Der Regisseur Peter Konwitschny feierte im Januar 2015 seinen 70. Geburtstag. Mit der Produktion von Wolfgang Rihms "Die Eroberung von Mexiko" unter der musikalischen Leitung von Ingo Metzmacher gab er in diesem Jahr sein spätes Salzburg-Debüt. Andrea Welker hat dem Jubilar einen Bildband gewidmet, der auch eine umfassende Sammlung von Texten wichtiger Weggefährten enthält.
Bildquelle: Bibliothek der Provinz
"Es ist noch zu früh, die Oper abzuschaffen."
Schließlich kann sie immer noch auf den ein oder anderen gesellschaftlichen Missstand hinweisen, auf Fehlentwicklung oder Schieflage. Zum Beispiel die Diskriminierung der Frau! Eine naive Frage von Wagners letztem Helden Parsifal etwa, "Wer ist der Gral?", beantwortet Peter Konwitschny in einem musikalisch magischen Moment mit einer szenischen Idee, die Gänsehaut auslöst: Ohne dass im Libretto davon die Rede wäre, erscheint Kundry, die einzige Frauengestalt des Bühnenweihfestspiels, während der Gralsenthüllung im Gewand der Gottesmutter Maria, als Trösterin der verzweifelten Ritterschaft! Dabei und auch am Ende der Oper wird die Figur, die sonst oft nur fremdbestimmt und ferngesteuert wirkt, entschieden aufgewertet dadurch, dass sie ins Erlösungsgeschehen aktiv eingreift. "Parsifal" hat Konwitschny 1995 für die Bayerische Staatsoper auf die Bühne gebracht, Bilder zur Inszenierung sind in diesem Band großformatig abgedruckt.
Wir Theaterleute können nicht auch noch dafür sorgen, dass Menschen gebildet werden – im Kindergarten, in der Schule, auf der Universität. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber wir sind auf diese Bildung angewiesen. Um Opern oder Theaterstücke zu verstehen, muss man etwas wissen, sonst funktioniert das nicht.
Die Zeilen auf dem Umschlag des Buches sprechen Klartext. Andrea Welker ist eine 525 Seiten umfassende Publikation zu danken, die vom Künstler und vom Menschen Konwitschny erzählt, der in Kindheit und Jugend erschreckend oft wichtige Bezugspersonen verloren hat. Seine früh erfahrene Einsamkeit steuert bis heute die enthusiastisch gestaltete Probenarbeit mit Sängern, die der Regisseur sozusagen als Geschwister-Ersatz erlebt. So werden Bühnenfiguren plastisch modelliert, auch innerhalb der Choristen, deren Namen Konwitschny vor Probenbeginn gern auswendig lernt, um sie später besser motivieren zu können.
Der Leser staunt über die Fülle der Informationen, die er hier erhält. So sieht der Regisseur tatsächlich eine angenehm subversive Kraft darin, dass in der Oper grundsätzlich gesungen wird, das Herz des Hörers ebenso Nahrung erhält wie das Hirn - unabhängig von den Themen, an denen sich die Librettisten abarbeiten. Gespräche mit Dramaturgen wechseln mit Essayistischem, teilweise von Konwitschny selber, teilweise von Fachleuten. Zitate verschiedenster Herkunft setzen als Blickfang und Denkanstoß Akzente. Chronologisch kann man Wirkungsstätten Revue passieren lassen, an etwa zwei Dutzend Opernhäusern hat der Regisseur Spuren hinterlassen. Faszinierend auch: Die blitzgescheiten Werksanalysen Konwitschnys, mit denen er schon immer seine Mitarbeiter mitzureißen verstand. Der Leser darf einen Blick hinter die Kulissen werfen, in die Macher-Perspektive eintauchen. Aus jedem Gedanken, den das Buch festhält, spricht Konwitschnys Leidenschaft für seinen Beruf…
Oper als Zentrum der Gegenwart
Verlag: Bibliothek Der Provinz
2015
Gebundenes Buch mit 525 Seiten
mit Farbabbildungen
Herausgegeben von Andrea Welker
Preis: EUR 48,00