Wer ein Instrument spielt, profitiert davon auch als Mensch, davon ist Julia Fischer überzeugt. Die musikalische Bildung von Kindern liegt der Stargeigerin schon lange am Herzen. Wenn Kinder miteinander musizieren, kann das möglicherweise sogar der Grundstein für eine bessere Gesellschaft sein. Einer der Gründe, weshalb Julia Fischer nun ein eigenes Kinderorchester gründet. Unterstützt wird sie unter anderem von Johannes X. Schachtner, der die Proben mit leiten wird. BR-KLASSIK hat mit beiden über ihre Motivation zu dem Projekt gesprochen.
Bildquelle: Felix Broede
BR-KLASSIK: Julia Fischer und Johannes X. Schachtner, erinnern Sie sich noch daran, wie Sie zum ersten Mal im Orchester gespielt haben?
Julia Fischer: Das erste Mal im Orchester gespielt habe ich bei der Sommerakademie in Altensteig. Da war ich acht oder neun Jahre alt und etwas überfordert. Ich konnte die Pausen nicht richtig zählen und habe mich immer an meine Nachbarin drangehängt, die das konnte. Dann habe ich natürlich auch im Schulorchester bei mir im Gymnasium in Gauting mitgespielt, wo ich auch Johannes kennengelernt habe, der zwei Klassen unter mir war. Jedenfalls ist es bis heute so, dass ich wahnsinnig gerne im Orchester mitspiele.
BR-KLASSIK: Meistens stehen Sie aber ja als Solistin vorne.
Julia Fischer: Ja, aber ich war jetzt zum Beispiel auf einer Asien-Tournee, wo ich im ersten Teil des Konzerts Mendelssohns Violinkonzert gespielt habe. Im zweiten Teil hat Vladimir Jurowski Brahms' Zweite Symphonie dirigiert, da habe ich im Orchester mitgespielt. Und das macht mir wahnsinnig Spaß, weil ich sehr viel dabei lerne.
BR-KLASSIK: Und wie war das bei Ihnen, Herr Schachtner?
Johannes Schachtner: Ich glaube, meine erste Orchestererfahrung war in der Kirche, weil mein Vater Kirchenmusiker war. Als Jugendlicher hatte ich hauptsächlich Trompete gespielt. Insofern saß ich dann als Trompeter in irgendeiner Mozart-Messe, wo es auch hauptsächlich um Zählen und um Pausen geht. Das begleitete mich dann sehr lang, bis ich dann als Jugendlicher zu etwas größeren Orchesterwerken vordringen durfte, wo man als Trompeter eine sehr exponierte Stellung hat. Und ich habe eine tolle Erinnerung an die Zeit, wo ich wirklich viel Orchester gespielt habe. Es macht einfach Riesenfreude, in einem so großen Apparat mitzuwirken.
BR-KLASSIK: Diese Freude und Begeisterung wollen Sie jetzt weitergeben. Sie sind gerade dabei, die "Kindersinfoniker" zu gründen. Es gibt ja schon viele Kinder- und Jugendorchester an Schulen oder Musikschulen. Warum jetzt ein eigenes?
Julia Fischer probt mit ein paar jungen Geigerinnen. | Bildquelle: kindersinfoniker.de Julia Fischer: Das hängt damit zusammen, dass ich in Gauting, wo wir wohnen, viele Familien mit Kindern kenne, die ein Instrument spielen. Ich mache jede Woche für sechs kleine Geigerinnen eine Gruppenstunde bei mir daheim, und die sind jetzt so weit, dass sie auch weiter in einem Orchester spielen sollten. Und aus dieser Gruppe entstand die Idee, jetzt ein Orchester zu gründen. Und dann hab ich Johannes gefragt, ob er mitmacht und das Orchester dann auch leitet. Denn bei so einem Kinderorchester ist der Dirigent schon auch sehr sehr wichtig. Das funktioniert nicht ohne. Man braucht jemanden, der es leiten und auch mit den Kindern umgehen kann.
Der Rhythmus ist das Wichtigste, um ein Orchester funktionieren zu lassen.
BR-KLASSIK: Was braucht es denn, um Kinder zu dirigieren?
Johannes Schachtner: Ich glaube, man braucht vor allem eine große Klarheit darin, was man will. Vielleicht muss man auch noch mehr Grundlagen erklären. Aber im Prinzip ist es doch meistens frappierend: Je ernsthafter und seriöser man die Arbeit macht, umso mehr wird das dann von den Kindern angenommen und auch umgesetzt. Trotzdem muss der Umgangston bei den Kindern natürlich ganz anders sein. Auf jeden Fall ist das Ergebnis dann auch tatsächlich erstaulich ernsthaft.
BR-KLASSIK: Sie sind auch Komponist. Werden die Kinder dann auch Stücke von Ihnen spielen?
Johannes Schachtner: Das ist nicht meine Hauptausrichtung für dieses Projekt. Ich leite ja auch ein Jugend-Ensemble speziell für Neue Musik. Da habe ich ganz tolle Erfahrungen gemacht, einfach auch für die wirklich schwierige Literatur. Ich freue mich aber auch, dass es jetzt ein bisschen Abrundung gibt ins ganz normale romantische, braocke oder klassische Repertoire.
BR-KLASSIK: Nun haben Sie das Repertoire schon genannt. Entspricht das auch Ihren Vorstellungen, Frau Fischer?
Die Kindersinfoniker sollen im September 2019 zunächst als Streichorchester starten. | Bildquelle: kindersinfoniker.de Julia Fischer: Dadurch, dass wir mit Streichorchester anfangen, sind wir im Repertoire ein bisschen begrenzt. Wir werden im ersten Programm sicherlich etwas Barockes haben. Daran kommen wir gar nicht vorbei. Aber wir sind beide neugierig und gucken auch, was es sonst so gibt für die Kinder. Wir sind natürlich auch durch das Level der Kinder eingeschränkt. Am Anfang geht es erstmal darum, ihnen beizubringen, wie Rhythmus funktioniert. Ich glaube, dass der Rhythmus das Wichtigste ist, um ein Orchester funktionieren zu lassen. Dass ein Kind begreift, dass jede Viertel gleich lang ist, und nur weil ich vier Noten in einer Viertel zu spielen habe, kann diese Viertel nicht länger dauern. Das sind Grundlagen, die man im Solo-Unterricht nicht so gut vermitteln kann wie im Orchester. Denn während ich im Orchester eine Pause habe, spielt der andere weiter. Und während ich spiele, muss der andere zuhören oder mich begleiten. Und ich muss den Respekt haben für die Melodie des anderen, aber auch für die Begleitung des anderen. Und das ist genauso, wie die Gesellschaft selber auch zu funktionieren hat. Deswegen finde ich das so wichtig.
BR-KLASSIK: Das heißt, Ihre Vision ist nicht nur musikalischer Art. Es geht Ihnen auch darum, Werte zu vermitteln für ein gelungenes Miteinander?
Julia Fischer: Absolut. Ich glaube einfach, dass diese Erziehung, die man im Orchester bekommt, für's Leben wichtig ist. Und dass man für sein ganzes Leben etwas daraus mitnehmen kann. Auch deswegen wollen wir das machen.
BR-KLASSIK: Bei klassischer Musik besteht oft die Gefahr, dass zu viel Druck ins Spiel kommt. Ich denke, Sie kennen das beide, weil Sie den professionellen Weg eingeschlagen haben. Was tun Sie, damit das bei den Kindern jetzt nicht passiert? Es heißt ja auch Musik "spielen".
Johannes Schachtner: Das ist natürlich eine große Herausforderung. Gerade in der klassischen Musik merken wir, dass die Freude eigentlich schon ein bisschen dieses Paradoxe ist: Je souveräner man eine Sache beherrscht, umso mehr Freude kann es dann auch geben. Aber ich glaube, dass es schon auch möglich ist, dass man die Proben so gestaltet, dass die Kinder gerne kommen. Und wenn dann auch das Ergebnis dementsprechend ist, dann haben wir schon viel gewonnen.
Das Angebot richtet sich 6- bis 14-Jährige.
Die Proben finden in Gauting statt.
Probenbeginn: September 2019
Weitere informationen zu den "Kindersinfonikern" finden Sie hier.
Sendung: "Leporello" am 2. Mai 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK