Dem Bayerischen Staatsballett geht das Geld für Spitzenschuhe aus. Deshalb hat Ballett-Direktor Igor Zelensky einen Spenden-Aufruf verschickt. Doch wie kann es sein, dass so ein renommiertes Haus nicht mehr selbst für seine Grundausstattung aufkommen kann?
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"Unterstützen Sie uns!" steht dick als Überschrift über dem Spendenaufruf, der per Brief am 17. Dezember 2018 an ballettinteressierte Staatsopernfans herausging. Der Bittbrief trägt die Unterschrift des Ballett-Direktors Igor Zelensky. "Wussten Sie, dass unsere Ballerinas nur sechs bis zehn Paar Spitzenschuhe im Monat zur Verfügung haben? Durch unser stark klassisch geprägtes Repertoire ist diese Anzahl schnell verbraucht, aber bei Kosten von durchschnittlich 60 Euro pro Paar erlaubt das Budget nicht mehr."
Die finanziell gut ausgestattete Staatsoper bettelt also um Spitzenschuhe für ihre Tänzerinnen. Dabei wird das Haus durch Steuermittel unterstützt: Jeder Besuch der Staatsoper wird mit 124 Euro und 38 Cent bezuschusst. So jedenfalls steht es im Haushaltsbericht 2017 der Staatsoper, zu der auch das Staatsballett gehört. Doch das Geld reicht offenbar nicht aus.
Igor Zelensky, Chef des Bayerischen Staatsballetts | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die Bayerische Staatsoper betreibt seit 2002 professionelles Fundraising. Private Spenden werden für das Haus immer wichtiger: Sie machen rund vier Prozent des Gesamthaushalts der Staatsoper aus. Dem Ballettensemble stehen an eigenen Haushaltsmitteln pro Jahr ca. 7,3 Millionen Euro zur Verfügung – nicht gerade viel. Und erst vor zwei Jahren sprang die Hauptsponsorin des Staatsballetts, die Unternehmerin Irène Lejeune, ab. Lejeune unterstützte das Bayerische Staatsballett – ihre "Herzensangelegenheit" – seit 2008 mit insgesamt 1,3 Millionen Euro. Ein wichtiges Zusatzeinkommen. Darauf muss die Compagnie nun verzichten. Der Grund: Lejeune habe sich über Igor Zelensky geärgert. Der Russe hat sich bei seinem Amtsantritt nicht gerade beliebt gemacht: Fast die Hälfte des ursprünglichen Ensembles verließ 2016 das Theater.
Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass Igor Zelensky das Bayerische Staatsballett auf ein Spitzen-Niveau gehoben hat. Neue Sponsoren würden den damaligen Verlust mehr als ausgleichen, beteuert der Ballett-Chef. Tatsächlich erreichten die gesamten Sponsoring- und Spendeneinnahmen der Bayerischen Staatsoper 2017 einen Spitzenwert von gut 4,5 Millionen Euro. Sogar ein neuer internationaler Sponsorenkreis, speziell für Geldgeber aus den USA und dem europäischen Ausland, wurde gegründet.
Dem Staatsballett geht es gut, unsere Vorstellungen sind sehr gut verkauft. Allerdings erweitern zusätzlich akquirierte Mittel die Spielräume des Staatsballetts und geben uns die Möglichkeit, freier zu arbeiten.
Ensemble des Bayerischen Staatsballetts | Bildquelle: © Wilfried Hösl Doch auch die Ausgaben sind hoch. Igor Zelensky will viel: das Ensemble vergrößern, große Ballette auf die Bühne bringen, ein volles Haus. Dafür schöpft er viel mehr als früher aus dem klassischen Ballett-Repertoire – und das verschleißt wiederum auch mehr Spitzenschuhe. Allein auf dem Feiertags-Programm des Staatsballetts stehen drei Klassiker: "Der Nussknacker" von Peter Tschaikowsky, die "Kameliendame" von Frédéric Chopin und "Raymonda" von Alexander Glasunow. Alle drei Ballett-Darbietungen werden von Frauen in Spitzenschuhen getanzt. Das will das Publikum so und vor allem auch der Ballett-Direktor Igor Zelensky. Er setzt auf den klassischen Massengeschmack – der aber wiederum nach Zelenskys Meinung mit den momentan vorhandenen finanziellen Mitteln nicht befriedigt werden kann. Daher der Spendenaufruf an die Ballettliebhaber: für ein Paar (60 Euro) oder zwei Paar Spitzenschuhe (120 Euro), "oder einen individuellen Betrag, um unserer Compagnie die Arbeit unter besten Bedingungen zu ermöglichen." Auf eine Anfrage des BR antwortet das Bayerische Staatsballett wie folgt: "Der Spendenaufruf für Spitzenschuhe erging im Dezember an knapp 3.000 Zuschauer unseres Hauses. Mit dem Aufruf wollen wir mit einem ganz konkreten Objektbezug gerade dem ballettaffinen Publikum die Möglichkeit geben, sich sehr nah an der Ballettcompagnie einzubringen und für etwas zu spenden, das jedem Zuschauer ein Begriff ist. Ein 'Kultobjekt' wie ein Spitzenschuh eignet sich als ganz besonders gut für einen Spendenaufruf. International befinden wir uns damit übrigens in guter Gesellschaft: der 'Pointe Shoe Appeal' gehört etwa beim Londoner Royal Ballet zum festen Bestandteil des Fundraising."