Albrecht Mayer malt neue Klangbilder in der Heimat: In seiner neuen CD "Longing for Paradise" spielt er zusammen mit den Bamberger Symphonikern. Paradiesische Musik entstand oft in schweren Phasen im Leben der Komponisten, erzählt der Oboist im Interview.
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BR-KLASSIK: Herr Mayer, Sie sind gerade ein Stück weit zu Ihren Wurzeln zurückgekehrt: Sie haben Ihre neue CD mit den Bamberger Symphonikern aufgenommen. Jetzt spielen Sie bei den Berliner Philharmonikern, waren aber zuerst bei den Bambergern. Ist das eine Heimkehr, die Sie inspiriert?
Albert Mayer: Es ist eine Heimkehr, die mich sehr berührt hat. Obwohl ich seit 27 Jahren in Berlin lebe, sind Bamberg und Franken immer noch meine Heimat. Die Bamberger Symphoniker waren immer schon ein sehr spezielles Orchester: Mit speziellem Ausdruck, Klangformung und einem Selbstverständnis. Ein Weltklassen-Spitzenorchester in so einer kleinen Stadt ist natürlich schon ein Unikum an sich. Sie haben 6.000 Abonnenten, einen tollen Konzertsaal und jetzt auch einen wunderbaren Chef, Jakub Hrůša, mit dem mich auch schon einige wunderbare Konzerte verbinden. Insofern war der Status des Orchesters schon immer speziell. Sie sind ja die ehemalige Deutsche Philharmonie aus Prag und haben sich in Bamberg als Flüchtlingsorchester neu formiert. Es gibt so etwas wie eine Verbindung zu den Berliner Philharmonikern: Wir hatten auch immer so einen Inselstatus. Vielleicht auch durch die Demokratie, die wir pflegen. Dadurch haben wir Dinge erreicht, die andere Orchester, die von anderen verwaltet wurden, nie erreichen konnten.
Richard Strauss fährt fast ein bisschen die Mitleidstour.
BR-KLASSIK: Paradies ist das Thema dieser CD. Das passt gut zu Ihrem Schwärmen über Bamberg. Wie kann Musik Paradiese malen und uns dahin entführen?
Bildquelle: Deutsche Grammophon Albert Mayer: Das ist schnell erklärt: In der gesamten Musikhistorie, etwa bei Bach, Mozart oder Beethoven, kann man sehen, dass Komponisten oft in einer Zeit, in der es ihnen am schlechtesten ging, die sensationellste und wunderschönste Musik geschrieben haben. Natürlich fährt Richard Strauss, der am Ende seines Lebens in seiner wunderschönen Villa in Garmisch saß und vor sich hindenkt, fast ein bisschen, verzeihen Sie den Ausdruck, die männliche Selbstmitleidstour. Er sitzt dort und denkt, er wäre ja schon einer der Größten, wenn nicht sogar der größte Komponist und Dirigent in Deutschland, und jetzt fragt er sich, wer überhaupt noch weiß, wer er ist. Zudem fürchtete er sich davor, von den amerikanischen Soldaten, die ja Garmisch besetzt hatten, auf die Straße gesetzt zu werden. Er hatte auch in den Briefen an seine Freunde davon berichtet, dass er sich mit düsteren Gedanken quält, und er wollte sich in ein Paradies hineinträumen.
BR-KLASSIK: Es war also eine kleine Flucht, die wir ihm aber verzeihen, weil wir so schöne Musik davon bekommen haben. Sie sagen Selbstmitleid: Er war ja wahnsinnig privilegiert, das Land war zerstört, die Juden ermordet, die Städte zerbombt, keiner hatte Nachricht über seine Lieben. Ihm hingegen gings eigentlich gold. Trotzdem diese larmoyante Haltung.
Albrecht Mayer: Wenn Strauss zum Beispiel in seinem "Heldenleben" beschreibt oder vorsichtig andeutet, wie in seiner Familie Konflikte aufkamen oder Kritiker ihn gepiesackt haben, dann kann man sich schon vorstellen, dass der Sprung zum Selbstmitleid bei ihm ein kleiner ist. Aber trotzdem hat er ein absolutes Stück geschrieben, ohne einen Auftrag dafür gehabt zu haben – das muss man betonen.
Zum Oboenkonzert: Die Legende geht ja so, dass der junge amerikanische Oboist John de Lancie zu ihm kam und gesagt hat: "Maestro, Sie haben so wundervolle Musik für Oboe geschrieben. Können Sie vielleicht ein Oboenkonzert schreiben?" Strauss hat das wohl zuerst abgelehnt und trotzdem sofort danach angefangen zu schreiben. Das heißt, er hat vielleicht doch die Inspirationsquelle des jungen Musikers gebraucht und dann ein Stück geschrieben, das lange Zeit als unspielbar galt.
Albrecht Mayer – Tianwa Yang
Montag, 03. Juni 2019, 20:00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz
Albrecht Mayer (Oboe)
Tianwa Yang (Violine)
Liisa Randalu (Viola)
Gabriel Schwabe (Violoncello)
Benjamin Britten: Phantasy für Oboe und Streichtrio op. 2
Wolgang Amadeus Mozart: Quartett für Oboe und Streichtrio F-Dur KV 370 (368b)
Ludwig van Beethoven: Streichtrio G-Dur op. 9 Nr. 1
Sendung: "Allegro" am 22. Mai 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK