Sie ist eine der wenigen Frauen an der Spitze der Musikbranche: Andrea Zietzschmann. Seit 2017 ist sie Intendantin der Berliner Philharmoniker. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Angefangen hat alles mit einem Praktikum beim Gustav Mahler Jugendorchester in Wien. Dort traf sie auf Claudio Abbado – eine folgenreiche Begegnung.
Bildquelle: Stefan Hoederath
Ihr Praktikum begann mit einer Überraschung: einer Audienz bei Claudio Abbado, dem Gründer des Gustav Mahler Jugendorchesters. "Er hat sich erstaunlicherweise die Zeit genommen, die Praktikanten kurz kennenzulernen", erinnert sich Andrea Zietzschmann heute. Eine Viertelstunde lang unterhielten sie sich in der Garderobe, Abbado stellte ein paar Fragen. "Dann bekam ich glücklicherweise die Zusage", erzählt sie. Noch immer ist Zietzschmann dankbar für diesen Einstieg ins Berufsleben. Das Praktikum beim Gustav Mahler Jugendorchester hat ihr viel gebracht: "Ich habe sehr viel gelernt in der Zeit. Und dann noch das Glück, das gleich mit Claudio Abbado machen zu dürfen ... Besser hätte der Start nicht sein können."
Besser hätte der Start nicht sein können.
Die Begegnung mit Abbado wird den Verlauf ihrer Karriere entscheidend prägen. Ihre Begeisterung für Musik hat Andrea Zietzschmann aber schon lange vorher entdeckt. 1970 kommt sie im Schwarzwald zur Welt und wächst in einer Musiker-Familie auf. "Die Musik war neben der Schule einfach so ein bestimmendes Element in meiner Kindheit und Jugend", erzählt sie.
Claudio Abbado gründete 1986 das Gustav Mahler Jugendorchester, wo Andrea Zietzschmann ihr Praktikum machte. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Nach der Schule studiert Andrea Zietzschmann Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und BWL in Freiburg und Hamburg. Auch in Wien wohnt sie teilweise für ihr Studium. Dort absolviert sie auch das Praktikum, für das sie sich bei Claudio Abbado beworben hat. Während des Praktikums organisiert sie Tourneen und sorgt dafür, dass auf der Bühne alles funktioniert. Claudio Abbado ist so angetan von ihr, dass er anschließend mehrere Jahre mit ihr zusammenarbeitet. Die Förderung durch Claudio Abbado weiß Andrea Zietzschmann zu schätzen: "Es ist immer wichtig, dass man Förderinnen und Förderer im Hintergrund hat."
1997 gründet Andrea Zietzschmann das Mahler Chamber Orchestra, zusammen mit anderen ehemaligen Mitgliedern des Gustav Mahler Jugendorchesters. Der damals 64-jährige Claudio Abbado unterstützt die Gruppe dabei. Bis 2003 ist Andrea Zietzschmann die Intendantin des Orchesters.
In dieser Zeit merkt Andrea Zietzschmann: Sie möchte neue Musikgenres aus der professionellen Perspektive kennenlernen. Deswegen wechselt sie zum Hessischen Rundfunk und ist dort erstmal Orchestermanagerin. Später arbeitetet sie als Musikchefin und arbeitet dabei auch mit den Popkulturwellen zusammen. "Ich habe neu gelernt, dass man Orchesterprogramme eigentlich vernetzt denkt mit dem jeweiligen Hörfunkprogramm oder auch mit dem Fernsehen", erzählt Zietzschmann.
Ihre Aufgaben werden nicht weniger — im Gegenteil. Nach zehn Jahren beim Hessischen Rundfunk wechselt Andrea Zietzschmann 2013 zum Norddeutschen Rundfunk. Sie managet dort alle vier Klangkörper des NDR. Unter anderem erlebt sie in dieser Zeit den Einzug des Elbphilharmonie-Orchesters in die neue erbaute Elbphilharmonie in Hamburg.
Mitten in der Planung dieses riesigen Projekts bekommt Andrea Zietzschmann ein Angebot: Die Berliner Philharmoniker möchten sie als neue Intendantin. Dabei hatte sie sich gar nicht um die Stelle beworben. "Ich dachte eigentlich gar nicht an irgendeinen Wechsel", erinnert sie sich heute. "Aber dann war das natürlich so attraktiv, dass ich mich gerne dafür entschieden habe."
Ich dachte eigentlich gar nicht an irgendeinen Wechsel.
2017 zieht Andrea Zietzschmann dann nach Berlin. Seitdem ist sie Intendantin bei den Berliner Philharmonikern – demselben Orchester, das Claudio Abbado zwölf Jahre lang als Chefdirigent geleitet hat. Hätte er gewusst, dass seine ehemalige Praktikantin heute "sein" Orchester leiten würde – Abbado wäre sicher stolz.
Sendung: "KlassikPlus - Musikfrauen", am 5. November 2020 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)