Es war eine harte Zeit, als Anna Tomowa-Sintow 1941 mitten im Krieg zur Welt kam. Doch die junge Bulgarin ging ihren Weg und wurde zu einer gefeierten Primadonna an den großen Opernhäusern. Jetzt wird die Sopranistin 75 Jahre alt.
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"Unsere Generation musste für vieles kämpfen", sagt Anna Tomowa-Sintow rückblickend. Mag sein, dass es das Schicksal der Kriegsgeneration ist, das sie geprägt hat. Zielstrebigkeit, Hartnäckigkeit, die Lust am Arbeiten, eine optimistische Sicht auf die Dinge - all das sind aber auch Persönlichkeitsmerkmale der bulgarischen Sopranistin. Ihr Credo: "Es gibt keine Kunst ohne Idealismus."
Anna Tomowa-Sintow zusammen mit Plácido Domingo in Verdis "Otello". | Bildquelle: © IMAGNO/Votava/Süddeutsche Zeitung Photo Noch heute gibt Anna Tomowa-Sintow voller Energie, Charisma und Einfühlungsvermögen Meisterkurse für den sängerischen Nachwuchs. Sie vermittelt Gesangstechnik, Stilistik und Interpretationskunst, aber auch existentielle Wahrheiten, für ein langes und erfolgreiches Bühnenleben nicht weniger wichtig: "Auch, wenn es sich um eine Tragödie handelt, das Singen an sich sollte immer eine Freude sein."
Anna Tomowa-Sintow studierte in Sofia und erhielt ihr erstes Engagement beim Opernstudio Leipzig. 1972 holte man sie ins Ensemble der Berliner Staatsoper. Ein Jahr später feierte sie den internationalen Durchbruch in Paris mit Verdis Requiem. Danach sang die Bulgarin an allen großen Häusern: der MET, Covent Garden, Chicago, der Scala und der Bayerischen Staatsoper. Die Berliner Staatsoper ernannte sie schon nach einem Jahr zur Kammersängerin, Wien zog wenig später nach. Karl Böhm und vor allem Herbert von Karajan waren wichtige Mentoren und Partner, die Anna Tomowa-Sintow sängerisch auf Händen getragen und vieles gelehrt haben. Auch, wie man Mozart singt.
Mozart braucht Persönlichkeit und Seele.
Mozart ist und bleibt eine Herausforderung für jeden Musiker. "Sie brauchen die innere Bereitschaft und Flexibilität für diese Musik", ist Tomowa-Sintow überzeugt. "Dank Karajan und Böhm habe ich den Mut gehabt, Mozart nicht instrumental zu singen, sondern mit dem Menschlichen der Stimme. Mozarts Musik offenbart so viele Gefühle und emotionale Nuancen, da muss man mit der Seele singen und nicht nur eine klare Linie erzeugen. Das braucht unbedingt Persönlichkeit und Seele."
Besonders gefeiert wurde Anna Tomowa-Sintow besonders für ihre Interpretation von Strauss-Partien. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mozarts Donna Anna, die Fiordiligi und die "Figaro"-Gräfin wurden Paraderollen der bulgarischen Sopranistin, daneben Verdi-Partien wie die Aida und die Desdemona, Wagners Elsa und Elisabeth. Mehr als alles andere wird Anna Tomowa-Sintow weltweit aber für ihre Strauss-Interpretationen verehrt: für die Marschallin aus dem "Rosenkavalier", die "Capriccio"-Gräfin und die "Ariadne", für die sie einen Grammy bekam. "Die Musik ist voll mit einer Art satirischem Humor", sagt Tomowa-Sintow über Strauss' Oper: "Etwas, was man immer mit Leichtigkeit darstellen soll - aber auch mit der nötigen Tiefe."
Anna Tomowa-Sintow hat sich über Jahrzehnte ihrer Karriere dank brillanter Technik nicht nur eine intakte Stimme erhalten, sie hat sich auch mit ihrer positiven, erfrischenden und neugierigen Einstellung den Veränderungen und Unwägbarkeiten des Berufs gestellt: "Altmodische und langweilige Inszenierungen mag ich nicht", so die Sopranistin. "Moderne und aktuelle Produktionen, die die Ideen des Komponisten berücksichtigen, finde ich ok", fügt sie hinzu. Dabei ist ihr aber eines sehr wichtig: "Was ich nicht schätze - wenn sich der Regisseur auf Kosten des Werks selbst verwirklicht."
Anna Tomowa-Sintow hat sich mit ihrer wundervoll klaren Stimme und ihrem begnadeten musikalischen Gespür nie die Lust an der eigenen Arbeit nehmen lassen. Das Singen war für sie immer pure Freude: "Das ist mein Leben und das war schon so, seit ich ein ganz kleines Mädchen war", erinnert sie sich.
Am 22. September 2016 feiert Anna Tomowa-Sintow ihren 75. Geburtstag.