Seine Erinnerung an Bedřich Smetana gleiche der Vorstellung, wie sie Kinder vom lieben Gott haben, meinte Leoš Janáček einmal. Smetanas Musik hat zahlreiche seiner Kollegen beeinflusst. Und sie hat mehr zu bieten als nur "Die Moldau". Am 2. März feiert BR-KLASSIK den 200. Geburtstag von Bedřich Smetana.
Bildquelle: BR/DocFabrik GmbH
"Die Moldau" von Bedřich Smetana taucht regelmäßig auf den Top-Ten-Listen der beliebtesten Stücke der klassischen Musik auf. Schon in der Schule wird sie im Musikunterricht seziert – als ein Objekt, an dem sich das Verständnis für Themenbildung und Aufbau klassischer Kompositionen bestens schulen lässt. Und was kennt man sonst von Smetana? Von den acht Opern allenfalls "Die verkaufte Braut", die zuletzt 2018 etwa an der Bayerischen Staatsoper neuinszeniert wurde. Hin und wieder ist auch sein erstes Streichquartett "Aus meinem Leben" zu hören. Das war es dann meistens schon. Dabei hat der tschechische Komponist ein so umfangreiches wie beachtliches Oeuvre hinterlassen, dass eine Wiederentdeckung lohnt.
Der "Vater der tschechischen Musik", als welcher Smetana bis heute gilt, wurde 1824 in Ostböhmen in der Familie eines Bierbrauers geboren. Im multikulturell geprägten Habsburgerreich aufgewachsen, wurde er zweisprachig erzogen und führte sein Tagebuch sowie seine Korrespondenz bis ins Erwachsenenalter auf Deutsch. Seine musikalische Begabung zeigte sich früh und wurde von den Eltern gefördert. Smetana lernte Geige und Klavier spielen und machte bald als Pianist von sich Reden. Dass er Musiker werden wollte, war nicht ungewöhnlich. Schon zu Mozarts Zeiten war die Musikalität der böhmischen Bevölkerung sprichwörtlich. Komponist werden zu wollen, war allerdings eine ganz andere Sache – zumal Smetana als Patriot den Anspruch hatte, tschechische Musik zu schreiben. Er wollte einen nationalen Musikstil schaffen, wie er damals auch in anderen Ländern aufkam, und wie es ihn in Böhmen bis dahin noch nicht gab. Smetanas Anfänge als Komponist waren so schwierig, dass er oftmals verzweifelte. In seiner Not wandte er sich 1848 sogar an den von ihm verehrten Franz Liszt mit einem Bittschreiben und widmete ihm die sechs Charakterstücke für Klavier, sein Opus 1.
Immerhin konnte Smetana sich ab den 1850er Jahren in Prag als Musik- und Klavierlehrer über Wasser halten, indem er eine eigene Musikschule eröffnete. So war es ihm sogar möglich, eine Familie gründen. Gelegentliche Tourneen als Pianist besserten das Einkommen noch auf und steigerten seinen Bekanntheitsgrad. Smetanas Streben, als Komponist Bestätigung zu finden, wurde auf diese Weise allerdings nicht erfüllt. Bereits in den 1840er Jahren hatte er den Wunsch geäußert, ein Liszt in der Technik und ein Mozart im Komponieren zu werden. Nun war es just Franz Liszt, der seine Ambitionen förderte und ihn ermutigte, seinen Weg fortzusetzen. Dieser ging zunächst über die schwedische Stadt Göteborg, wo Smetana sich von 1856 bis 1861 als Musikdirektor der Philharmonischen Gesellschaft verpflichtet hatte. Der Posten war in materieller Hinsicht attraktiv, ansonsten war Göteborg aber eine eher ernüchternde Erfahrung: "In künstlerischer Hinsicht bin ich völlig vereinsamt, nicht nur wegen des gänzlichen Mangels jedweden musikalischen Lebens, sondern auch bezüglich meiner künstlerischen Ansichten. Die Leute stecken noch bis zum Hals in vorsintflutlichen Ansichten über die Kunst. Mozart ist ihr Gott, wird aber noch nicht verstanden. Beethoven fürchten sie. Mendelssohn betrachten sie als unverdaulich und etwas neueres kennen sie nicht."
In künstlerischer Hinsicht bin ich völlig vereinsamt.
Klassik Plus, Freitag, 1. März 2024, 19:05 Uhr
On Stage, Samstag, 2. März 2024 15:05 Uhr
Opernabend "Die verkaufte Braut", Samstag. 2. März 2024, 19:05 Uhr
Do Re Mikro, Sonntag, 3. März 2024, 17:05 Uhr
"Die Moldau – Smetanas Welterfolg", Sonntag, 3. März 2024, 10:10 Uhr (BR Fernsehen)
Konzertabend "Mein Vaterland" mit den Bamberger Symphonikern, Mittwoch, 6. März 2024, 20:05 Uhr
Viel besser waren die Aussichten in Prag für Smetana zwar auch nicht, doch Anfang der 1860er Jahre änderte sich die Situation, als der Mäzen Graf von Harrach einen Preis für eine tschechische Nationaloper ausschrieb. Smetana sah darin einen Wink des Schicksals und das entscheidende Argument für seine Rückkehr nach Prag. Er war der festen Überzeugung, dass sich seine Landsleute mit der Oper an eine eigene moderne Musikkultur heranführen ließen. Ein weiterer Anstoß für seine Rückkehr war der Plan für den Bau eines tschechischen Nationaltheaters, dem 1862 die Eröffnung eines Interimstheaters vorausging. Smetana sah darin eine Chance im Kampf um die tschechische Musik. Vor allem ging es ihm darum, ein gebildetes, kulturell interessiertes tschechisches Publikum heranzuziehen. Denn damit war es in Prag damals noch nicht weit her. So schrieb Smetana Anfang 1862 anlässlich eines Konzerts, bei dem er seine symphonischen Dichtungen "Richard III." und "Wallensteins Lager" uraufführen ließ: "Am Samstag fand mein Konzert im großen Sofiensaal statt. Hu! Wie leer es war, wie kalt! Draußen fiel der Schnee in dicken Flocken und verwischte bald die Spuren der wenigen Leutchen, die doch zu meinem Konzert kamen, weil sie Freikarten hatten. Nun ja, im eigenen Land ist niemand ein Prophet. Ich dachte, daß sie wenigstens aus Neugier einen Landsmann hören wollen, der nach 6 Jahren im Ausland wieder in die Heimat zurückgekehrt ist. Nicht einmal das! – Ich mußte 280 Gulden an Auslagen zahlen."
Bedřich Smetana. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Tatsächlich haben die Prager nicht unbedingt auf Smetana gewartet. Seine fortschrittlichen musikalischen Ideen, die mit den neuesten Strömungen im Ausland Schritt hielten, trafen in den konservativen Publikumskreisen nicht jedermanns Geschmack. Dennoch gewann Smetana mit seiner ersten Oper "Die Brandenburger in Böhmen" den Wettbewerb für eine tschechische Nationaloper. Das Publikum mochte sowohl dieses Stück als auch das nächste, "Die Verkaufte Braut". Spätestens nach dem sensationellen Erfolg dieser zweiten Oper galt Smetana als Wegbereiter einer neuen tschechischen Musikkultur. Es gab aber auch Stimmen, die ihm vorwarfen, sich zu sehr am Ausland zu orientieren. Smetana war nicht dagegen, sich für die tschechische Sache einspannen zu lassen. Allerdings hatte er nicht die Absicht, sich damit gegen musikalische Entwicklungen jenseits der Heimat zu wenden und gegen Komponisten und Werke, die er bewunderte und die ihn inspirierten.
Im eigenen Land ist niemand ein Prophet.
Als tschechischer Komponist von Rang wurde Smetana 1866 gegen den Widerstand konservativer Kreise erster Kapellmeister des Interimstheaters. Damit konnte er auf die Entwicklung der tschechischen Musik entscheidenden Einfluss nehmen. Es entstanden weitere Opern, darunter "Dalibor" und die Festoper "Libuše" für die Eröffnung des Nationaltheaters im Jahr 1881. Als ein patriotisches Großprojekt plante Smetana außerdem einen ganzen Zyklus symphonischer Dichtungen: "Mein Vaterland". Mitten in sein Engagement für die tschechische Musik traf Smetana 1874 allerdings ein Schicksalsschlag, der ihn all seiner einflussreichen Funktionen im Prager Kulturleben beraubte. "Ich fürchte das Allerschlimmste: Ich bin absolut taub und höre rein gar nichts", schrieb er in sein Tagebuch.
Es war der Schaffensrausch eines Gebrochenen: Smetana verlor mit seinem Gehör nicht nur seine Funktionen, sondern auch den Großteil seiner Einkünfte. Erstaunlicherweise blieb seine Schaffenskraft von dem geballten Unglück nahezu unberührt. Neben dem Zyklus seiner symphonischen Dichtungen "Mein Vaterland" entstanden im letzten Lebensjahrzehnt Klavierstücke, Chöre, Kammermusik und sogar noch vier weitere Opern. Smetanas Wirken hatte bis dahin seine Bedeutung als Vater der tschechischen Musik gefestigt. Doch seine Verdienste wurden von den Verantwortlichen im tschechischen Kulturleben nicht in der Form honoriert, dass dem kranken Komponisten wenigstens materielle Sorgen erspart blieben. Da er sich seine Wohnung in Prag nicht leisten konnte, sah er sich gezwungen, mit seiner Familie in das Forsthaus seines Schwiegersohns in Nordböhmen umzusiedeln. Dort verbrachte er seine letzten Lebensjahre, bevor er 1884 in einer psychiatrischen Anstalt in Prag verstarb.
Sie haben in der Kunst etwas Ausgezeichnetes und für Böhmen Ehrenvolles geleistet.
Als Smetana sich in der schweren Zeit seiner Erkrankung und Existenznot bei seinem Freund Franz Liszt beklagte, antwortete der ihm: "Welch grausames Geschick immer Sie getroffen haben mag, Sie können die innere Befriedigung haben, dass Sie in der Kunst etwas Ausgezeichnetes und für Böhmen Ehrenvolles geleistet haben. Der Name Bedřich Smetana ist in seiner Heimat dauernd gefestigt. Das verbürgen Ihre Werke."
Sendung: Klassik Plus, Freitag, 1. März 2024, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Sonntag, 03.März, 00:55 Uhr
Dr. Albert Schnelle
200. Geburtstag von Bedrich Smetana
Ihre Erinnerung an Friedrich Smetanas 200. Geburtstag fasst sehr schön das zusammen, was die Bedeutung dieses großen Komponisten bis heute prägt. Dafür mein Dank! Ich habe letzten Freitag einen Vortrag über Smetana in einem privaten Kreis gehalten und dabei ganz ähnliche Aspekte hervorgehoben. Wichtig erscheint es mir, jenseits von Moldau und Verkaufter Braut auf andere Werke aufmerksam zu machen, die zumindest in Deutschland immer noch unterschätzt werden bzw. leider ganz unbekannt sind. Hier steht für mich im Vordergrund die heitere Oper „Zwei Witwen“, zudem wird die Klaviermusik sträflich vernachlässigt. Hier finden sich erstaunliche Werke, die vielem von Liszt den Rang ablaufen. Es wird Zeit, Smetanas Opern in ihrer Gesamtheit sowie seine absolut geniale Klaviermusik endlich auch bei uns bekannt zu machen!