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Kritik – Andris Nelsons dirigiert in Bayreuth Wahnsinnig gut musizierter Wagner

2016 war es ein Eklat kurz vor Beginn der Bayreuther Festspiele: Andris Nelsons gab die musikalische Leitung der "Parsifal"-Produktion ab und verschwand vom grünen Hügel. Jetzt ist er für zwei Konzerte im Festspielhaus zurückgekehrt. Das erste fand am 22. August 2021 statt, auf dem Programm der erste Akt der "Walküre" und Highlights wie der Karfreitagszauber aus "Parsifal" Die Sopranistin Christine Goerke gab ihr Hügeldebüt als Sieglinde, Günther Groissböck sang den Hunding, und Klaus Florian Vogt verlieh gleich drei Wagnerhelden seine Stimme: Siegmund, Lohengrin und Parsifal.

Bildquelle: Marco Borggreve

Die Kritik zum Anhören

Eben noch auf dem Balkon des Festspielhauses, und wenige Minuten später spielen die Blechbläser des Festspielorchesters das Walküren-Heldenmotiv auf der Bühne, sitzend vor strahlend blauem Hintergrund. Ja, das gesamte Festspielorchester spielt bei diesem Konzertabend einmal nicht im mystischen Abgrund, sondern gibt sich unter den gebannten Blicken des Festspielpublikums als Hauptakteur samt Dirigent Andris Nelsons. Mit hochgezogenen Schultern, drohend vorgebeugt beschwört Nelsons die dramatische, gehetzte Stimmung des "Walküren"-Beginns. Der Orchesterklang von der Bühne ist ein ganz anderer: viel direkter, sowohl in den Eruptionen als auch durchsichtiger, zerbrechlicher in den zarten Passagen. Auf die konzentriert sich Nelsons an diesem Abend besonders, so dass die Solisten vor dem Orchester immer gut präsent sind.

Textdeutlicher und grimmiger Hunding

So umstritten Klaus Florian Vogts Siegmund-Interpretationen sein mögen, an diesem Abend überzeugt der Tenor auf ganzer Linie, porträtiert zusammen mit Nelsons einen jungen, verletzbaren und doch durchsetzungsstarken Helden, der gut zu Christine Goerkes ebenfalls eher weichen, weniger dramatischen Sieglinde passt. Allerdings ist Vogt deutlich intonationssicherer und kann auch in der Höhe wesentlich kraftvoller gestalten. Günther Groissböck lässt als Hunding keinen Gedanken an stimmliche Überarbeitung aufkommen, die angeblich zu seinem Wotan-Verzicht geführt hat. Textdeutlich und grimmig sitzt sein kurzer Auftritt punktgenau. Vogts "Winterstürme" gelingen hinreißend liedhaft und heldisch zugleich, wie nur er es mit seinem faszinierenden Instrument und dem kongenial mitspielenden Festspielorchester auf dem grünen Hügel zaubern kann.

Souveräner Lohengrin

Zauberhaft geht es dann nach der einstündigen Pause auch weiter, gelegentlich verzaubert sich Nelsons da sogar ein bisschen, wenn er im "Lohengrin"-Vorspiel die Pianissimi so spinnwebfein haben möchte, dass der melodische Fluss kurz vorm Ersterben ist. Doch dann ist Klaus Florian Vogt zurück in seiner wohl besten Wagner-Rolle als Gralsritter. Seine drei Szenen aus dem dritten Akt sind derart souverän, dass man insgeheim hofft, doch den ganzen "Lohengrin" nun weiter hören zu können. Doch es folgt dessen erhabener Verwandter "Parsifal", Andris Nelsons lässt den Zauber-Dirigentenstab hier häufiger weg, schöpft stattdessen mit beiden Händen Klänge und bleibt in seiner Körpersprache etwas nebulös, was sich in minimalen Ungenauigkeiten im Orchester zeigt. Doch der Karfreitagszauber wie auch die beiden Szenen mit dem überragenden Klaus Florian Vogt machen den Konzertabend zu einem beglückenden Wagnerabend trotz verregneter Pause, trotz Maskenpflicht und wenig Festspielatmosphäre. Das Wesentliche war da: wahnsinnig gut musizierter Wagner.

Sendung: "Allegro" am 23. August 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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