Am 22. Oktober ist Hans Zender im Alter von 82 Jahren gestorben. Das teilte die Bayerische Akademie der Schönen Künste mit und wurde vom Verlag Breitkopf & Härtel bestätigt. Zender gehörte zu den führenden Köpfen der Neuen Musik in Deutschland – als Komponist ebenso wie als Dirigent. Neben seinem Engagement für die Avantgarde hat er sich auch stets schöpferisch mit der musikalischen Tradition auseinandergesetzt.
Bildquelle: © Astrid Ackermann
Der Nachruf zum Anhören
Hans Zender wurde über die engeren Kreise der Neuen Musik hinaus vor allem durch seine Bearbeitung von Schuberts "Winterreise" bekannt. "Eine komponierte Interpretation" nannte er seine Auseinandersetzung mit Schubert, die zum Welterfolg wurde. Unmittelbar nach der Uraufführung und seitdem pausenlos habe er Post bekommen von Leuten, die an Schulen arbeiten. "Und die sagen: Dieses Stück schlägt bei uns wie eine Bombe ein," erzählte Zender, ebenso stolz wie erstaunt: "Es ist immer wieder zu sehen, dass Schüler, die dieses Stück gehört haben, anschließend zum ersten Mal in ihrem Leben freiwillig in ein klassisches Konzert gehen."
Nicht nur als Komponist fühlte sich Zender zu Schubert hingezogen, auch als Dirigent. Er war Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken und Generalmusikdirektor in Hamburg, Kiel und Bonn. Bis hin zu Strauss und Mahler war es über Jahrhunderte der Normalfall, dass Komponisten auch als ausübende Musiker auftreten. Im heutigen Musikleben ist eine Doppelkarriere als Komponist und Dirigent eher die Ausnahme. Diese Trennung hielt Zender für eine sehr problematische Entwicklung im 20. Jahrhundert: "Ich habe meinen Kompositionsschülern immer gesagt: Es ist sehr wichtig, dass ihr ein Instrument nicht nur konzertreif beherrscht, sondern auch öffentlich spielt, damit ihr überhaupt merkt, was das ist, wenn Musik auf dem Podium 'passiert'."
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Schubert / Arr. Hans Zender : Winterreise - Pregardien /Klangforum Wien
"Die Sinne denken“ – dieses Motto des Philosophen Georg Picht machte sich Zender in seiner Musik zu eigen: Mag auch jeder Ton sorgfältig durchdacht sein – Urphänomen der Musik ist und bleibt der Klang, und der zielt auf die Sinne. Dieses unmittelbare Erlebnis des Klangs, der das Hören zum Abenteuer mit offenem Ausgang macht, war Ausgangspunkt und Ziel des dirigierenden Komponisten und des komponierenden Dirigenten Hans Zender.
Als Schüler von Bernd Alois Zimmermann hat er nie zur vordersten Front der Avantgarde gehört. Auf wohlige Klangschwelgereien hat er sich allerdings ebenso wenig eingelassen. Drei Opern hat er geschrieben, darunter "Stephen Climax" nach James Joyce und "Don Quijote" nach Miguel de Cervantes, Kammermusik für alle Besetzungen, Vokal- und Orchestermusik. Zenders Kreativität galt allen Gattungen. Und er hat sein Können an die junge Generation weitergegeben: Zu seinen Kompositionsschülern zählen Isabel Mundry und Hanspeter Kyburz. In seinem Spätwerk hat sich Zender intensiv mit der natürlichen Obertonreihe beschäftigt: weg von der temperierten Stimmung des Klaviers, hin zu den reinen Intervallen der Naturtonreihe.
Am 22. November 2019 ab 20:00 Uhr im Herkulessaal der Residenz München
Die musica viva des Bayerischen Rundfunks veranstaltet in Gedenken an Hans Zender ein Konzert mit Werken von Hans Zender und Klaus Ospald.
Programm:
Klaus Ospald:
"Más raíz, menos criatura"
für Orchester, Klavier und achtstimmigen Kammerchor auf einen Text von Miguel Hernández
Aufführung anlässlich der Verleihung des Happy New Ears-Komponistenpreises der Hans und Gertrud Zender-Stiftung an Klaus Ospald.
Hans Zender:
"33 Veränderungen über 33 Veränderungen"
Eine "komponierte Interpretation" von Beethovens Diabelli-Variationen für Orchester
Deutsche Erstaufführung der Neufassung
Ich verdanke der japanischen Kultur unendlich viel an geistigen Anregungen.
Stark beeinflusst wurde Zender auch von der Musik des Fernen Ostens, vor allem Japans. Auslöser war eine Japan-Tournee 1972: "Da ist der Eindruck der alten japanischen Kultur wie eine Lawine über mich hereingebrochen. Ich habe einige Nō-Theater-Aufführungen gesehen und viele Tempel besichtigt. Dann habe ich mich mit der japanischen Kalligraphie sehr stark beschäftigt. Insgesamt verdanke ich dieser Kultur unendlich viel an geistigen Anregungen." Was Zender in der Kultur des Fernen Ostens suchte, in der Kalligraphie und im japanischen Zen-Buddhismus, war die Kraft der Meditation. Sammlung, nicht Zerstreuung suchte Zender in der Musik. Ihm ging es um den konzentrierten, verdichteten Augenblick, in dem ein Klang entsteht – ein Moment, der nur vor dem Hintergrund der Stille seine magische Kraft entfaltet.
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Hans Zender: Canto II (1969)
Diese Lust am konzentrierten Hinhören war vielleicht der stärkste Antrieb des Musikers Hans Zender. Sein Credo war: "Der Künstler hat einen gesellschaftlichen Auftrag: Wir müssen etwas in unserem modernen Bewusstsein wieder anregen, was unterentwickelt und ins Abseits geraten ist – nämlich das, was wir mit einem alten Begriff die 'geistige Ebene' der Kunst nennen würden."
Sendung: "Leporello" am 23. Oktober 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
"Horizonte" am 29. Oktober 2019 ab 22:05 Uhr
In memoriam Hans Zender
Kommentare (1)
Freitag, 25.Oktober, 12:42 Uhr
Dieter Kuhn
Han Zender
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Ich war mit seinem Bruder Stefan befreundet und war daher sehr häufig im Hause Zender in Wiesbaden. (Sein Abitur machte er an der Gutenbergschule in Wiesbaden)
Als Mitglied eines Chors der Dreifltigkeitskirche in Wiesbaden, stand ich immer wieder fasziniert neben der Orgel, wenn Herr Zender irgndeine "Tocata und Fuge" am Schluß eines Gottesdienstes spielte. Es war auch immer wieder beeindruckend, dass die Besucher der hl. Messe nach der Liturgie, dem virtuosen Orgelspiel von Hans Zender bis zum Ende seiner Zugaben lauschten.