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Wie Weggefährten sich an Leonard Bernstein erinnern "Trying to make the world a better place"

Weltweit wird Leonard Bernstein als herausragender Dirigent, Komponist und Wohltäter geschätzt, der weit mehr war als ein prominenter Musiker: Er wechselte gern die Seiten, übersprang Gräben, wollte sich nicht auf ein Genre festlegen. Vor allem hing Musik für ihn mit Menschen und mit Menschlichkeit zusammen. Wie eindrücklich diese Erfahrungen waren, schildern seine Weggefährten.

Weggefährten, Schüler und Musiker wie Justus Frantz, Florian Sonnleitner, die Sängerinnen Christa Ludwig und Gabriele Weinfurter, der Organist Friedemann Winklhofer, der Kontrabassist Kilian Forster, Bernsteins Assistent Craig Urquhart und nicht zuletzt Tochter Jamie Bernstein erinnern sich an einen außergewöhnlichen Menschen. Ihre Erzählungen setzen das Bild eines Mannes zusammen, der bei allen ein anderer war. In einem Punkt aber sind sich alle einig: Leonard Bernstein liebte nicht nur die Musik, er liebte die Menschen und er liebte die Welt, die er mit seinen Mitteln zu einer besseren machen wollte. Persönliche Erinnerungen an einen Menschen, der bleibende Klänge und Liebe hinterließ, wo immer er war.

Liebe über alles

"Er zeigte mir die Bedeutung der Liebe. Eine bedingungslose Liebe, die zu erfahren ich jedem Menschen wünschen würde. Liebe kennt keine Grenzen, Liebe ist Macht. Das verstand er. Er liebte Musik, er liebte Menschen, er liebte die Natur und sein ganzes Leben war Liebe. Und das ist wahrscheinlich die wichtigste Lektion, die ich von ihm lernte", - so Craig Urquhart, Bernsteins langjähriger Assistent.

Er wollte, dass die Welt eine bessere wird. Auf seine Art kämpfte er für soziale Gerechtigkeit, für die Bürgerrechte, für den Weltfrieden.
Tochter Jamie Bernstein über ihren Vater

Bernsteins Magie

Bernstein nahm sich Zeit für seine Mitmenschen, denn er schottete sich nicht wie andere Prominente von den Menschen ab, sondern öffnete sich allen gegenüber: Er verbrachte Stunden mit seinen Fans, zollte jeder Person Respekt, egal ob Zimmermädchen im Hotel oder Fahrer, oder machte seine "Young People's Concerts" für die ganze Familie zum Erlebnis.

Leonard Bernstein | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Da war diese charismatische Person, die nicht von oben herab zu mir sprach, sondern mich wie einen Gleichwertigen behandelte." (Craig Urquhart) | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Er wollte alles, was ihn faszinierte, auch anderen mitteilen. Deswegen war er ein so guter Lehrer. Du konntest die Begeisterung fühlen, manchmal als käme er aus dem Bildschirm heraus und würde Dich an den Schultern packen: 'Hör Dir das an!' Das war eine seiner größten Fähigkeiten: Seine Gabe, zu kommunizieren und seinen Enthusiasmus mit anderen teilen zu können. In dieser Kommunikation lag so viel von seiner Liebe, man konnte es regelrecht fühlen. Deswegen waren die 'Young People's Concerts' so erfolgreich. Jeder, jung oder alt, konnte diese Energie fühlen, die er verströmte", erinnert sich seine Tochter Jamie Bernstein.

Über die Probenarbeit mit Bernstein

Ungewohnt war Leonard Bernsteins Art zu dirigieren. Und nicht alle wollten sich auf die Eigenheiten einlassen. Waren die deutschen Musiker doch eher Autorität und Disziplin gewohnt, und nicht einen hingebungsvollen, von Emotionen geschüttelten Maestro, der zudem manchmal in seinem Dirigat unberechenbar war. Sehr entspannt ging Bernstein auch mit der Zeiteinteilung um, nicht nur mit den Tempi bei seinen Dirigaten, die oft nach Laune und Stimmung variierten, sondern auch mit den angesetzten Proben. Florian Sonnleitner, von 1977 bis Anfang 2018 Erster Geiger des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, erinnert sich gerne an diese Zeit zurück:

Leonard Bernstein | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Seine Dirigierbewegungen waren äußerst spezielle, die waren mehr ein Tanz." (Gabriele Weinfurter) | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Eine Probe mit Lenny hatte immer was Ritualhaftes. Sie begann nie zum abgemachten Zeitpunkt, sie endete nie zum abgemachten Zeitpunkt. Wenn sie um 10 Uhr anfing, kam um 10 Uhr niemand. Um zehn nach zehn kam ein junger Mann (Craig Urquhart, Anm. d. R.) mit einem Handtuch und mit einem Glas klarer Flüssigkeit und hat das ans Dirigentenpult gestellt. Wir haben immer gerätselt, ob das Wasser oder Wodka war. Und 15 bis 20 Minuten nach Probenbeginn kam Lenny, nein er kam nicht, er zog ein, es hagelte Umarmungen und Küsschen. Er war vom ersten Moment an völlig emotional."

"In jedem Konzert gab es einen kleinen Fehler, wo die intuitive Dirigierart nicht geklappt hat. Ich hab einmal gesagt, er dirigiert wie ein Cowboy, der dem Pferd die Sporen gibt. Und diese Dirigierart hat in jedem Konzert auch einen kleinen Aussetzer gehabt, wo das intuitiv, nicht verstandesmäßig Kontrollierende ganz kurz ausgesetzt hat. Dann hat er große Augen gemacht, war aber sofort wieder im Bilde, hat das Orchster nie in eine Katastrophe geritten."

Diese Fähigkeit, diesen Mut, vollständig aus sich rauszugehen und alles auf eine Karte zu setzen, um der Musik Willen, um des Ausdrucks Willen und sagt: Ich gehe an meine Grenzen, um Menschen zu fangen mit meiner Aussage.
Gabriele Weinfurter

Sendung: "Das Musik-Feature - Trying to make the world a better place" am 25. August 2018 ab 21:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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