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ARD-Musikwettbewerb 2016 - Rückblick Horn Bezwinger der Glücksspirale

40 Hornisten traten zum Wettbewerb an, vier schafften es ins Finale. BR-KLASSIK-Autorin Anna Novák erlebte in den vier Runden stolz erhobene Häupter, Tränen und knallende Türen.

Selten habe ich so viel über Musik gelernt wie in den letzten anderthalb Wochen. Sich als Reporter über einen solchen Zeitraum mit einer Gruppe von Instrumenten und Instrumentalisten beschäftigen zu können, ist ein echter Luxus - normalerweise hören wir meist bloß ein, zwei Konzerte und beschäftigen uns schon mit dem nächsten Thema. Der ARD-Musikwettbewerb ist das absolute Kontrastprogramm: 40 Hornisten, darunter nur sechs Damen, waren zugelassen für "mein" Fach. Das heißt: allein die erste Wettbewerbsrunde erstreckte sich auf drei prall gefüllte Tage. Und fast jeder hatte für die Premiere auf der Bühne im Gasteig das Hornkonzert von Kryzstof Penderecki ausgewählt. Puh.

Bildquelle: BR

ARD-Musikwettbewerb 2016

Finale Horn als Video

Unterschiedliche Stile, unterschiedliche Levels

Komischerweise war mir wirklich keine Sekunde langweilig, denn es gab so viel zu hören: Hornisten aus aller Herren Länder, mit ganz unterschiedlichen Stilen und auf erkennbar unterschiedlichen Qualitätslevels. Natürlich habe ich längst gemerkt, dass Kiekser-Zähler niemand mag, aber dennoch: Oft war einfach direkt nach dem Auftritt klar, ob es für eine zweite Runde reichen würde.

Man konnte das in den Gesichtern hinter der Bühne lesen. Die einen stapften stolz, mit erhobenem Haupt aus dem Carl-Orff-Saal im Münchner Gasteig, froh über gut gelaufene 35 Minuten Musikzeit. Aber die anderen machten oft auch keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit: Einmal flossen Tränen, ein paarmal knallten die Türen und irgendwann rief auch einfach mal einer "Wie Sch… war das denn bitte?!" Xiao Ming Han aus der Jury erklärt mir gleich am Anfang: Die sieben Jurymitglieder hören lieber Kandidaten, die auf musikalisches Risiko gehen - aber trotzdem darf, wie er das sehr galant ausdrückt, "auch nicht zu viel passieren".

Starke Nerven zählen

Okay, denke ich mir, kein Wunder, dass die Hornisten nach ihren Auftritten immer erstmal Dampf ablassen müssen. Wie halten die diesen Druck bloß aus, dass ständig etwas passieren kann und ihr Spiel so tagesformabhängig zu sein scheint? Ich stelle diese Frage mehreren Hornisten und interessanterweise widersprechen mir fast alle: Mit der richtigen Vorbereitung und der richtigen Ruhe vor dem Wettbewerb könne man den Faktor Glück auf ein Minimum reduzieren. Tagesform spiele da nur eine sekundäre Rolle. Trotzdem: Meiner Meinung nach schaffen es letztlich die mit den stärksten Nerven ins Semi-Finale.

Gestandene Musiker im Semifinale

Dann kommt nochmal eine komplett neue Dynamik in den Wettbewerb, als die fünf Kandidaten und eine Kandidatin im Semi-Finale im Prinzregententheater wahlweise Mozarts Hornkonzert in Es-Dur oder Carl Maria von Webers Concertino für Horn und Orchester mit dem Münchner Kammerorchester spielen müssen. Plötzlich sind die verunsicherten Einzelplayer aus den ersten Runden verschwunden und dort vorne stehen sechs gestandene Musiker, die sich mit dem Orchesterapparat im Rücken sichtlich gestärkt fühlen. Jedem der Kandidaten kann ich etwas anderes abgewinnen: Die eine hat einen sehr speziellen Hornton, der nächste spielt beeindruckend intensiv, ein anderer ist der selbstbewusste Vollprofi und der mit der unbändigen Spielfreunde ist auch dabei.

Kein erster Preis

Dass die Jury vier Teilnehmer ins Finale lässt, wundert mich ein wenig; ich hätte anders entschieden. Gut sind sie alle, keine Frage, die vier Finalisten Nicolas Ramez, Katerina Javurkova, Félix Dervaux und Marc Gruber. Glücksspiralen-Witze macht hier schon lange keiner mehr. Trotzdem entscheidet sich die Jury, nach dem sie viermal das Zweite Hornkonzert von Richard Strauss gehört hat, keinen Ersten Preis zu vergeben. Stattdessen gibt es zwei Zweite und zwei Dritte Preise.

ARD-Musikwettbewerb Hornisten zweiter Durchgang | Bildquelle: © BR / Natasha Heuse Die diesjährige Horn-Jury | Bildquelle: © BR / Natasha Heuse Das Niveau sei sehr hoch gewesen, erklärt mir Julie Landsman aus der Jury, aber niemand hätte über alle Runden gleichermaßen begeistert. Sie wollten nicht bloß die Final-Tagesform (also doch!) bewerten, sondern den ganzen Wettbewerb mit einbeziehen. Nur weil jemand einen schlechten Tag hatte, könne er sich keinen Preis verspielen. Ein weiterer Juror sagt, man müsse ja auch immer auf die vergangenen ARD-Preisträger im Fach Horn gucken und mit den Standards vergleichen. Offensichtlich hat die Jury um Juryvorsitzende Marie-Luise Neunecker stilistisch nicht das gefunden, was sie im Wettbewerb gesucht hat. Oder es ist eben doch "ein bisschen zu viel passiert". Hat da etwa jemand Kiekser gezählt - oder ist es am Ende einfach Geschmackssache?

Respekt für die Teilnehmer

Meinen größten Respekt habt ihr, liebe Hornisten, dass ihr dieses höllisch schwere und unberechenbare Instrument in den letzten anderthalb Wochen so eindrucksvoll bewältigt und den interessierten Zuschauern so viele Facetten Eures Könnens gezeigt habt! Danke, ihr habt uns großartig unterhalten und uns viel über Musik beigebracht, liebe Glücksspiralenbezwinger.

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