geborene Francesco Piemontesi liebt das Zweite Klavierkonzert seit über 20 Jahren.

Die Kunst des Spannungsbogens

Francesco Piemontesi | Bildquelle: © Marco Borggreve Francesco Piemontesi | Bildquelle: © Marco Borggreve Liszts Klavierkonzert Nr. 2 stellt eine interpretatorische Herausforderung dar, weil es nur einige wenige originelle thematische Ideen immer wieder neu verarbeitet. Deshalb besteht die Kunst des Interpreten darin, trotz aller spieltechnischer Schwierigkeiten, den großen musikalischen Spannungsbogen zu gestalten. Dem Pianisten Francesco Piemontesi gelingt es, dem Werk Leben einzuhauchen, indem er mit seinem Spiel eine ganz eigene Geschichte erzählt. Es ist nie ein und dieselbe, denn die dämonischen Aspekte von Franz Liszt bieten ihm viel Abwechslung: "Ich habe natürlich zu jedem Stück, das ich spiele, eine Geschichte, die ziemlich privat ist. Die teile ich auch nicht gerne mit, aber es gibt sie", sagt Piemontesi. "Dieses Stück hat natürlich viel mit Liszt als Person zu tun, man kann Teile seiner Biographie erkennen. Liszt war ein bisschen alles: Er war ein Teufel und am Ende dann doch ein Priester. Er hat alles in seinem Leben durchlebt. In den martialischen Momenten seiner Musik kann man sich gut vorstellen, wie sehr er sich in der Rolle des Helden gefallen hat. Demgegenüber kann man sich in den spirituellen Momenten gut den alten Liszt als Abt in Rom ins Gedächtnis rufen. Er konnte vielleicht diese verschiedenen extremen Charaktere so wunderbar mit seiner Musik ausdrücken, weil er sie alle in sich hatte."

Er war ein Teufel und am Ende dann doch ein Priester.
Francesco Piemontesi über Liszt

Hundertzprozentiges Vertrauen

Francesco Piemontesi ist es ausgesprochen wichtig, dass er mit einem Orchester einen gemeinsamen Atem findet, um eine reizvolle Innenspannung aufzubauen. Ihm geht es um die totale Gegenwärtigkeit im Konzert. Die Interpretation, das Zusammenspiel ist das Ziel - nie die Selbstdarstellung, die der Komponist dem Pianisten bieten könnte. "Man muss so viel Vertrauen in den Dirigenten haben, dass fünzig Prozent des Geschehens in seinen Händen liegt", erläutert er. "Man muss sich hier wirklich blind auf seine Partner verlassen, und das ist natürlich etwas, was relativ selten passiert."

Viele Kontraste auf engem Raum

Ehemalige Hofgärtnerei am Eingang zum Hofpark; 1869-1886 von Liszt bewohnt. Photochrom, um 1890/190 | Bildquelle: picture alliance / akg-images Das Liszthaus in Weimar. Hier lebte Franz Liszt von 1869 bis zu seinem Tode. | Bildquelle: picture alliance / akg-images Besondere Aufmerksamkeit erfordern nach Auffassung von Francesco Pienmontesi die extremen Wechsel in den Stimmungen: "Der erste Teil bildet eine Art poetische Einführung. Dann kommt relativ bald, nach einer kurzen Überleitung, ein ziemlicher diabolischer Teil, danach wieder lyrische Stellen. Dieses Wechseln zwischen dem Diabolischen, Heldenhaften und Spirituellen ist doch sehr extrem. In einem Werk von 22 Minuten Spieldauer so viele Kontraste in so kurzer Zeit zu haben, das ist in der Konzertliteratur wirklich sehr selten. Hier liegen meiner Meinung nach die Hauptschwierigkeiten."

In der ersten Kadenz schaltet man am besten für ein paar Sekunden sein Gehirn aus und lässt die Finger laufen.
Francesco Piemontesi

Francesco Piemontesi ist kein ängstlicher oder nervöser Mensch, doch es gibt eine sehr heikle Stelle, vor der er Respekt hat, wenn er am Konzertabend auf den Klavierstuhl sitzt: "Zwischen der Einführung und dem ersten dämonischen Ausbruch kommt die erste Kadenz, die pianistisch wirklich sehr, sehr schwer ist. Da schaltet man am besten für ein paar Sekunden irgendwie sein Gehirn aus und lässt die Finger laufen. Meistens funktioniert das auch sehr gut."

Extreme Anforderungen – hoher Adrenalinspiegel

Im Laufe der Jahre hat Francesco Piemontesi Liszts A-Dur Konzert über zwanzigmal gespielt. Er versucht, es mehrmals pro Saison einzuplanen. Doch immer, wenn er dieses vielschichtige Werk mit seinen dämonischen Aspekten im Konzert aufgeführt hat, braucht er eine lange Regeneration. "In der Regel kann ich erst sehr spät danach einschlafen. Der Adrenalinspiegel ist wahnsinnig hoch bei so einem Werk, denn wenn man sich auf solche Extreme konzentrieren muss, dann wird man selbst auch ein bisschen davon beeinflusst. Da muss man anschließend ganz langsam wieder 'runterkommen auf den Boden. Daher ist es auch so wichtig, dass man dieses Stück nicht ständig spielt."

Musik-Info

Franz Liszt:
Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur


Francesco Piemontesi (Klavier)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Andrew Manze

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