Vier Saiten, ein Instrument. Vier Streicher, ein Quartett. Streichquartett ist die Krönung der Kammermusik - und eine auf zwischenmenschlicher Ebene hochexplosive Konstellation von vier Individuen. Am Freitag traten neun Musikerteams zur ersten Wettbewerbsrunde an.
Bildquelle: © Julia Müller
ARD-Musikwettbewerb
Auftakt Streichquartett
Sie sind überpünktlich. Um kurz nach neun betreten die ersten Zuhörer das Funkhaus und steuern zielsicher auf das Studio 1 zu. Es gilt, sich einen Platz zu sichern. Einige der Besucher haben vielleicht noch die lange Schlange von vor vier Jahren in Erinnerung. 2012 stand zuletzt Streichquartett beim ARD-Musikwettbewerb auf dem Programm. Eine Gattung, die viele anspricht - unabhängig davon, ob sie selbst musizieren oder einfach nur gerne zuhören. "Für mich ist es die intimste Form von Kammermusik", verrät mir eine Besucherin. Sie spielt in ihrer Freizeit selbst Streichquartett. Viele der Werke, die auf dem Programm stehen, kennt sie aus der eigenen Spielpraxis. "Das Niveau hier ist sehr hoch", sagt sie. "Wir genießen die Qualität und versuchen, uns Fingersätze abzuhören - oder auch Artikulation. So lernen wir selbst etwas dabei."
1/11
Bildquelle: © Julia Müller
2/11
Bildquelle: © Julia Müller
3/11
Bildquelle: © Julia Müller
4/11
Bildquelle: © Julia Müller
5/11
Bildquelle: © Julia Müller
6/11
Bildquelle: © Julia Müller
7/11
Bildquelle: © Julia Müller
8/11
Bildquelle: © Julia Müller
9/11
Bildquelle: © Julia Müller
10/11
Bildquelle: © Julia Müller
11/11
Bildquelle: © Julia Müller
Zwei Stunden später ist es dann soweit: Der Saal ist prall gefüllt. Einige Besucher müssen draußen bleiben. Sie haben keine Platzkarten mehr bekommen. Inzwischen betritt das erste Ensemble die Bühne: das Goldmund Quartett aus Deutschland. Die vier jungen Männer kennen sich schon seit ihrer Schulzeit. Das spürt man - und man hört es auch. Außer dem deutschen Quartett spielen noch zwei andere aus Frankreich und Großbritannien. An diesem Vormittag sprühen die Funken, so lebendig ist das Spiel bei den einen, dann wieder ist man überrascht von einem völlig anderen Klangbild mit fein ausgearbeiteter Artikulation beim nächsten Quartett. Alle spielen hervorragend. Kein Quartett ist dabei, dem ich nicht wünschen würde, dass es in die nächste Runde kommt. Wobei mich persönlich oft das etwas weniger Ausgefeilte mehr fasziniert. Es berührt mich, weil es lebendig ist.
Die Musiker der Streichquartette sind diesmal fast alle aus Europa. Während in Fächern wie Gesang in der Regel ein Großteil der Kandidaten aus Südkorea kommt, findet sich unter den Streichquartetten in diesem Jahr nur ein einziges asiatisches Quartett. Allerdings treten auch insgesamt nur neun Quartette zum Wettbewerb an. 15 von 20 Bewerbungen waren zugelassen worden.
Natürlich sind die Musiker angespannt. Einige erzählen mir, dass sie sich ein ganzes Jahr lang auf diesen Wettbewerb vorbereitet haben. Auf den Punkt genau das Erarbeitete abzuliefern, erfordert höchste Konzentration und Disziplin von jedem Spieler. Dafür sind die Musiker im Streichquartett - im Gegensatz zu den anderen Wettbewerbskategorien - keine Einzelkämpfer. Zu viert bilden sie eine Einheit - das spüre ich auch während der Interviews. Noch deutlicher wird das auf der Bühne. Vier Persönlichkeiten verschmelzen musikalisch quasi zu einer. Was sie im Spiel miteinander verbindet, ist eine lebendige Kommunikation. Hier ein Blick, da ein musikalisches Motiv, mal ein Lächeln, dann eine ausdrucksstarke Bewegung mit dem Oberkörper. Die Kommunikation läuft auf mehreren Ebenen ab. Was man bei den Spielern sieht, kann man auch hören. "Man hört vier vernünftige Leute sich untereinander unterhalten", so hatte es schon Goethe beschrieben. Das Quatuor Hanson betont, wie wichtig die Kommunikation für ihr Spiel ist. "Wenn die Kommunikation untereinander nicht funktioniert, dann funktioniert auch die Kommunikation mit dem Publikum nicht", sagen sie.
Der Name ist Programm - zumindest bei vielen Quartetten. Einige wählen Namen aus der Literatur. Für das Goldmund Quartett war es die Figur aus Hermann Hesses Erzählung "Narziß und Goldmund", die sie zu ihrem Quartettnamen inspirierte. Goldmund - die Künstlerfigur, die aus dem Kloster ausbricht und dann ihren künstlerischen Weg sucht. "Es gibt einige Parallelen zwischen uns und dieser Figur", verraten die Musiker. Auch die vier Franzosen des Quatuor Arod hatten eine literarische Vorlage: Tolkiens "Der Herr der Ringe". Die jungen Franzosen haben sich nach dem Pferd des Elben Legolas benannt - ein Symbol für den gemeinsamen abenteuerlichen Weg.
Die Jury im Fach Streichquartett ist in diesem Jahr wieder hochkarätig besetzt - mit Musikern, die in berühmten Streichquartetten spielen oder gespielt haben. Unter den Juroren sind auch zwei frühere ARD-Preisträger: Kazuhide Isomura gewann 1970 mit dem Tokyo String Quartett einen ersten Preis, Mathieu Herzig mit dem Quatuor Ébène im Jahr 2004. Vorsitzender der Jury ist Günter Pichler, der ehemalige Primarius beim legendären Alban Berg Quartett.
Es ist ein Genuss. Zweifellos. Und es ist spannend, die unterschiedlichen Facetten eines jeden Streichquartetts zu entdecken. Dazu gibt es ausreichend Gelegenheit in jedem Durchgang: die großen Standardwerke der Wiener Klassik und auf der anderen Seite Werke des 20. Jahrhunderts, romantische Streichquartette und Modernes, Mozart kombiniert mit Anton von Webern, die zeitgenössische Auftragskomposition von Nikolaus Brass und Musik von Bela Bartok. Das Repertoire für Streichquartett ist immens groß. Der ARD-Wettbewerb deckt ein breites Spektrum ab und bietet sicherlich auch für erfahrene Kammermusiker noch die ein oder andere Überraschung. Für mich war der erste Wettbewerbstag ein Vorgeschmack darauf, was noch kommt. Und ich bin sicher: Es bleibt spannend. Kleiner Tipp: für alle Interessierten empfiehlt es sich, für die ersten beiden Durchgänge (freier Eintritt) rechtzeitig da sein, sonst wird es schwierig mit den Platzkarten.
1. Durchgang: 2. bis 4. September 2016
2. Durchgang: 5. und 6. September 2016
Semifinale: 8. September 2016
Finale: 10. September, 16.00 Uhr
Alle Runden sind öffentlich, die ersten beiden Durchgänge bei freiem Eintritt.
Im Fach Streichquartett finden die Runden im Studio 1 des Bayerischen Rundfunks, in der Hochschule für
Musik und Theater München und im Prinzregententheater statt.
Den genauen Zeitplan der Wettbewerbsrunden finden Sie hier.
BR-KLASSIK informiert mehrfach täglich über den Verlauf des Wettbewerbs - mit aktuellen Informationen und mehreren Sondersendungen. Ab dem Semifinale werden alle Schlussrunden als Video-Livestream übertragen. Auch die drei Preisträgerkonzerte sendet BR-KLASSIK live - im Radio und als Videostream.