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Helmut Lachenmann zum 85. Geburtstag Mit Volldampf ins Unbekannte

Helmut Lachenmann hat fünfzig Jahre Musikgeschichte mitgeprägt und war einer der ganz wichtigen Vordenker der Avantgarde. Angefangen hat er als Lieblingsschüler von Luigi Nono, dann entwickelte er einen sehr eigenen Stil, der von Geräuschen geprägt war. Am 27. November feiert Helmut Lachenmann, der als Sohn eines evangelischen Pastors in Stuttgart geboren wurde, seinen 85. Geburtstag.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Ein Porträt

Helmut Lachenmann zum 85. Geburtstag

Auch mit über achtzig Jahren ist Helmut Lachenmann noch immer für eine Überraschung gut. Da schreibt er einen witzigen, bissigen, melodienseligen Marsch – und stürzt alle in heillose Verwirrung, die seinen Stil zum Dogma erhoben hatten. Denn eigentlich gilt Lachenmann doch als Guru der Schab- und Kratzgeräusche. Doch nun wird seine Musik zum Skandal, nicht weil sie so schräg klingt, sondern so eingängig. "Mir macht überhaupt Spaß Spaß. Aber als Komponist mach ich ernst!" So lautet einer seiner oft zitierten Kernsätze.

Die fatale "Marche fatale"

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Staatsorchester Stuttgart - "Marche fatale" für großes Orchester von Helmut Lachenmann | Bildquelle: Staatsorchester Stuttgart (via YouTube)

Staatsorchester Stuttgart - "Marche fatale" für großes Orchester von Helmut Lachenmann

Atemgeräusche werden Musik

Ernst gemacht hat Helmut Lachenmann wie kein Zweiter: Er hat die Musik noch einmal ganz neu erfunden, er hat neu darüber nachgedacht, was Musik eigentlich ist. Ob er dabei den Bogen fest auf die Cellosaiten presst, ob er mit den Fingernägeln über die Klaviertasten rattert oder ob er in seinem neuesten großen Werk "My Melodies" aus den Atemgeräuschen von acht Hornspielern Musik macht – keiner hat die Klangwelt der Orchesterinstrumente so erweitert wie Lachenmann, keiner ist dabei so risikofreudig ins Unbekannte vorgestoßen wie er. "Ein Komponist, der genau weiß, was er will, der will doch nur das, was er weiß", sagt Lachenmann. Auch dieser Satz wird gern zitiert.

Ein neues Hören

Als Instrumentenquäler haben ihn früher viele beschimpft. Dabei waren seine Experimente nie Selbstzweck. Denn es ging Lachenmann weniger um neue Klänge als um ein neues Hören. Wer sich darauf einlässt, wer sich konzentriert und seine Wahrnehmung schärft, wird von Lachenmanns Musik existentiell getroffen. "Die große Musik, die hat provoziert im Sinne einer menschlichen Einladung, sich zu öffnen, sich zu verändern, seine Möglichkeiten zu entdecken und dabei eben hellhörig zu werden" – so der Komponist.

Interview mit Lachenmann zu seinem "Mädchen mit den Schwefelhölzern"

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Interview mit/with Helmut Lachenmann über/about Das Mädchen mit den Schwefelhölzern | Bildquelle: Ruhrtriennale (via YouTube)

Interview mit/with Helmut Lachenmann über/about Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

Widerborstig, aber bereichernd

Endgültig hellhörig wurde die Musikwelt, als 1997 Lachenmanns Oper “Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ uraufgeführt wurde. Über zwanzig Jahre lang hatte er sich mit diesem Musiktheaterstück beschäftigt. In seiner Oper verknüpft er Andersens Märchen vom zündelnden Mädchen mit Texten der RAF-Brandstifterin Gudrun Ensslin. Kurz vor der Vollendung wurden ihm sämtliche Skizzen aus dem Auto gestohlen. Dank Fernsehfahndung bekam er sie wieder – ein Glücksfall für die Musikgeschichte. Denn Lachenmanns Oper ist grandioses, fesselndes, epochemachendes Hörtheater. Heute wird Helmut Lachenmann als Klassiker gefeiert – für sein Werk, das nicht oberflächliches Entertainment ist, sondern vielschichtige, oft widerborstige, aber gerade deshalb bereichernde und beglückende Kunst. Wie sagt Lachenmann so schön? "Happy ist was anderes als glücklich. Die Unterhaltungsmusik soll happy machen. Und die Musik von Bach macht mich nicht happy, aber sie macht mich glücklich."

Sendung: "Allegro" am 27. November 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 26.November, 18:32 Uhr

Wilfried Schneider

HELMUT LACHENMANN ZUM 85. GEBURTSTAG

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!! Gerne würde ich mich mit Ihnen einmal streiten, aber dazu bin ich wohl ein zu kleines Licht. Trotzdem: Ihre Musik fasziniert mich, auch wenn ich Ihnen manchmal nicht folgen kann. Aber das wird schon noch. Zuhören und Maul halten, das gilt wohl für alle Zuhörer neuer Musik, habe ich von Rainer Kunad gelernt.

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