Ohne Radio wäre Anne-Sophie Mutter vielleicht nie Geigerin geworden. Als Kind war es für sie die Nabelschnur in die Welt der Musik. Anlässlich des 40. Geburtstags von BR-KLASSIK spricht die Geigerin über die Rolle der Medien heute. Und sie findet: Für die Klassik ist das Radio nach wie vor unverzichtbar.
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"Als Kind habe ich mich in den Klang der Geige verliebt", erinnert sich Anne-Sophie Mutter im Gespräch mit BR-KLASSIK. Gehört hat sie die zum ersten Mal im Radio und auf den Platten ihrer Eltern. Aufgewachsen ist die Weltstar-Geigerin am Fuße des Schwarzwalds, quasi in der Provinz: "Für mich war das Radio die Nabelschnur zur Welt – und in die Welt der Musik."
Bis heute vertraut Anne-Sophie Mutter am liebsten ihren Ohren. Ein Grund, warum sie das Radio schätzt. Auch im Konzertsaal oder in der Oper schließt sie gerne die Augen, um nicht abgelenkt zu sein. "Ich habe bis heute Probleme, Musik verfilmt zu sehen", sagt sie. Und dann vergleicht sie das mit Büchern, die man gelesen hat. Von der Verfilmung ist man meist enttäuscht, weil sie sich nicht mit der eigenen Vorstellung deckt. "Für mich ist Musik zuallererst ein akustisches Erlebnis."
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Für Anne-Sophie Mutter hat ein Radioprogramm gegenüber Spotify oder anderen personalisierten Streamingdiensten klare Vorteile: "Es bietet eine große Chance, Bildung ebenso wie breites und sperriges Denken zu vermitteln. Wir leben ja eigentlich ständig in einer 'Bubble' der eigenen Wiederholung."
Wir sollten raus aus unserer eigenen Blase!
Warum bombardiert uns Google mit immer ähnlichen Themen? Schuld daran sind Algorithmen, die nach unseren Vorlieben filtern. So etwas nervt Anne-Sophie Mutter. Denn es engt ein. "Wir sollten stattdessen aktiv versuchen, aus unserer Blase herauszutreten und die Vielfalt an Informationen und Kunst wahrzunehmen und uns weiterzubilden", rät sie und findet, ein Radioprogramm kann genau das liefern.
Anne-Sophie Mutter nutzt gerne On demand-Angebote und Podcasts. | Bildquelle: Harald Hoffmann/DG Anne-Sophie Mutter wäre nicht die kluge Frau, die sie ist, wenn sie nicht auch differenzieren würde. Radio, so betont sie, bietet nicht nur Musik. Sie erinnert an den Volksempfänger im Dritten Reich. Joseph Goebbels missbrauchte ihn als Propagandainstrument. Wie ist das heute, fragt sie sich. Steuern uns Medien heute nicht auch? "Jedes Nachrichten-Outlet ist möglicherweise ein Instrument der Manipulation", sagt Anne-Sophie Mutter. Ein Grund, weshalb sie möglichst viele Quellen nutzt – vor allem, wenn es um Politik geht. "Das politische Geschehen in Amerika fasziniert mich schon seit Jahren auf abschreckende Weise", erzählt sie. Neben dem Nachrichtensender CNN, der New York Times und der Washington Post, informiert sie sich auch über Fox News, also den Sender, der vor allem die Ansichten der republikanischen Partei vertritt. Diese Vielseitigkeit ist Anne-Sophie Mutter wichtig.
In Algorithmen, die den User analysieren und mit entsprechenden Inhalten versorgen, sieht die Geigerin viele Nachteile. Mit solchen arbeitet auch Facebook. "Das ist überhaupt nicht meine Welt", sagt Anne-Sophie Mutter. Sie nutzt die Social-Media-Plattform selten. "Es strengt mich an, weil dieses Paralleluniversum schwer nachvollziehbar ist." Trotzdem findet die Geigerin es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Es hilft ihr, andere zu verstehen. "Vielleicht kann man über dieses Verstehen auch immer wieder eine Brücke zum Dialog finden", ist ihre Hoffnung. "Im Dialog können Menschen zueinander finden."
Klassische Musik muss im Radio verankert bleiben.
Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender hat einen Kulturauftrag zu erfüllen. Anne-Sophie Mutter sieht das als Verpflichtung – besonders, wenn es um Jugendarbeit geht. "In der Politik hat man in den letzten Jahrzehnten nicht verstanden, die klassische Musik in der Breite präsent zu halten, in den Schulen. Umso wichtiger ist es, dass im Radio die klassische Musik weiter verankert bleibt", fordert Anne-Sophie Mutter. Neue Ansätze könnten einen Zugang zur Musik verschaffen. Bei der Filmmusik sieht sie zum Beispiel großes Potenzial. "Komponisten wie John Williams sind so populär. Da ist die Breitenakzeptanz auch sehr viel größer." Anne-Sophie Mutter selbst hat eine Reihe von Filmmusik-Hits eingespielt, die John Williams eigens für sie arrangiert hat.
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John Williams & Vienna Philharmonic feat. Anne-Sophie Mutter – “Hedwig’s Theme” From “Harry Potter”
Als Musikerin sieht Anne-Sophie Mutter das Radio als tolle Möglichkeit, ein Publikum zu erreichen und vielleicht auch aus seinen alten Hörgewohnheiten herauszulösen. "Das Radio ist so eigentlich die letzte Bastion", betont sie. Auf diesem Weg könne die breite Masse mehr kennenlernen als Beethovens "Ode an die Freude", Mozarts "Kleine Nachtmusik" oder die "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi. "Da gibt es noch viel mehr", sagt Anne-Sophie Mutter: "In der Klassik geht seit dreihundert Jahren die Post ab." Diese Evergreens hätten über die Zeit mehr Menschen erreicht als alles, was heute auf den Popkanälen läuft. "Die klassische Musik hat im Radio eine Plattform, die lebendiger und wichtiger nicht sein könnte."
In der Klassik geht seit dreihundert Jahren die Post ab.
Klassische Musik im Radio hat für Anne-Sophie Mutter weiterhin eine Zukunft. "In einer Gesellschaft, die oft nicht mehr über Musik nachdenkt, ist das von eminenter Bedeutung", sagt sie.
Sendung: "Meine Musik" am 3. Oktober 2020 ab 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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