Die Diskussionen der letzten Tage waren hitzig. Die Musikerin Ronja Maltzahn wurde von einer Klima-Demo ausgeladen, weil sie Dreadlocks trägt. Ist sowas in Ordnung? Hier erfahren Sie, was dahinter steht.
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Die Entscheidung der Fridays for Future-Aktivisten aus Hannover scheint auf den ersten Blick drastisch. Sie wollten nicht, dass eine Musikerin bei ihrer Demo auftritt, weil sie die falsche Frisur trägt. Doch die Begründung der Klimaaktivisten ist nicht neu und stützt sich auf eine gängige Kritik: Wenn weiße Menschen Dreadlocks tragen, ist das kulturelle Aneignung. Das Problem dabei ist, dass ein vermeintlich modisches Accessoire als ein Teil Schwarzer Kultur übernommen wird, ohne dass die Trägerin oder der Träger das Leid erfahren hat, für das es eigentlich steht.
Zum Verständnis hilft ein Blick in die Geschichte der Dreadlocks. "Dread" - das ist im Englischen das Wort für Furcht. Diese verfilzten Haarsträhnen trugen Menschen zwar schon vor hunderten von Jahren und in den verschiedensten Kulturkreisen: Geistliche bei den Azteken, Hinduisten und bei den islamische Sufisten. Unter dem Namen Dreadlocks wurden sie im 20. Jahrhundert dann aber zum politischen Symbol: In Jamaika entwickelte sich in den 1930er-Jahren die christlich-spirituelle Rastafari-Bewegung. Die Anhänger dieser subkulturellen schwarzen Bewegung wählten die Filzlocken als Ausdruck gegen die Unterdrückung – als ein Zeichen, das in der damals britischen Kolonie bei den außenstehenden Weißen Angst und Ekel provozieren konnte.
Musiker wie Bob Marley machten die Dreadlocks zusammen mit dem Reggae dann in den 1970er-Jahren weltweit populär. Beliebt wurde die Frisur bei weißen Menschen gerade in Kreisen, die sich gegen das Establishment positionierten, wer unangepasst und rebellisch aussehen wollte, trug Dreadlocks. Doch genau aus den linken Kreisen kommt heute auch die Kritik. Dabei geht es vor allem um den Zusammenhang mit Mode und Musik. Wer Dreadlocks trägt, um schön auszusehen – am Ende mit diesem modischen Statement finanziell profitieren will, übernimmt einen Teil schwarzer Kultur, ohne das Leid und die Unterdrückung erfahren zu haben, das hinter dieser Frisur steht. Den theoretischen Unterbau für die Vorwürfe lieferte unter anderem der US-Musiker und Kulturkritiker Greg Tate, der in diesem Zusammenhang von der "fehlenden Bürde" schrieb. Gemeint ist die Bürde der jahrhundertelangen Unterdrückung von Schwarzen, Rassismus und Armut.
Harsche Kritik für das Tragen von Dreadlocks hagelte es schon öfter. Prominente Beispiele sind Popstars wie Lady Gaga oder Justin Biber. Auch die ehemalige grüne Kulturministerin Schwedens, Amanda Lind, bekam für ihre verfilzte Frisur den Beinamen "Ministerin der kulturellen Aneignung". Teil der Debatte ist immer auch die Frage, ob das Tragen von Dreadlocks nicht auch ein Ausdruck von Wertschätzung sein könnte, Respekt und Wissen um die fremde Kultur inklusive. Die Musikerin Ronja Maltzahn, die jetzt von den Fridays for Future-Aktivisten ausgeladen wurde, verteidigte sich und ihre Frisur in einem Social Media-Video damit, dass sie für Toleranz, Gender Equality und Frieden eintrete. Auf ihrem Instagram-Account meldete Maltzahn, dass sie mit Aktivisten von Fridays for Future ein nettes Telefonat geführt habe, "in dem sie sich entschuldigt haben für den unsensiblen Tonfall" in der schriftlichen Absage. Die hitzigen Diskussionen auf Twitter & Co gehen unterdessen weiter.
Kommentare (1)
Donnerstag, 07.April, 19:30 Uhr
Mario
Dreads
Die gleiche Kulturelle Überwachung wünsche ich mir dann auch für Tätowierte.
So, und jetzt an die Arbeit.