In München begeisterte er 2016 als Spartacus, in St. Petersburg gehörte er zu den populärsten Tänzern des Mariinsky-Theaters. Nun ist Ballett-Star Vladimir Shklyarov (39) tot, das Entsetzen über seinen Tod groß.
Bildquelle: Wilfried Hoesl
Nach Angaben von Primaballerina Irina Bartnowskaja hat sich alles so zugetragen: "Wolodja war zu Hause, um Schmerzen zu lindern und sich auf eine Operation vorzubereiten. Er ging auf den Balkon, um etwas Luft zu schnappen und zu rauchen, verlor das Gleichgewicht (es war ein sehr schmaler Balkon) und fiel kopfüber aus dem fünften Stock. Ein dummer, furchtbarer Unfall. Er liebte das Leben, die Familie, vergötterte Kinder und sein Publikum." So äußerte sich die Tänzerin auf ihrem Telegram-Kanal.
Offizielle Angaben zum Tod von Vladimir Shklyarov gibt es nicht, Spekulationen dafür umso mehr. So war von starken Schmerzmedikamenten die Rede, die der Startänzer aufgrund von Problemen mit der Hüfte eingenommen habe. Irina Bartnowskaja zitierte aus der Korrespondenz des Tänzers mit seinem Mediziner. Demzufolge litt Shklyarov unter "unerträglichen Schmerzen" und hatte "keine Kraft mehr". Er sei zwar nicht darauf vorbereitet, aber an einer Operation führe kein Weg vorbei, so der Tänzer zu dem behandelnden Arzt.
Andere Quellen aus St. Petersburg geben an, der Tänzer habe seine Ex-Frau gebeten, ihn in der Wohnung einzusperren, damit er nicht an "illegale Substanzen" komme: "Nach einiger Zeit beschloss Shklyarov dennoch, die Wohnung zu verlassen und kletterte auf den Balkon des Nachbarn. Die Eigentümer dieser Wohnung waren nicht zu Hause. Der Künstler kontaktierte die Eigentümer, sie kehrten zurück. Bei seinem zweiten Versuch, auf den Balkon einer Nachbarwohnung zu gelangen, stürzte er und fiel."
Am 10. Dezember hätte der gefeierte Ballettkünstler im St. Petersburger Mariinsky-Theater seinen nächsten Auftritt in der Performance "Die Magie des Ganzen" zur Musik von Iraida Yusupova gehabt. Vladimir Shklyarov war einer der besten Tänzer seiner Generation. An der Bayerischen Staatsoper in München war er 2016 in der Titelrolle des Balletts "Spartacus" zu bewundern.
Kollegen sprachen in einer der größten Zeitungen Russlands, der "Moskowski Komsomolez", von angeblichen privaten Schwierigkeiten und damit zusammenhängenden Drogenproblemen. Vor mehr als einem Monat habe Shklayrov mit dem Trinken angefangen: "Nach der Trennung von seiner Frau (sie tanzt auch im Mariinsky) hatte er eine neue Romanze mit einer Ballerina. Und er beklagte sich bei ihr, dass es ihm sehr schlecht ginge. Etwas nagte an ihm, etwas machte ihm Sorgen."
Bildquelle: Wilfried Hoesl Wegen seines Alters habe Shklayrov vor der Frage gestanden, ob er seine Karriere als Choreograph oder Tanzlehrer fortsetzen solle, doch als Pädagoge habe er sich nicht gesehen. "Mehrere Personen" unterstellten dem Star eine Selbstfindungskrise, so das Blatt: "Hier kam offenbar alles zusammen, und vor dem Hintergrund einer Midlife-Crisis wurde es nur noch schlimmer. Wenn ein Künstler erkennt, dass er beliebt ist, dass ihm Fans und Journalisten zu Füßen liegen, dass er gleichzeitig dabei ist, Rollen zu verlieren und die Bühne verlassen muss, dann kommen auch noch jüngere Leute, die im Gegensatz zu ihm noch alles vor sich haben."
Kollegen verwiesen auf Shklyarovs einstigen Auftritt in Rolland Petits und Jean Cocteaus Werk "Der junge Mann und der Tod" (1946). Die Rolle eines Künstlers, der an der Vergänglichkeit seines Ruhms zerbricht, sei geradezu "prophetisch" gewesen.
Die angeblich kritische Haltung des Tänzers zum Ukrainekrieg und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin spielt in der innerrussischen Berichterstattung keine Rolle. Die kremlnahe Nachrichtenagentur RIA Nowosti behauptete unter Berufung auf russische Geheimdienstkreise, ein Verbrechen in Zusammenhang mit Shklyarovs Tod könne ausgeschlossen werden.
Bei seinem Gastspiel in München vor acht Jahren hatte Shklyarov im Gespräch mit BR-Klassik sehr zuversichtlich gewirkt: "Ehrlich gesagt stand für mich im Moment der Entscheidung einfach der Wunsch im Mittelpunkt, mein Leben zu verändern. Ich bin sehr froh, dass es geglückt ist. Ich tanze heute an zwei bedeutenden Theatern: hier an der Bayerischen Staatsoper und im Mariinsky-Ensemble. Ich bin sehr froh, dass alles so gut läuft."
In russischen Leserforen war die Betroffenheit groß, zahlreiche Ballett-Fans teilten ihre Erinnerungen an Shklyarovs Auftritte, unter anderem an sein 20-jähriges Bühnenjubiläum im Kremlpalast 2023: "Er ist schade um ihn, er hat göttlich getanzt. Ich bin sehr traurig."
Die Trauerfeierlichkeiten für Shklyarow sollen am Donnerstag (21. November) im "weißen Foyer" des St. Petersburger Mariinsky-Theaters stattfinden, der Tänzer seine letzte Ruhestätte auf dem örtlichen Smolensker Friedhof finden.
Sendung: Leporello am 18.11.2024 ab 16:05 Uhr
Kommentare (0)