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Štěpán Pechar Tanzen gegen Zeitverschwendung

Am 4. Juli hat am Bayerischen Staatsballet der Abend "Junge Choreographen 2018" Premiere. Auch Štěpán Pechars Ballet "Waste" wird im Rahmen dieses Projekts aufgeführt. Im Interview spricht Pechar über seine Arbeitsweise und über seine Vorliebe für Tänzerinnen und Tänzer, die nicht alle gleich aussehen.

Bildquelle: Wilfried Hösl

Das Interview zum Anhören

Foto: Der Tänzer Dukin Seo in Štěpán Pechars "Waste"

BR-KLASSIK: Štěpán Pechar, Sie sind Tänzer und Choreograph. Beides sind Fulltime-Jobs. Was mögen Sie lieber – selbst tanzen oder choreographieren?

Štěpán Pechar: Dass ich gerne choreographiere, kommt natürlich daher, dass ich mich selbst gerne bewege. Aber so sehr ich es liebe, an der Ballettstange zu stehen – und so sehr ich es hasse – genauso sehr liebe ich es, meine eigenen Ideen auszuarbeiten und an andere Tänzer weiterzugeben. Also: Für mich ist es noch kreativer, in einem Tanzstudio eine Choreographie auszuarbeiten als selbst zu trainieren. Genau genommen ist mir das Choreographieren also lieber.  

Ich mag Gegensätze.
Der Choreograph Štěpán Pechar

Stimmungen über Bewegung ausdrücken

BR-KLASSIK: Wenn man sich einige Ihrer Arbeiten anschaut, fällt auf, dass Sie manchmal Schritte in Zeitlupe tanzen lassen, dass Tänzer fast auf den Boden fallen und sich dann akrobatisch wieder aufrichten. Welche Gegensätze mögen Sie denn?

Štěpán Pechar: Zunächst einmal möchte ich, dass es wahrhaftig ist. Und zwar so wahrhaftig wie möglich. Das heißt: Wenn die Tänzer auf den Boden fallen, dann sollen sie das nicht nur vortäuschen, sondern sie sollen wirklich die Schwerkraft nutzen, und sich wirklich fallen lassen. Und das ist ein Gegensatz, wenn danach etwas Zartes, Zärtliches kommt. Wie etwa eine zärtliche Berührung, ein Zeichen von Zuneigung. Und auch das soll sehr physisch, sehr menschlich sein, nicht wie im klassischen Ballett, wo alles innerhalb eines strengen Bewegungsvokabulars passiert.

Und das finde ich das Tolle am Tanz: Eine Geschichte, gar eine komplexe Geschichte in Worten zu erzählen, kann schwierig sein. Doch die Stimmungen über Bewegung ausdrücken: Das kann sehr schlicht und einfach sein! Und ich mag auch Gegensätze bei den Tänzern selbst: in ihren Figuren, ihrer Größe, ihrer Technik. Ich habe gerne eine Art "Zoo", wenn ich meine Besetzung zusammenstelle. Ich mag es nicht so sehr, wenn alle gleich aussehen …

Das Stück ist eine Art Bild dessen, wie viel Mist wir Menschen machen können.
Štěpán Pechar über sein Stück Waste

Teufelskreis von Pflichten und Routinen

BR-KLASSIK: Ihr Stück heißt "Waste". Was beduetet denn "Waste" für Sie?

Štěpán Pechar: Das ist "Waste", also Müll oder Verschwendung, in jedem erdenklichen Wortsinn: "Waste" wie die Verschwendung oder das Vergeuden von Gefühlen, von Liebe, von Energie.

Probenfoto | Bildquelle: Wilfried Hösl Štěpán Pechar: "Waste" - Probenfoto | Bildquelle: Wilfried Hösl "Waste" im Sinne von "Wasteland", im Sinne einer öden Landschaft. Im Sinne einer tatsächlichen Verschmutzung. Das Vergeuden von Zeit. Es geht in dem Stück eigentlich darum, wie leicht wir Menschen uns mit diesem "Müll" ablenken lassen. Das klingt jetzt sehr negativ, ich bin aber kein negativer Mensch.

Es passiert so schnell, dass wir uns ablenken lassen von dem was wirklich wichtig ist im Leben. Wir geraten in diesen Teufelskreis von täglichen Pflichten und Routinen – die natürlich auch wichtig sind. Aber dann zerbrechen wir uns den Kopf wegen Problemen, die eigentlich diese Bezeichnung nicht verdienen. Und damit verschwenden wir so viel Zeit, so viel Energie, Geld, wir machen Beziehungen kaputt, weil wir Zeit mit unwichtigen Dingen verschwenden. Das Stück ist also eine Art Bild dessen, wie viel Mist und "Müll" wir Menschen machen können!

Junge Choreographen 2018

Aufführungen am Bayerischen Staatsballett:
4., 5. und 6. Juli
Informationen zu Stücken und den Mitwirkenden finden Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

Sendung: "Leporello" am 2. Juli 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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